Keine der drei großen Luxuslimousinen wiegt weniger als der 7er BMW. Ist Schlanksein eine starke Währung? Wir haben den 750i mit 450-PS-V8 getestet.
Von Philipp Monse
Berlin – Es macht den 7er sympathisch, dass er höflich grüßt. „Hallo, Phil“, zeigt das 10,25-Zoll-Display nach dem Aufschließen an. Mit der Luxuslimo per Du. Nicht schlecht! Eine nette Idee, die irgendwie zum 7er passt. Er ist voll von netten Ideen. Von der Gestensteuerung über das teilautonome Fahren bis hin zu drei unterschiedlichen Eingabe-Möglichkeiten. Er parkt sogar fahrerlos (geradeaus) ein, wenn er per Funkschlüssel den Befehl bekommt. Quelle: MOTOR-TALK Das ist die eine Seite des 7ers. Technik, Smartphone-Feeling, Innovation. Den Anschluss an Apple und Google halten. Die andere Seite ist das „alte“ BMW: weniger Gewicht, mehr Fahrdynamik, Reihensechszylinder und V8. Was wichtiger ist im 7er und was er besser kann? Wir haben es im Alltag ausprobiert. Karosserie/Platzangebot: Die Elektronik wird es richten5,10 Meter lang, 2,17 Meter breit und fast 1,50 Meter hoch – beim Einparken mit dem 7er kann man die Übersicht leicht verlieren. Besonders nach hinten ist der Ausblick schlecht – in dieser Klasse spielt das aber kaum eine Rolle. Üblicherweise überlässt der Fahrer dem Auto die lästigen Arbeiten. Loslassen – das Auto kann es eh besser. Doch dazu später mehr. Der Vorteil der Ausmaße: viel Platz für alle Insassen. Vier Personen sitzen hier sehr angenehm, erst zu dritt wird es auf der Rückbank kuschelig – aber wer nutzt den 7er schon als ordinäres Familienauto? Fürstliche Platzverhältnisse gibt es in den 14 Zentimeter längeren Li-Varianten. Der Kofferraum des 7ers fasst 515 Liter Volumen und bietet gegen Aufpreis eine Durchlade (150 Euro). In der S-Klasse bekommt man 15 Liter mehr Stauraum. Interieur: Wertig bis prolligIn unserem 750i sitzen wir auf „Exklusivleder Nappa mit erweiterten Umfängen schwarz“ für 1.490 Euro. Die Sitzflächen sind fein im Karomuster abgesteppt und perfekt verarbeitet – allerdings kommt einer Betrachterin aus dem Bekanntenkreis beim Anblick das Wort „prollig“ über die Lippen. Das sitzt. Quelle: MOTOR-TALK Schalter, Knöpfe, Regler fassen sich stabil und angenehm an. Die elektrisch verstellbaren vorderen Massagesitze kosten 2.200 Euro und bieten acht Massageprogramme. Aber auch hier massiert ein Auto. Das nette Gedrücke im Rücken hat so wenig mit einer richtigen Massage zu tun wie teilautonomes Fahren mit einem Chauffeur. Trotzdem: Es ist angenehm. Infotainment: Leicht zu bedienen – ohne zu berührenBMW wurde 2016 100 Jahre alt, will aber wirken wie ein Startup. BMW-Chef Harald Krüger will die alte Automarke moderner machen. Im 7er kann man sehen, wie das gehen soll. Per „Gestiksteuerung" kann der Fahrer serienmäßig Anrufe annehmen, die Lautstärke regeln oder eine Staumeldung wegschieben. Das funktioniert mit ein paar Fingerbewegungen und erstaunlich gut. Einmal gelernt, nutzt man das System zumindest beim Telefonieren . Und sonst? Sonst wirkt das System wie der verzweifelte Versuch, etwas Neues zu etablieren, wie eine nette Spielerei. Dabei würde dem 7er die erste perfekte und vollumfängliche Sprachsteuerung der Autobranche doch viel besser stehen. Statt die zu entwickeln, betreibt BMW Effekthascherei mit doppeltem Boden. Zusätzlich gibt es eine Touchfunktion für das 26-Zentimeter-Display auf der Mittelkonsole (S-Klasse 31 Zentimeter Diagonale) und den üblichen i-Drive-Drück-Dreh-Schalter. Das wirkt mutlos. Dazu bleibt die Touchbedienung während der Fahrt zu fummelig – erst im 5er hat BMW eine übersichtlichere Oberfläche eingeführt. Am Ende nutzt der Fahrer hauptsächlich den Drehregler – weil der einfach funktioniert. Für die Kopplung des Smartphones und die allgemeine Bedienung und Menüführung gilt das Gleiche. Weniger gut funktioniert allerdings die Sprachsteuerung. Sie versteht zu oft nur Bahnhof, wenn der Fahrer zum Flughafen möchte. Der Kartendienst „Here“ sucht außerdem mitunter sehr langsam. Assistenzsysteme: Fahren oder fahren lassen?Angesichts der Ausmaße und der schlechten Übersicht lohnt sich ein Blick zu den Einparkhilfen: Der Parkassistent kostet läppische 350 Euro, findet Lücken und parkt vollkommen allein (Lenken, Bremsen, Beschleunigen) längs und quer zur Fahrbahn ein. Aber Achtung, das System startet fix. Der 7er legt sofort nach dem Aktivieren los. Egal, ob Verkehr kommt. Dafür ist noch der Fahrer zuständig. Mit vier Kameras erzeugt das optionale Surround-View-System (740 Euro) außerdem eine 360-Grad-Sicht, mit der sich auch in engen Parkhäusern präzise in jede Lücke manövrieren lässt. Hier gibt der Parkassistent auf. Auf dem Display werden kritische Bereich automatisch herangezoomt. Das funktioniert gut – ist aber nichts Besonderes. 550 Euro will BMW für das Highlight „ferngesteuertes Parken“. Dabei braucht es mitunter zwei, drei Versuche zum korrekten Verbindungsaufbau zwischen Schlüssel und Fahrzeug. Dann funktioniert das Parken selbst einfach, aber nicht besonders flott. Ob der gestresste Manager das System mehr als zwei-, dreimal einem Bekannten vorführt? Wahrscheinlich nicht. Voraussetzung ist neben Parkassistent und Surround View auch der Kauf der Rückfahrkamera für 490 Euro. Macht 2.130 Euro für einen Hauch Zukunft. Der fehlt an anderer Stelle. Ausgerechnet die aktive Geschwindigkeitsregelung mit Stop&Go-Funktion und der Spurhalteassistent (im Komplettpaket „Driving Assistant Plus" für 3.100 Euro mit Auffahrwarnung und Seitenkollisionsschutz) müssten mehr können. Im stockenden Verkehr und bis ca. 210 km/h soll der 7er damit fast von allein fahren. Das System macht auf gut ausgebauten Autobahnen, was es soll. Aber einen automatisierten Spurwechsel bekommt der 7er nicht auf die Reihe. Das ist schade – vor allem, weil die Funktion anderthalb Jahre später einfach so im 5er nachgereicht wurde. Antrieb: Ein V8, den man nicht hörtZurück zum Auto im klassischen Sinne. Im BMW 750i steckt ein V8 – und was für einer. Der 4,4-Liter-Biturbo mit dem Code N63 steckt sonst unter anderem im alten M5. Im 7er arbeitet er so leise, dass man sich beinahe beschweren möchte. Immerhin gibt es optional eine Sportabgasanlage für 600 Euro. Schnell kann er natürlich trotzdem, nur eben ohne Getöse. Erst beim Ampelspurt hört man den V8, aber leise und dezent. 4,7 Sekunden braucht der 750i für Tempo 100, auf der Autobahn rennt er elektronisch begrenzte 250 km/h. Im Innenraum fühlt sich beides gedämpft an. Gut so. Die ZF-Achtgang-Automatik (Sportausführung für 290 Euro) schaltet sauber und schnell. Aber wie das mit großen Motoren nunmal so ist: Er säuft. Fast zwölf Liter waren es in unserem Test. 8,0 Liter NEFZ-Verbrauch sind zu weit entfernt. Das Schönste am Testwagen ist nicht die Digitaltechnik, sondern der V8. Blanke Ironie, dass er im Grunde aus einer Zeit stammt, in der Internet im Auto noch irrelevant war. Fahrwerk/Lenkung: Viel Gleiten und ein bisschen SportKeine Frage, der 7er fährt äußerst souverän, sanft und komfortabel – aber er setzt in diesem Bereich keine Maßstäbe. Beide Achsen bekommen beim Neuen eine adaptive Luftfederung. Das ist eine Verbesserung zum Vorgänger, denn der bot die Luftfederung nur an der Hinterachse. Es ist aber vor allem der Versuch, zum Fahrkomfort der S-Klasse aufzuschließen. Mit dem „Executive Drive Pro“ Paket für 2.950 Euro soll es noch gemütlicher gehen. Hier minimiert eine aktive Wankstabilisierung Karosseriebewegungen beim Bremsen, Beschleunigen und der Kurvenfahrt. Das alles funktioniert: Im normalen Betrieb beobachtet der Fahrer befriedigt, wie sich die Haube vor ihm erhaben hebt und senkt und er auch über schlechte Straßen hinweggleitet. Doch BMW ist etwas anderes noch wichtiger. Der 7er soll dynamisch sein, fast wie ein 5er fahren. Und dieser Anspruch ist nicht mal völlig aus der Luft gegriffen. Die Bayern sind mit dem 7er die ersten, die in der Serienfertigung eine Mischbauweise aus Carbon, Aluminium und Stahl einsetzen. Bei der „Carbon-Core“-Technik werden an Stellen wie dem Mitteltunnel oder den Dachträgern Carbon-Verstärkungen genutzt. Das Resultat: Unser 750i wiegt in der Basis 100 Kilogramm weniger als die vergleichbaren Audi A8 4.0 (altes Modell, mit Allrad) und Mercedes S-Klasse S500. Das spüren wir deutlich. Im Sportmodus bewegt sich der 7er flott und zügig. Die Lenkung gibt eine gute Rückmeldung, das Fahrwerk arbeitet präzise und federt sanft ein. Die bereits aus dem Vorgänger bekannte Integral-Aktivlenkung (1.450 Euro) lässt die Vorder- und Hinterräder geschwindigkeitsabhängig einlenken und den 7er etwas agiler ums Eck fahren. Schön und gut, aber wer nutzt das schon in einer Luxuslimousine? Ausstattung/Preis: Den A8 gab es günstigerBMW positionierte den 7er stets als den Dynamiker unter den deutschen Dickschiffen. Dass das nicht automatisch die meisten Autos verkauft, zeigen seit Jahren die Absatzzahlen. Hier haben weder 7er noch Audi A8 eine Chance gegen die S-Klasse. Preislich sieht es im Moment noch anders aus. Die Preise für den 7er beginnen bei 87.200 Euro, der 750i kostet mindestens 111.500 Euro. Im Vergleich steht der leichteste unter den Dicken damit gut da. Die kürzlich überarbeitete Mercedes S-Klasse S560 mit 469 PS kostet mindestens 113.960,35 Euro. Nur der deutlich ältere und schwächere Audi A8 4.0 TFSI mit 435 PS ist kostet bisher 104.400 Euro in der Basis. Zur neuen Generation des A8 gibt es noch keine Preise. Allerdings: Teuer wird es sowieso. Unser Test-7er fährt Sonderausstattung für gut 20.000 Euro durch die Gegend. Zu den sinnvollsten Komponenten zählen die Parkassistenten, der Driving-Assistant und die Wankstabilisierung (siehe oben). Dazu kommt das schöne große Head-up-Display für 1.390 Euro. Das Laserlicht für 1.200 Euro halten wir für überflüssig. Die serienmäßigen Voll-LEDs kommen mit adaptivem Kurvenlicht und Fernlichtassistent leuchten wunderbar. FazitBMW hat die Grenzen zwischen 5er und 7er verwässert. Der 7er soll so leicht fahren wie ein 5er, der 5er technisch überwältigen wie ein 7er. Hat das funktioniert? Ja. War es gut? Nein, denn es schadet dem 7er. Eigentlich hätte die Oberklasse-Limousine BMWs technischer Vorreiter sein sollen. Doch viele Highlights bleiben Spielerei, die großen Innovationen beim Infotainment fehlen. Der verbesserte Fahrkomfort hingegen überzeugt. Die Leichtigkeit funktioniert - doch zweifelhaft bleibt, ob BMW so in der Luxusklasse auf dem richtigen Weg fährt. Sehr junge gebrauchte 750i findet Ihr bereits auf mobile.de. Die Preise beginnen bei ca. 75.000 Euro. Technische Daten BMW 750i
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