Zwei Mittelklasse-Coupés mit viel Power vorn und hübschen Linien hinten: Audi S5 und Infiniti Q60 S haben viel gemeinsam, sind aber ganz unterschiedlich. Ein Vergleich.
Von Constantin Bergander und Heiko Dilk Berlin – Banzai, Audi! Heutzutage will jeder Blechkloß ein Coupé sein. Eine geneigte Heckscheibe reicht den meisten dafür schon. Diese beiden Flitzer sind noch richtige Coupés. Der S5 der deutschen VW-Edeltochter Audi und der Q60 der japanischen Nissan-Edeltochter Infiniti haben je zwei große Türen, rahmenlose Fenster und elegante Dachlinien. Hübsch statt praktisch, Fahrerauto statt Familienkutsche. Bei einem Coupé folgt traditionell die Funktion der (Karosserie-)Form, nicht andersherum. SOnst könnte man ja auch Kombi fahren. Unsere Testwagen entschädigen mit aufgeladenen V6-Benzinern und Allradantrieb. Nach zwei Wochen mit den Beiden stellen wir fest: So richtig ähneln sich nur die technischen Daten. Kann der edle Japaner dem schnellen Ingolstädter den Reiswein reichen? Einigkeit darüber herrschte am Ende nicht. Aber lest selbst. Abmessungen | Platzangebot | KarosserieQuelle: mobile.de Äußerlich trennen Infiniti und Audi nur je ein bis zwei Zentimeter. Sie messen knapp 4,70 Meter in der Länge, rund 1,85 Meter in der Breite und weniger als 1,40 Meter in der Höhe. Trotzdem bietet der Q60 innen mehr Platz. Das liegt vor allem an seinem längeren Radstand: Er übertrifft den Audi um etwa neun Zentimeter. Die Überhänge sind deutlich kürzer. Wenn die Passagiere vorn sich nicht zu sehr ins Leder lümmeln, bleibt daher überraschend viel Platz auf der Rückbank. Im Audi geriet die zweite Reihe deutlich knapper, auch für die Köpfe. Der S5 bietet dafür den größeren Kofferraum. Er packt gut 100 Liter mehr ein. Die größere Luke bietet mehr Komfort. Interessiert eigentlich nicht: Beide Coupés konzentrieren sich auf Fahrer und Beifahrer. Man sitzt tief, durch die hohe Mittelkonsole fühlt man sich im Infiniti der Straße näher. Der Audi wirkt auch vorne flach, große Menschen müssen die Lehne weit nach hinten neigen. Der Q60 bietet vorne nicht gefühlt mehr Platz, aber weniger Enge. Wer von Audi einen geräumigen S5 will, bekommt ihn übrigens in der Karosserievariante Sportback. Mit vier Türen ist sie acht Zentimeter länger. Aber hier geht es ums Coupé - und da bietet der Infiniti den größeren Innenraum. Innenraum | Verarbeitung | MaterialienQuelle: mobile.de Klarheit oder Schwung? Der Audi wirkt innen kühl und organisiert, der Infiniti verspielt und schnörkelig. Das Q60-Cockpit neigt sich etwas etwas mehr zum Fahrer als das Cockpit im S5. Bei der Verarbeitung herrscht Gleichstand zwischen Bayern und Japan: Alle Bauteile sitzen fest, nichts klappert oder scheppert. Infiniti bespannt das Armaturenbrett mit Leder, das wirkt wertiger als die Kunststoffoberfläche im Audi. Doch darunter wird es unruhig. Die Knöpfe und Kunststoffe scheinen aus zu unterschiedlichen Teileregalen zu stammen. Viele Oberflächen und viele Fugen irritieren das Auge. Audi gestaltet konsequenter und gefälliger. Zudem klicken im S5 die Tasten schöner. Nicht alles ist bei diesen Coupés "Premium": Beim Infiniti wirkt das Leder an einigen Stellen günstig, etwa am Lenkrad. Im Audi schlug der Bezug der Fahrersitzwange bei einer Laufleistung von rund 14.000 Kilometern bereits Falten. Kurios: Der Funkschlüssel des S5 meldete eine leere Batterie. Auch das sollte bei diesem Kilometerstand nicht passieren. Infotainment | Radio | KonnektivitätQuelle: mobile.de Infiniti setzt beim Infotainment interessanterweise auf zwei Bildschirme in der Mittelkonsole. Der obere zeigt Navi-Route oder Audio an (Navi: 2.450 Euro, serie bei „Tech“). Toucheingaben nimmt, im Prinzip, gern der zweite Monitor entgegen. Der Unterarm ruht dabei auf dem Schalthebel. Leider sehen die Grafiken zumindest oben grob und altbacken aus. Der untere Bildschirm wirkt optisch moderner. Die Menüführung wirkt an mancher Stelle nicht logisch. Wann man oben und wann unten touchen soll, wird nicht immer klar. Gut: Es gibt richtige Tasten für Radio, Klima und das Hauptmenü. Audis System wirkt durchdachter. Im S5 bedient man es über einen Dreh-Drück-Steller in der Mittelkonsole, optional mit Touchfläche für handschriftliche Eingaben oder über Bedientasten am Lenkrad. Die Menüführung kann Audi-Neulinge zunächst verwirren, ist aber logisch und schnell gelernt.. Der Monitor (mit guter Auflösung und ohne Touch) steht frei auf dem Armaturenbrett. Gegen Aufpreis baut Audi digitale Instrumente in den S5. Ein großer Bildschirm kann zum Beispiel die Navigationskarte einblenden oder im Sportmodus einen großen Drehzahlmesser. Insgesamt lässt sich Audi die Digitalisierung teuer bezahlen: Das Paket mit großem Navi, Virtual Cockpit und Smartphone-Vernetzung kostet 3.400 Euro. Assistenzsysteme | SicherheitQuelle: mobile.de Audi und Infiniti packen ihre Wagen mit Assistenztechnik voll. Beim Q60 S bekommt man fast alles serienmäßig. Das adaptive Kurvenlicht lässt Infiniti sich in der Sport-Ausstattung zwar extra bezahlen, unser Testwagen kam als „SportTech“ mit allem inklusive aktivem Spurhalter. Audi verlangt 1.640 Euro für das Assistenzpaket Tour. Beide Systeme gehören nicht zum Besten am Markt. Die Spurhalter pendeln stark zwischen Markierungen, allein lassen will man sie nicht. Im Infiniti könnte man das immerhin, das System lässt einen theoretisch dauerhaft die Hände vom Lenkrad nehmen. Der Audi fordert nach kurzer Zeit Berührung ein. Beide Assistenten halten zuverlässig den Abstand zum Vordermann, der Infiniti bremst eine Spur sanfter. Allerdings beschleunigt er zu spät. Wer auf der Autobahn zum Überholen ansetzt, macht das lieber unassistiert, sonst wird man auf der linken Spur zum Hindernis. Im Infiniti nervte der übernervöse Auffahrwarner. Nach einer Vollbremsung hält einen zudem der Gurt zu lange und so stark fest, dass einem fast die Luft wegbleibt und man sich am liebsten abschnallen möchte - in diesem Falle auf der Autobahn. Antrieb | Motor | GetriebeQuelle: mobile.de Unter beiden Coupé-Karossen arbeiten V6-Turbomotoren, Wandlerautomaten und Allradantrieb. Das Aggregat im Infiniti (405 PS) ist stärker als Audis Sechszylinder (354 PS). Der S5 wiegt allerdings rund 170 Kilogramm weniger, außerdem bietet die Automatik einen zusätzlichen Gang. Das macht ihn schneller als den Japaner. Der 3,0-Liter-V6 des Infiniti (Kennung: VR30DDTT) ist eng verwandt mit dem Antrieb des Nissan GT-R. Zwei Turbos sorgen für reichlich Kraft in allen Drehzahlbereichen. Der Japaner hängt toll am Gas und liefert sein Drehmoment früh ab. Aber er bietet nicht so viel Drama wie sein Verwandter im Nissan GT-R. Wirkt weniger spektakulär und linear, vor allem beim Kick-down. Und klingt eher zurückhaltend. Das setzt sich beim Fahrverhalten fort: Infiniti legt den Q60 S komfortabel aus. Er ist schnell, aber nicht allzu spontan. Es dauert, bis die Siebengang-Wandlerautomatik Gangwechsel umsetzt. Das kostet mitunter Spaß. Im direkten Vergleich fährt der Audi S5 wie ein Rabauke an. Sein V6 hat nur einen Turbo, gefühlt aber nicht weniger Dampf. Der kommt früher und vehementer als im Q60. Im Leerlauf bewegt sich der Verbrenner spürbar im Chassis, die Abgasanlage wummert selbstbewusst. Im Sport-Modus frotzelt er frech aus den Endrohren, der Turbo zischt deutlich hörbar. Audis Achtgang-Automatik stammt vom Zulieferer ZF, schaltet schnell und zum richtigen Zeitpunkt. Manchmal wählt sie etwas voreilig einen niedrigen Gang. Beim Bremsen schaltet das Getriebe automatisch runter und unterstützt die Verzögerung mit der Motorbremse. Beim Sport mag der Audi also überzeugender rüpeln, dafür fährt der Infiniti sparsamer. Auf längeren Touren in der Stadt verbrauchte er etwa zehn Liter pro 100 Kilometer, der Audi nahm etwa einen Liter mehr. Die Pendelstrecke ins Umland fuhr der Q60 mit 9,2 Litern, der S5 mit 9,9 Litern. Eine zahmere Gaspedalkennlinie könnte dem Audi hier helfen. Fahrverhalten | Fahrwerk | LenkungQuelle: mobile.de Eigentlich hat der Infiniti das sportlichere Layout. Sein Motor sitzt weiter hinten im Auto, das Chassis ist auf Hinterradantrieb ausgelegt. Dennoch fühlt er sich auf der Vorderachse schwerer an. Der S5 flitzt agiler ums Eck und wirkt handlicher. Die Fahrwerke federn in beiden Coupés straff mit ausreichend Restkomfort. Der Q60 schluckt schlechten Asphalt besser, tendiert zum Gleiten und fühlt sich nach einem reisetauglichen Gran Turismo an. Audi konzentriert sich auf Sport. Bei niedrigem Tempo kommen kurze Stöße recht deutlich im Innenraum an. Ein technisches Highlight im Infiniti ist die elektrische Lenkung. Im Fahrbetrieb gibt es keine mechanische Verbindung zwischen Lenkrad und Lenkgetriebe. Das Fahrgefühl wurde häufig kritisiert, im Q60 stimmt das Gefühl im Volant. Im normalen Modus wirkt die Lenkung entkoppelt und leichtgängig, im Sport-Modus direkt und gut gewichtet. Der S5 lenkt in allen Modi präzise. Mit der optionalen „Dynamiklenkung“ ändert sich mit zunehmendem Lenkwinkel die Übersetzung. Empfehlenswert: Das optionale Sportdifferenzial steuert die Kraftverteilung an der Hinterachse und macht das Heck lebendiger. Hier kann der Q60 nicht mithalten, er fährt neutral bis untersteuernd. Ausstattung | Preis | FazitQuelle: mobile.de Der Infiniti Q60 S 3.0 T mit 405 PS startet bei 56.990 Euro. Die getestete Topversion „Sport Tech“ ist fast voll ausgestattet. Es fehlen nur Metallic-Lack, Alarmanlage, Schiebedach und farbiges Leder. Alle großen Extrapakete sind serienmäßig, inklusive Navi, Bose-Sound, Umgebungskamera, 19-Zöllern und Spurassistent. In dieser Konfiguration kostet das Coupé 63.490 Euro. In diesem Bereich legt der Audi S5 erst los. Er steht mit mindestens 63.300 Euro in der Preisliste. Serienmäßig gibt es 18-Zoll-Räder, Alcantara-Leder-Sitze, elektrische Spiegel, Klimaautomatik, ein CD-Radio mit Bluetooth-Schnittstelle und eine Notbremsfunktion. Unser Testwagen mit umfangreicher Ausstattung kostet laut Preisliste 85.265 Euro. An Bord waren einige Extras, die es bei Infiniti nicht gibt. Mit ungefähr vergleichbarer Ausstattung kostet der S5 noch etwa 10.000 Euro mehr als ein Q60 S. Unterm Strich bekommt man beim Exoten also das komfortablere und günstigere Coupé. Der Infiniti Q60 S bietet mehr Leistung, weniger, Verbrauch, mehr Platz und das Gefühl: den hat nicht jeder. Der S5 ist schneller, leichter und handlicher. Materialien und Bedienung gefallen bei Audi besser, außerdem ist er der sportlichere Charakter. Wer kann es nun besser, das Thema V6-Gran-Turismo? Es herrscht in der Redaktion Uneinigkeit. Denn beide Konzepte sind stimmig. Constantin sagt: Der Infiniti ist mein Favorit. Er fährt sich herrlich unaufgeregt und sparsam – bis man ihn fordert. Sein Motor ist eine Wucht. Der große Sprung in der Lenkübersetzung beim Wechsel auf den Sport-Modus verändert den Charakter des Q60 deutlich. Preis und Exotenstatus geben zusätzliche Punkte. Nur schade, dass der Innenraum nicht besonders gut durchdacht ist. Heiko sagt: Der Audi ist mein Favorit. Wenn schon Coupé, dann bitte mit Drama. Das gibt es beim Q60 nur innen. Und nicht im positiven Sinn. Sonst ist er mir zu zahm. In der Mittelklasse dürfen Coupés noch halbstark sein, ein bisschen Lärmen und zum Spielen auffordern. Der Audi S5 macht mehr aus seinem Motor und holt viel Spaß aus dem Fahrwerk. Technische Daten Infiniti Q60s und Audi S5
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