Zwei Mittelklasse-SUV mit ähnlichen Daten und verschiedenen Stärken: Der BMW X3 ist ein kultivierter Gleiter, der Alfa Stelvio rauer Athlet. Ein Vergleich.
Berlin – Eigentlich baut BMW ja die wilden Autos. Agil im Heck, fein ausbalanciert und schön direkt. Tendenz: Sport in fast jeder Klasse. In diesem Vergleich kommt der Sportler allerdings aus Italien. Denn Alfa arbeitet hart daran, dass der Stelvio kein beliebiger Blechkloß wird, und stimmt ihn besonders spitz ab. Sport trotz SUV, sozusagen. Man sieht das im direkten Vergleich. Der Alfa trägt die Nase flacher, seine Schürze etwas tiefer. Die Scheinwerfer haben den bösen Blick. Beim BMW ragt die Doppelniere hoch auf, die Haube wirkt fast waagerecht. Diese SUV mögen aus dem gleichen Segment stammen und in der Basis ähnlich viel kosten - doch sie sind völlig verschieden. Das liegt an ihren Vorbildern: Der Stelvio mag am liebsten wie die Giulia sein. Drahtig, frech und hübsch. Der BMW X3 orientiert sich nach oben. Er teilt sich viele Eigenschaften mit dem BMW 5er. Wir haben beide Autos zwei Wochen lang im Alltag getestet und miteinander verglichen. Wie sie sich geschlagen haben, lest Ihr in der Detailwertung. Abmessungen | Platzangebot | KarosserieQuelle: mobile.de Nah kommen sich X3 und Stelvio bei den Karosseriemaßen. Beide sind grob 4,70 Meter lang und 1,90 Meter breit. Der Alfa baut eine Idee flacher, der BMW hat den längeren Radstand. In beiden Autos sitzen die Motoren längs auf der Vorderachse, die Getriebe dahinter. Entsprechend gibt es im Innenraum vergleichbare Platzverhältnisse: Vorne gut, hinten anständig, jeweils mit genug Luft an Kopf und Knien. Alfa zeichnet dem Stelvio ein Heck, das bei anderen Marken locker als Sportback oder Coupé durchgehen würde. In der C-Säule bleibt kein Platz für ein Fenster, das Heck fällt flach ab. Beim X3 steht die Scheibe vergleichsweise aufrecht. Trotzdem bekommt man in beide Autos ungefähr die gleiche Menge Gepäck: 525 (Alfa) bzw. 550 Liter (BMW) passen unter die Abdeckung, jeweils 1.600 Liter maximal. Kurios: Ihren Charakter zeigen beide Autos sogar im Kofferraum. Der BMW ist der Vernünftige. Wo im BMW ein cleveres Netz für die Aufbewahrung von Kleinteilen hinhängt, sitzt im Alfa der Subwoofer. Platz für Zeug gibt’s im Stelvio trotzdem genug. Innenraum | Verarbeitung | MaterialienQuelle: mobile.de So nah sich die beiden bei Platz und Größe stehen, so weit sind sie bei der Innenraumgestaltung voneinander entfernt. Alfa stattet unseren Test-Stelvio mit schwarzem Leder, unterschäumtem Kunststoff und lackierten Plastikspangen aus. Kühl und funktional wirkt das. Besonders im Vergleich zum BMW: dunkles Holz, helles Leder und ein aufwändiges, zum Fahrer geneigtes Armaturenbrett – wohnlich und gemütlich. So wie sie aussehen, fühlen sich die beiden Autos auch an. BMW spannt weiche Tierhäute auf die Sitze. Man sinkt sanft ins Polster und schmiegt sich an gut positionierte Armauflagen. Die Sportsitze unseres Testwagens bieten anständigen Seitenhalt und unterstützen beim flotten Fahren. Genauso gut lässt es sich auf ihnen lümmeln. Toll auf langen und langweiligen Strecken, wenn die Assistenz aushilft. Stoffe, Schalter, Sitze und Ausrichtung wirken wie unverändert vom 5er übernommen. Alfa polstert die Sitze des Stelvio überraschend straff. Fletzen möchte man hier nicht, lieber gerade sitzen und aktiv fahren. Die Italiener schaffen es trotzdem, dass nach langen Strecken nicht der Hintern weh schmerzt. Vieles im Alfa stammt aus der Giulia. Ergonomie und einige Schalter erinnern (im positiven Sinne) an Audi. Im direkten Vergleich mit dem X3 wirkt das Cockpit eher günstig. Schade: Der Fahrersitz unseres Testwagens knarzte bei niedrigen Temperaturen. Infotainment | Radio | KonnektivitätQuelle: mobile.de In der Basis sind beide Autos ähnlich digital. Alfa installiert serienmäßig ein 6,5-Zoll-Display, Radio, Bluetooth, USB-Anschluss, Sprachsteuerung und acht Lautsprecher. Bei BMW misst der Monitor ebenfalls 6,5 Zoll, es gibt nur sechs Lautsprecher und keine Sprachbedienung. Dafür sind Online-Funktionen serienmäßig dabei. Beide Systeme werden über einen Dreh-Drück-Steller in der Mittelkonsole bedient. Die Handy-Anbindung via Apple CarPlay oder Android Auto (300 Euro) erfordert im Stelvio ein Navi. Das kostet mindestens 1.100 Euro (im Paket günstiger). Ab der Ausstattungslinie „Super“ lässt sich das große Infotainment „Connect 3D Nav“ mit 8,8-Zoll-Display bestellen. Die Smartphone-Standards gehören dazu. Trotz des großen Monitors fallen die Anzeigen im Display klein aus. Das nervt bei der Eingabe der Naviziele. Die Bedienung selbst funktioniert tadellos. Schön: Kurzwahltasten hat Alfa gut integriert. BMW bietet Android Auto gar nicht an, Apple CarPlay nur im Abo. Voraussetzung hierfür: Die Navigationsfunktion „Business“ (1.490 Euro) und eine 2-Zonen-Klimaautomatik (730 Euro, Serie im Alfa). Das große Navi („Professional“) kostet 3.130 Euro, zuzüglich Klimaautomatik. Mit dabei: Bedienung per Gesten, Sprache oder Touch, WLAN, Alarmanlage, Concierge-Service und eine induktive Ladefunktion für Smartphones. Viel Geld für nette Spielereien, an die man sich im Alltag aber schnell gewöhnt. Bedienung und Übersicht sind sehr gut, das Display wirkt hochwertiger als jenes im Stelvio. Einige Funktionen bietet Alfa gar nicht an. Assistenzsysteme | SicherheitQuelle: mobile.de Gleiches gilt für die Assistenz. BMW steckt die Helferlein der größeren Limousinen in den X3. Das Paket „Driving Assistant“ (890 Euro) enthält Systeme, die vor Unfällen warnen, automatisch bremsen oder die Folgen eines Aufpralls mindern. Teilautonome Funktionen (Abstandstempomat und Spurhalteassistent bis 210 km/h, unterstützender Spurwechsel) kosten im Paket „Driving Assistant Plus“ 2.300 Euro. Bedingung: hübsche Schalter (150 Euro) und das Spiegelpaket (490 Euro). Der X3 fährt damit noch nicht selbstständig, verantwortlich ist weiterhin der Fahrer. Aber die Systeme erleichtern lange Fahrten gewaltig. Folgt der BMW einem anderen Auto, genügen winzige Korrekturen am Lenkrad. Nur auf ausscherende Fahrzeuge reagiert das System ruppiger als unbedingt nötig. Einen einfachen Tempomat gibt es serienmäßig. Parkpiepser, schlüsselloser Motorstart, elektrische und beheizte Spiegel sowie LED-Scheinwerfer (mit Halogen-Fernlicht) sind ebenfalls immer an Bord. Adaptive LED-Lampen kosten 1.490 Euro. Sie maskieren den Gegenverkehr, wenn das Fernlicht aktiviert ist. Alfa hält sich mit der Assistenz im Vergleich zurück. Der Stelvio kann die Spur nicht halten, nur beim Verlassen warnen. Parkpiepser kosten 200 Euro Aufpreis. Fernlichtassistent, abblendende Spiegel und ein Totwinkelassistent sind optional verfügbar. Die Geschwindigkeit hält der Stelvio serienmäßig, der Abstandshalter kostet 1.200 Euro. In der Basis stecken Halogenscheinwerfer im Alfa. Nur in den Rückleuchten arbeiten LEDs. Bi-Xenon-Lampen mit Kurvenlicht und LED-Tagfahrlicht kosten 1.400 Euro Aufpreis. Eine Scheinwerferreinigungsanlage gehört dazu. Die gibt es beim BMW X3 gar nicht. Antrieb | Motor | GetriebeQuelle: mobile.de Der mittlere Alfa-Diesel liegt ungefähr dort, wo BMW im X3 erst loslegt. Beide Vierzylinder sind ähnlich stark, schnell und durstig. Wichtiger Vorteil für den X3: Alle Selbstzünder bekommen ein AdBlue-System mit 10,5-Liter-Tank serienmäßig. Damit erfüllt er immerhin die Abgasnorm Euro 6c. Alfa reinigt die Abgase im Stelvio Diesel mit einem NOx-Speicherkat und erreicht nur Euro 6b. Obwohl beide Motoren auf dem Papier nah beieinanderliegen, fühlen sie sich ganz unterschiedlich an. Der Alfa nagelt laut und knurrt hörbar. Wir haben in dieser Preisklasse mehr Kultur erwartet, obwohl wir den Motor schon aus der Giulia kennen. Die Geräuschkulisse passt nicht zum sportlich-eleganten Bild, das Alfa mit dem Stelvio eigentlich abliefert. Im Vergleich klingt der BMW-Diesel fast seidig. Unangenehme Geräusche verfangen sich zum großen Teil in der Dämmung, im Innenraum kommt nur wenig an. Viel Komfort, der leider auch viel wiegt. Der X3 bringt leer rund 90 Kilogramm mehr auf die Waage als der Stelvio. Zum Teil liegt das an der komplizierteren Abgasreinigung und am größeren Tank des X3. Außerdem an der leichten Carbon-Kardanwelle des Stelvio. Bei Fahrleistungen und Verbrauch nehmen sich beide Motoren fast nichts. Der Alfa zieht zackig und eine Spur krätiger, der BMW fährt komfortabler und fein dosierbar. Auf flotten Autobahnetappen war der Stelvio minimal sparsamer unterwegs (Alfa: 8,3 Liter, BMW: 8,5 Liter). Beim Pendeln ins Berliner Umland spritzte der X3 etwas weniger ein (Alfa: 6,8 Liter, BMW: 6,7 Liter). Marginale Unterschiede, die letztendlich nicht entscheiden werden. Beide Autos fahren mit Achtgang-Wandlerautomaten und Allradantrieb, jeweils heckbetont. Im X3 gehört beides zur Serienausstattung. Alfa bietet den Stelvio mit Hinterradantrieb (- 2.800 Euro) und kleineren Antrieben an. Beim Topmodell fährt Alfa vor BMW: Der Stelvio Quadrifoglio (510 PS) ist deutlich schneller als der BMW X3 M40i (360 PS). Fahrverhalten | Fahrwerk | LenkungQuelle: mobile.de Der Sport zieht sich bei Alfa durch das ganze Auto. Das gilt besonders für die Lenkung. Die ist im Stelvio so direkt abgestimmt, dass man ihn auf Dauer im zahmsten Fahrmodus fährt. Alle schärferen Stufen fühlen sich auf der Autobahn zu nervös an. Dafür spürt man die Fahrbahn deutlich in den Fingern – und er geht herrlich zackig ums Eck. Das liegt zum Teil am optionalen Sportfahrwerk (450 Euro) in unserem Testwagen. Es verstärkt den agilen Charakter des Stelvio, ohne das SUV übermäßig unkomfortabel zu machen. Für das Segment federt er dennoch sehr straff. Absolut betrachtet lenkt der BMW ebenfalls direkt – nur eben nicht so spitz wie der Alfa. Sein adaptives Fahrwerk (990 Euro) konzentriert sich vor allem auf Komfort. Im Sport-Modus dämpft der X3 noch betont familientauglich. In den anderen Stufen sowieso. In diesem Vergleich ist der X3 lieber Gleiter als Raser. Ausstattung | Preis | FazitAlfas SUV ist ein Auto, das man mögen möchte. Trotzdem wird seine Abstimmung nicht jedem gefallen. SUV sind beliebt, weil sie so hoch und komfortabel sind. Der Stelvio setzt auf Sport, also genau dagegen. Trotzdem wird er seinen Markt finden. Weil er so sportlich ist. Und weil Alfa keine Kombiversion der Giulia baut. Der X3 geht das Thema Mittelklasse-SUV ruhiger an. Er streckt sich weit nach oben und übernimmt vieles vom 5er, Komfort inklusive. Er ist digital, vernetzt und teilautonom unterwegs. Das kostet allerdings ordentlich Aufpreis und ist in vielen Fällen an weitere Extras gekoppelt. Quelle: mobile.de In der Basis sind beide Autos in dieser Leistungsklasse gleich teuer. Sie kosten laut Liste ohne Extras 47.000 Euro. Alfa bietet serienmäßig vier Jahre Garantie, BMW nur zwei Jahre Gewährleistung. Die Preise für zusätzliche Ausstattungen unterscheiden sich zum Teil stark: Schaltwippen am Lenkrad kosten im X3 zum Beispiel 150 Euro, bei Alfa 400 Euro. Manche Extras liegen auf ähnlichem Niveau. BMW bietet die umfangreichere Ausstattungsliste. Die Wahl zwischen beiden Autos fällt leicht. Der Stelvio ist das straffere, fahraktive Auto, das auf überflüssigen Schnickschnack verzichtet. Gefühlt würde ein Benziner jedoch besser zum Gesamtbild passen. Im X3 gibt es mehr Luxus, viel mehr Extras und den schöneren Innenraum - besonders dann, wenn so viel Zubehör drinsteckt wie in unserem Testwagen. Bei beiden Autos lohnt es sich jedoch, noch etwas zu warten. Alfa wird im Laufe des Jahres ein SCR-System anbieten. BMW wird den X3 langfristig nach Euro 6d-Temp zulassen – das Schwestermodell X4 erfüllt diese Norm bereits. Technische Daten BMW X3 xDrive20d und Alfa Romeo Stelvio 2.2 Diesel AT8-Q4
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