Die sechste Generation des VW Polo ist größer, geräumiger und bunter geworden. Wird der neue Kleinwagen damit zur Konkurrenz für den älteren Golf? Erste Fahrt im Polo 6.
Hamburg – Mut ist relativ. Wer in fünf Generationen rund 14 Millionen Autos von einem Typ verkauft, will bei der sechsten Generation nichts falsch machen. So gesehen kann man als mutig bezeichnen, was einen im Innenraum des Polo 6 erwartet: Ganz schön viel Orange-Rot nämlich. Das Armaturenbrett wird jetzt in großen Teilen lackiert. Das geht matt oder glänzend, bunt oder schwarz und weiß. Passend zum Außenlack oder kontrastierend. Nicht alles geht, ein bisschen Geschmackspolizei darf schon sein. Das wird insgesamt nicht jedem gefallen. Der bisher großflächig verbaute, einfarbig grau-schwarze Kunststoff war nicht gerade fröhlich, dafür aber ganz schön golfig. Davon bleibt im Polo wenig. Viel weniger nüchtern wirkt der Kleine. Quelle: Volkswagen Geschmacksfragen. Wenn die geklärt sind, fragt man sich, warum VW ausgerechnet den inneren Türgriff im günstigsten Plastik ausführt. Das, was man dauernd anfasst. Das Armaturenbrett ist weich unterschäumt, die Türinnenverkleidung im oberen Bereich zwar hart, aber nett strukturiert. Der Griff dagegen fühlt sich billig an. Und: VW bietet zwei verschiedene Kunststoffe fürs Armaturenbrett an. Einen härteren und einen weichen. Wer Softtouch will, muss mindestens die Comfort-Line-Ausstattung nehmen. Da zeigen sich die Unterschiede zwischen klein und kompakt: Wer Kompakt-Niveau im Kleinwagen will, muss mehr zahlen. VW Polo 6 2017 erste Fahrt: Am Fahrwerk nicht gespartSparen muss eben sein, das sieht man im neuen Polo hier und da. Immerhin nur an wenigen Stellen. Die Lamellen der Lüftungsdüsen fallen auf, weil sie etwas abfallen. Ansonsten gibt es wenig zu meckern. Interessant, aber erst ab Herbst gegen Aufpreis zu haben: Der volldigitale Instrumententräger, den VW in neuer Generation erstmals im Polo einsetzt. Die Grafiken wurden verändert und die Auflösung erhöht. Die simulierten Rundinstrumente wirken moderner und schärfer. Wer will, kann sich groß die Navikarte anzeigen lassen, die Tuben verschwinden dann ganz und Ziffern am unteren Bildrand geben Auskunft über die Geschwindigkeit. Besser wurde das bislang in keinem VW umgesetzt. Was es kostet, sagt VW noch nicht. Das Infotainmentsystem zeigt sich vor allem äußerlich neu. Wo früher Knöpfe waren, gibt es beim großen System jetzt beschriftete Schaltflächen. Zwei Drehknöpfe bleiben, anders als beim Golf. Einer für die Lautstärke, einer für den Zoom der Navikarten oder fürs Browsen durchs Menü. Die Schaltflächen reagieren erfreulich schnell, der Bildschirm wechselt geschmeidig die Anzeige. Auf Gestensteuerung darf man verzichten. Gut so, die im Golf funktioniert nicht besonders gut. Polo 6 Motoren: 1,0-Liter-Dreizylinder mit oder ohne DSGZum Marktstart bietet VW den Polo 6 mit drei Motoren an: zwei Saugbenziner mit 65 und 75 PS sowie einen Turbo mit 95 PS. Alle verteilen einen Liter Hubraum auf drei Zylinder. Zumindest für gelegentliche Überlandfahrten sollte es schon der 1,0-Liter-Turbo sein. VW kombiniert ihn wahlweise mit einem manuellen Fünfgang-Getriebe oder mit Siebengang-DSG. Beide Versionen funktionieren stressfrei, das DSG nervt fast nie. Nur gelegentlich ruckelt es bei Schleichfahrt etwas. Der Handschalter wäre unsere Wahl. Weil es leichter fällt, den Polo damit sparsam zu fahren. Und weil er in der Anschaffung 1.500 Euro spart. 4,5 Liter Durchschnittsverbrauch gibt VW für den 95-PS-Benziner mit Handschalter an, die DSG-Version soll 4,7 Liter verbrauchen. Im flachen Hamburger Umland waren mit dem Handschalter Werte um die 5,5 Liter kein Problem. Mit DSG muss man eher einen halben Liter addieren. Laut wird der Dreizylinder im Polo bei sachter Fahrt nie. Erst wenn man ihn tritt, röhrt er typisch rau. Mit DSG wirkt das aufdringlicher als mit dem Handschalter. Träger fühlt er sich trotz zwei fehlender Gänge nicht an. Eine kurze Ausfahrt im Diesel (kommt später) bestätigte nur, was wir schon vermutet hatten. Der 1,6-Liter-Selbstzünder mit 95 PS schmeichelt dem Polo nicht. Er gibt sich zwar für einen Diesel angenehm unauffällig, aber deutlich hörbar grummelt er trotzdem. Die Anschlüsse der Fünfgang-Box (Siebengang-DSG optional) stimmen vor allem im Stadtverkehr zu oft nicht. Für Leute, die lange Strecken fahren müssen, vielleicht eine Option. Für die Stadt nicht. Der neue Polo wächst: Mehr Platz auf mehr RaumDie Stadt bleibt das Revier des Polo. Hier federt er angenehm verbindlich und doch geschmeidig über Kantsteine, Schlaglöcher und Gullideckel. Er wirkt dabei nie stößig oder unangenehm hart. Die Lenkung legt VW gewohnt leichtgängig, aber ausreichend präzise aus. Typisch VW, alles fühlt sich so an, wie man das vom Vorgänger gewohnt war. Oder vom Golf? Nicht ganz: Der Polo erreicht nicht die gleiche Solidität, federt manchmal etwas weniger raffiniert. Mehr Gewicht in der Lenkung wäre nett. In unserem Testwagen fehlte allerdings ein straffender Sport-Modus. Trotzdem: Mit dem großen Bruder teilt der Polo sich in der 6. Generation viel vom Fahrgefühl und erstmals die Plattform. VW nennt sie Modularer Querbaukasten (MQB) mit dem Zusatz A0 für die Kleinwagenklasse. Mit der neuen Plattform kommen neue Assistenzsysteme. Der Polo 6 bremst nun in der Stadt automatisch auch für Fußgänger, warnt beim rückwärts Ausparken vor querendem Verkehr und bremst sich nach einer Kollision fest, um nicht mehr Unheil anzurichten. Außerdem gibt es einen Abstandstempomaten und einen aktiven Parkassistenten mit Bremsfunktion. VW Polo 6 Kofferraum: Fast so viel Platz wie ein KompakterQuelle: Volkswagen Nachteil des Modellwechsels: Der Polo wächst. Gut acht Zentimeter zusätzliche Außenlänge können entscheiden, ob man schon parkt oder noch eine Runde dreht. Mit 4,05 Metern liegt der Polo voll im Klassenstandard, also da, wo Corsa und Fiesta ebenfalls liegen. In der Breite legt er fast sieben Zentimeter zu. In schmalen Parkbuchten und Parkhäusern wäre weniger dennoch mehr. 1,75 Meter ohne und 1,95 Meter mit Außenspiegeln sind manchmal zu viel. Vorteil des Übermaßes: Gut neun Zentimeter Radstand mehr schaffen reichlich Platz auf der Rückbank. Die Kniefreiheit ist beachtlich für die Klasse. Das Raumgefühl vorne gerät durch die Zusatzbreite ebenfalls großzügiger, hinten dürften drei Personen etwas gemütlicher sitzen. Und: Der Kofferraum fasst jetzt 351 Liter. Ein Golf lädt nur rund 30 Liter mehr ein, ein Ford Focus kann keine 10 Liter zusätzlich verstauen. Ist der Neue also ein Golf im Polo-Kleid? Für manchen dürfte er diese Rolle spielen. Kleine Abstriche müssen sein. Aber das war beim Polo 5 im Grunde nicht anders. Ansprüche sind eben relativ. Technische Daten VW Polo 1.0 TSI (DSG)
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