Fast so groß wie ein 5er, aber deutlich günstiger. Doof nur, dass der 3er GT mit dem perfekten Motor dann doch richtig teuer wird. Alltagstest mit dem 335d xDrive.
Berlin – Wo BMW gerade dabei ist: Wie wäre es denn mit der Umbenennung des 3er GT? Er sollte 4er GT heißen. Analog zum 6er Gran Turismo. Sinnvoll wäre das. Er überragt den 3er um rund 20 Zentimeter und ist dem 5er damit näher als jeder andere 3er – oder 4er. Mehr Platz auf der Rückbank und im Kofferraum bietet kein anderer Mittelklasse-BMW. Der GT ist für manch einen der bessere Touring. Man muss halt die etwas klobigere Front und das fließende Heck mögen. Eine praktische zweigeteilte Heckklappe, wie beim Touring gibt es nicht. Wir haben ausprobiert, was der GT als 335d xDrive sonst so im Alltag drauf hat – und was nicht. Karosserie | Platzangebot: Mehr Raum auf mehr FlächeDas schräge Heck täuscht, der Gran Turismo kann mehr einladen als der Touring. 520 Liter sind es mit Rückbank, bis zu 1.600, wenn die Lehne flach liegt. In den 3er Touring passen nur 495 bis 1.500 Liter. Ein Raumwunder ist der GT nicht: Er misst 4,82 Meter, der Touring bloß 4,63 Meter. In der Höhe nimmt das Fließheck dem Kombi sieben Zentimeter ab. Das muss man wollen. Für Laternenparker bedeuten 20 Extra-Zentimeter oft Extra-Runden um den Block. Kleiner Nachteil: Das Fließheck schränkt nach oben ein. Kommoden oder Überseekoffer transportiert man mit dem Touring unter Umständen besser. Außerdem nervt die zweiteilige Kofferraumabdeckung. Nur ein Teil schwingt mit der Heckklappe nach oben, der andere bleibt dran. Beide müssen fummelig separat entfernt werden, wenn man bis zur Scheibe beladen will. Passagieren geht es prima im GT. Die Beinfreiheit hinten ist üppiger als im 5er, die Polster vielleicht nicht ganz so bequem. Die Rückenlehne lässt sich steil stellen und gibt dann mehr Platz im Kofferraum frei. Umlegen lässt sie sich mit einem Handgriff aus dem Kofferraum. Die Hebel dafür sind allerdings premiumunwürdig klapprig. Der doppelte Boden fühlt sich solide an und wird von einem Gasdruckdämpfer gehalten. Innenraum | Verarbeitung: Typisch 3er, aber größerIm Innenraum ist der GT ein typischer 3er. Das Design (etwas zerklüftet), die Materialien (ordentlich) und die Oberflächen (durchwachsen) unterscheiden sich kaum von den Verwandten. Geht in Ordnung. An B- und C-Säule allerdings hört die Freude auf. Hier verbaut BMW untypisches Hartplastik. Beim Geräuschniveau im Innenraum ist der GT auch nicht gerade top. Ab 160 km/h nehmen die Windgeräusche zu, eine Mercedes C-Klasse kann das besser. Fahrer und Beifahrer sitzen eine Spur luftiger, und etwas höher als in 3er oder 4er. Nicht ganz so intim, aber immer noch sportlich. Unser Testwagen war großzügig mit schönem braunen Leder ausgeschlagen. „Dakota“ nennt BMW das. In der Ausstattungslinie Luxury Line ist es serienmäßig. Der 335d kostet damit 62.200 Euro. Viel, aber nicht viel mehr als die Sport-Line-Basis mit Stoffsitzen für 60.300 Euro. Einzeln bestellt, verlangt BMW 1.790 Euro fürs Dakota-Leder zuzüglich 370 Euro für die Sitzheizung. Das Holzfurnier fanden wir etwas spießig, aber es gibt Auswahl. Das Dekor kostet für Sport Line meist 300 Euro, Aluminiumleisten sind für 140 Euro zu haben, nur schwarzes Hochglanzdekor kosten keinen Aufpreis. Insgesamt wirkt die Innenraumgestaltung etwas unruhig. Ein paar Fugen, Übergänge und Materialsprünge weniger wären schön. BMW wird wohl erst mit dem Generationswechsel mehr Klarheit schaffen. Infotainment: Mit dem Update besserMit den jüngsten Facelifts hat BMW das Entertainmentangebot in fast allen Baureihen leichter bedienbar gemacht. Auch im 3er GT gibt es das teure Navi Professional jetzt mit Kacheloptik. Gelegentlich hangelt man sich zwar immer noch etwas ratlos durch die Menüs – und fragt sich zum Beispiel, wo eigentlich die übersichtliche Radioansicht von eben hin ist. Früher oder später gewöhnt man sich dran. Es ist der Fluch des Überflusses. Das Infotainment ist umfangreich. Nur nicht serienmäßig. Im 3er GT gibt es ab Werk ein Radio mit sechs Lautsprechern und einen 6,5-Zoll-Bildschirm fürs Infotainment. Die Bedienung per iDrive läuft reibungslos und ohne, dass man den Blick viel von der Straße nehmen muss. Smartphone-Konnektivität mit Bluetooth für Telefonie und Musikstreaming ist ebenfalls an Bord. In unserem 335d xDrive war das Paket ConnectedDrive verbaut – 3.100 Euro kostet der Spaß. Dafür gibt es Onlinefunktionen, WLAN, natürlich das Navi Professional (und damit die bessere Bedienbarkeit). Außerdem bringt das Paket kabelloses Laden fürs Smartphone ins Auto und relativ präzise Verkehrsinformationen. Die Kartendienste von Apple oder Google sind trotzdem besser und liefern genauere Voraussagen für die Ankunftszeit. Assistenzsysteme | Sicherheit: Fahren statt gefahren werdenBMW ist eine Fahrermarke. Während die Testwagen bei den meisten Herstellern kaum noch ohne Abstandstempomat und aktiven Spurhalter ausgehändigt werden, begnügt sich unser 3er GT mit einem normalen Tempomaten sowie Totwinkel- und Spurverlassenswarner. Die Pakete „Active Protection“ (350 Euro) und „Driving Assistant“ (520 Euro) waren verbaut. Damit strafft der 3er GT vor einer Kollision die Gurte vorn, fährt die Fenster hoch und bremst nach einer Kollision bis zum Stillstand ab. Außerdem warnt er vor dem Verlassen der Spur und wenn man dem Vordermann zu nahe kommt. Bis 60 km/h tippt der BMW selbstständig die Bremse an. Im Angebot gibt es noch mehr. Aber nicht alles, was die Konkurrenz in der Klasse bietet. Einen selbstlenkenden Spurhalter zum Beispiel bietet BMW im 3er GT nicht an. Fahrerauto eben. Einen Abstandstempomaten mit Stop-and-Go-Funktion schon, auf langen Strecken hätten wir den gerne gehabt (790 Euro). Schön: die adaptiven LED-Scheinwerfer. Motor | Getriebe: Eine Wucht von einem DieselGeld muss man haben. Denn der 3,0-Liter-Diesel in unserem 335d xDrive hat uns angefixt. Eine echte Wucht ist der Reihensechser mit seinen 313 PS und 630 Newtonmetern Drehmoment. Der schiebt so kräftig an, dass der GT manchmal einen Satz nach vorne macht, wenn man beim Anfahren nicht sensibel ist. Kraft, Kraft, Kraft. Immer und immer reichlich. Quelle: MOTOR-TALK Logisch, so sind die großen Turbodiesel. Doch der von BMW klingt auch noch großartig. Man ahnt kaum, dass da ein Diesel zerrt und drückt. Er klingt so sämig und nagelfrei, dass man ihn fast als V6-Benziner verkaufen könnte. Die Achtgang-Automatik von ZF harmoniert gut. Sie schaltet sanft und komfortabel, wenn man das will. Im Sport-Modus gerne auch schneller. Am schönsten fährt der 335d sich jedoch, wenn die Automatik gar nicht schaltet. Wenn der Motor einfach von unten durchzieht. Ein Sparwunder ist der Sechser nicht. Jedenfalls nicht im Stadtverkehr, da muss zu viel Masse in Bewegung gebracht werden. Bei niedrigen Temperaturen kann es zweistellig werden. Landstraßen und freie Autobahnen sind eher das Revier des großen Diesels. Gemütlich sind dann um die sechs Liter machbar. Im Schnitt mit Landstraße, Autobahn und etwas Stadtverkehr kamen wir auf 7,8 Liter. Nicht schlecht für die Kraft. Fahrwerk | Lenkung: Zwischen 3er und 5erDie gleiche Agilität und Kurvenfreude wie von einem 3er oder 4er darf man vom GT nicht erwarten. Die Ausmaße sind spürbar, die komfortablere Abstimmung und das Gewicht auch. 1.820 Kilo wiegt der GT mit dem dicken Diesel. Die 3er-Limousine bringt 115 Kilo weniger auf die Waage, der Kombi ist einen Zentner leichter. Reichlich Spaß kann der GT trotzdem machen. Die Lenkung ist immer noch direkt genug und mitteilsam, die Fahrwerksbalance angenehm hecklastig. Aus schnellen Kurven spürt man, wie der GT hinten in die Knie geht und sich abdrückt. Trotz Allradantrieb ("xDrive") fährt er sich angenehm heckbetont. Im Test-GT war das adaptive Fahrwerk für 1.100 Euro verbaut. Das senkt die Karosserie normalerweise um einen Zentimeter, allerdings nicht im xDrive. Sportlicher ausgelegt als Standard ist es trotzdem. Und adaptiv. Zu straff fanden wir es in keinem der Fahrmodi. Immer federt es verbindlich, mal mit mehr, mal mit weniger Rückmeldung über Kanten und Löcher. So kontrolliert wie ein 3er federt der GT nicht. Auf, nun ja, „komplexem“ Brandenburger Landstraßenbelag kommt der 3er GT zwar nicht ins Stolpern, aber er kippelt recht ordentlich. Ausstattung | Preis: Selten, aber teuerZum Preis eines normalen 3ers bekommt man den deutlich größeren GT natürlich nicht. 1.250 Euro muss man bei gleicher Motorisierung extra ausgeben. Im Vergleich zur weniger praktischen 5er Limousine spart der 3er-GT-Käufer rund 2.500 Euro. Unser Topdiesel kostet „dank“ Zwang zur Sport-Line-Ausstattung mindestens 60.300 Euro. Der Testwagen hatte Extras für rund 15.000 Euro an Bord. War also längst noch nicht voll-voll. Klare Konkurrenten hat der BMW nur wenige. Unter den sogenannten Premiummarken bietet nur Audi Vergleichbares. Der A5 Sportback kommt mit großer Klappe und schrägem Heck. Bei 4,73 Metern Länge braucht und bietet er weniger Platz. 480 Liter passen rein, maximal bis zu 1.300. Dafür kostet er deutlich weniger. Der stärkste Diesel mit 272 PS und 630 Newtonmetern aus 3,0 Litern Hubraum ist ab 53.750 Euro zu haben. Quattro-Antrieb ist Serie, einen heckbetonten Charakter gibt es nicht mal für viel Geld. Opel will den Insignia mit der aktuellen Generation weiter oben platzieren - aktuell endet die Motorenpalette beim 170 PS starken Diesel. Mehr als 210 PS werden es absehbar nicht werden. Der Skoda Superb ist mit 4,86 Metern Länge nah am 3er GT. Mit 620 bis 1.760 Litern Volumen ist der Kofferraum deutlich größer, der Platz auf der Rückbank ist trotz kürzerem Radstand dank Quermotor üppiger. Allrad gibt es auch – aber keinen Motor, der annähernd die Leistung des 335d bietet. Der 190-PS-Diesel mit Allradantrieb ist das Topmodell für 37.850 Euro. Fazit: Der 3er GT passt in seine NischeMehr Platz als im 3er Touring, fast so viel Länge wie ein 5er, preislich näher an der Mittelklasse – auch vom Fahrgefühl liegt der 3er GT zwischen 3er/4er und 5er. Er fährt eine Spur komfortabler als ein 3er oder 4er, erhält sich aber viel vom 3er-Charakter. Die Nische, die der GT besetzt, mag nicht riesig sein, aber sie existiert. Dass man den 335d xDrvie nicht zwingend braucht, muss wohl nicht erwähnt werden. Wer viel, aber nicht das Maximum will, dem empfehlen wir den 330d GT mit Hinterradantrieb. Den gibt es in der Advantage-Ausstattung ab 52.900 Euro. Hier leistet 3,0-Liter-Sechszylinder-Diesel zwar „nur“ 258 PS und 560 Newtonmeter, weniger Freude wird man damit trotzdem nicht haben. Dafür aber ein paar Euro mehr auf dem Konto. Technische Daten BMW 335d xDrive GT
|