Manchmal steht ein besonderes Taxi am Stand. Diese Taxis und ihre Fahrer stellt MOTOR-TALK vor. Diesmal ein Lexus LS 600h mit V8-Hybrid: Der hängt (fast) alle ab beim Ampelrennen.
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK Von Haiko Prengel Wie eine Rennmaschine sieht die Luxuskutsche von Lutz Raeder nicht aus. Dabei wären ein paar Rallyestreifen auf der Folierung in Hellelfenbein durchaus passend. Satte 445 PS Systemleistung hat Raeders Lexus LS 600h mit Hybrid-V8, damit kann der 64-Jährige beim Ampelrennen aus dem Vollen schöpfen. „Da muss sich ein Porsche schon ein bisschen langmachen, wenn er mithalten will“, lacht der Taxifahrer. Die meisten Menschen werden im Alter ja ruhiger, Raeder geht auf die 70 zu und fährt seit fast 40 Jahren Taxi. Für seine letzten Dienstjahre hat er sich noch einmal etwas ganz Besonders gegönnt. In 6,1 Sekunden beschleunigt sein Lexus von Null auf Hundert, laut Werksangabe. Raeder wollte es aber genau wissen und nahm zum Sprinttest eine Stoppuhr mit. Das Ergebnis: „Es sind 5,4 Sekunden.“ Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK Damit ist der Lexus LS wohl das schnellste Taxi, das man in der Hauptstadt bestellen kann. Dabei wirkt der Edel-Japaner auf den ersten Blick eher zahm. Außer den beiden dicken, in die Heckschürze integrierten Endrohren und den 19 Zoll großen Alurädern deutet nicht viel darauf hin, dass man es hier mit einem V8-Monster zu tun hat. Luxus im LexusDie Fahrgäste bemerken zuerst den Luxus, den das immerhin schon zehn Jahre alte Taxi bietet. Luftfederung, 4-Zonen-Klimaautomatik, elektrische Gardinen, Fernsehbildschirm im Fond: „Die Leute sind durch die Bank alle happy“, sagt Lutz Raeder stolz. Nur das optionale „Wellness-Paket“ mit Liegesitzen für die gediegene Shiatsu-Massage hat sein Wagen nicht an Bord, ansonsten bietet er praktisch „volle Hütte“. Listenpreis vor zehn Jahren: 126.000 Euro. Das ist Wahnsinn, wenn man bedenkt, wo Lutz Raeder herkommt. Zu Ost-Zeiten fuhr er privat Trabant, sein erstes Taxi war ein GAZ 24 Wolga. Die Sowjetlimousine gab es auch mit V8, allerdings nur in einer Kleinserie, die dem Geheimdienst KGB vorbehalten war. Ostdeutsche Taxifahrer wie Lutz Raeder mussten sich mit kleiner motorisierten Wolgas begnügen. Eine schlechte Erinnerung hat der Berliner nicht an seine erste Droschke: „Der Wolga war ein Langhuber mit 90 PS, damit konnte man ziemlich schaltfaul und angenehm fahren.“ Sofern der Wagen nicht gerade in der Werkstatt war: Ausgeschlagene Achsen, kaputte Reifen und andere Pannen seien häufig vorgekommen, berichtet Raeder. Ein halbes Jahr Mercedes war genugNach der Wende stieg der Familienvater dann auf Daimler um. „Alle haben damals gesagt: Mercedes ist das Nonplusultra“, erinnert sich der 64-Jährige. Also kaufte er sich einen einen nagelneuen 200D der Baureihe W124. Doch mit seinem Daimler war Raeder überhaupt nicht zufrieden. Die Vorderachse habe mehr gepoltert als bei seinem 20 Jahre alten Trabi. Und die 75 PS im 200D seien auch ziemlich mickrig gewesen: „Mit voller Besatzung und angeschalteter Klimaanlage ist man mit dem Auto gar nicht von der Kreuzung weggekommen.“ Schon nach einem halben Jahr gab Raeder seinen Mercedes wieder ab und stieg auf einen Toyota Camry um, mit standesgemäßem V6. Es war Raeders erster Japaner, und dabei blieb der Taxifahrer. Den Camry V6 fuhr er zwei Jahre lang, später folgte ein weiterer Camry V6 mit Gasanlage. Den ersten Lexus gönnte sich der Taxifahrer Ende der 90er Jahre, da hatte er sich längst an große Motoren gewöhnt: „Unter Sechszylinder ging gar nichts bei mir“, meint Raeder. Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK Der erste Lexus, ein LS 400, hatte einen Achtzylinder unter der Haube. Seitdem ist der Berliner V8-Fan, aber bitteschön in Kombination mit der Oberklasse-Ausstattung, die Toyotas Edel-Marke Lexus bietet. „Das ist so ein Spleen von mir“, meint Raeder. „Zu Hause sitzen die Leute ja auch auf vernünftigem Gestühl vor dem Fernseher.“ Warum sollte ein Taxifahrer bei seinem Arbeitsplatz also Abstriche machen? Gebrauchter Lexus statt neuem PriusInzwischen sind wir zur Spritztour mit dem LS 600h gestartet, durch den tiefen Osten in Berlin-Hohenschönhausen. Vom Verkehrslärm dringt kaum etwas in unsere Luxuskutsche. Lexus hat den LS 600h so dick gedämmt wie Musikproduzenten ein Tonstudio. Wir lassen uns in die Ledersitze sinken, das Interieur wirkt frisch wie am ersten Tag. Kaum zu glauben, dass dieser Wagen schon 10 Jahre alt ist. Lutz Raeder hat ihn erst neulich einem Autohaus in Rostock abgekauft. Bei seinem alten Lexus 430 mit LPG-Anlage hatte sich eine Menge Reparaturstau angesammelt. Zahnriemen, Anlasser, Keilriemenscheibe, Differenzial: Einiges hätte getan werden müssen, um den Wagen nach 560.000 gefahrenen Kilometern weiter jeden Tag als Taxi nutzen zu können. Also stand Lutz Raeder vor einer Grundsatzentscheidung: Wieder ein Benziner mit Gasanlage? Nein. Ein Diesel? „Der ist ja auch in Verruf geraten und niemand weiß, wie es damit weitergeht“, meint Raeder. Blieb als Alternative ein Hybrid. Ein neuer Toyota Prius koste aber auch locker 30.000 Euro, erklärt der Taxifahrer. „Da kann ich auch einen gebrauchten Lexus fahren.“ Und so kurvt Lutz Raeder jetzt mit einem Nobel-Taxi durch die Hauptstadt, wie es die meisten Fahrgäste wohl noch nie gesehen haben. Bis er 70 Jahre alt ist, will beziehungsweise muss Raeder noch arbeiten. Natürlich hätte er in den vergangenen Jahrzehnten eine Menge Sprit beziehungsweise Geld für die Zeit als Pensionär sparen können, wenn er statt V8 und V6 nur Vierzylinder gefahren wäre. „Ja, ökonomisch ist so ein Achtzylinder Blödsinn“, räumt Lutz Raeder ein. „Aber man lebt nur ein Mal auf der Welt.“ Man merkt: Dieser Taxifahrer liebt seinen Beruf immer noch. Weil er seine Autos liebt. Technische Daten: Lexus LS 600h
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