Aufstieg und Fall bezahlbarer Sportcoupés: In den 1960ern startete ihre Ära, in den 1990ern starben sie langsam wieder aus. Wir blicken auf die Coupés für jedermann.
Von Arild Eichbaum Die wilden 60er: Vorbei der Muff der Nachkriegsjahre, es herrschte Aufbruchstimmung. In Europa waren nun größere Fahrzeuge als die Wirtschaftswunderautos Goggomobil oder BMW Isetta gefragt. Während die Elterngeneration mit VW Käfer, Opel Rekord oder Ford 20M traditionell, behäbig und konservativ von A nach B reiste, gelüstete es die nach 1945 geborenen Babyboomer nach flotterer, modernerer Fortbewegung. Das galt für die gesamte westliche Seite des Eisernen Vorhangs, auf beiden Seiten des Atlantik. In den USA bescherten Ford Mustang und Chevrolet Camaro den Händlern volle Kassen. Und auch die deutschen Töchter von Ford und General Motors versuchten sich an europäischen Versionen der Pony Cars. So gelangen dem 1968 lancierten Ford Capri und dem 1970 als Antwort darauf eingeführten Opel Manta als vergleichsweise preiswerte Massenware enorme Erfolge. Quelle: Arild Eichbaum Beide waren sportlich anmutende Wagen mit vier Plätzen für alle, die sich keinen Sportwagen als Zweitfahrzeug leisten konnten und wenigstens einen 2+2-Sitzer benötigten. Beide Fließheck-Karossen boten unkomplizierte Großserientechnik mit Starrachs-Fahrwerken und OHV-V6-Motoren in sportiver Verpackung. Und sie erlaubten mit einer beachtlichen Auswahl an Optionen ein hohes Maß an Individualisierung. Sportliche Erfolge konnten den Absatz stützen, in der DRM oder auf dem Rallye-Parkett verbuchten beide Modelle etliche Erfolge. Ford hielt auf der Piste Nobelhersteller wie BMW und Porsche auf Distanz, während Opel mit Ascona und Manta B im Rallye-Geschäft auftrumpfte. Auch bei Volkswagen am Mittellandkanal wurde die neue Nachfrage bemerkt. Da das Käfer-Derivat Karmann-Ghia wie auch seine Basis hoffnungslos veraltet waren, entwickelte VW den Scirocco auf Basis des 1974 lancierten, ersten Golf. Das neue Sportcoupé sah zumindest dynamisch aus, aber die rund 50 PS aus den 1,2 bis 1,3 Liter großen Basistriebwerken sorgten damals nicht für Furore. Coupés: Keine rein deutsche SpezialitätAuch außerhalb Deutschlands stiegen Angebot und Nachfrage bezahlbarer Coupés. Fiat hatte mit 124 Coupé, 128 Berlinetta sowie 128 Sport vergleichbare Modelle im Programm. Seat mit dem 124 Sport, Alfa Romeo mit dem Alfasud Sprint und Lancia mit dem Beta Coupé. Daneben wollte Vauxhall mit dem Firenza und Renault mit 15 und 17 Schritt halten. Entsprechende Cabrios konnten die Hersteller vernachlässigen. Wer sich einen solchen Volkssportwagen anschaffte, verlangte ein uneingeschränkt und ganzjährig alltagstaugliches Fahrzeug. Mit Stoffdach war das damals kaum zu realisieren. Zudem hätte ein Stoffdach die Modelle für ihre Zielgruppe zu teuer gemacht. In den 70ern geriet das Auto als liebstes Kind zunehmend in Misskredit. 1973/1974 führte die Ölkrise zu einigen autofreien Sonntagen, erste Stimmen kritisierten die Umweltlasten aus dem Autoverkehr. 1979 folgte eine zweite Energiekrise – und damit ging der Wandel von der automobilen Spaß- zur Vernunftgesellschaft einher. Für die Volkssportler wurde es enger. Von heute auf morgen brachen die Verkäufe zwar nicht ein. Ein Abschwung war bei Opel und Ford jedoch feststellbar, sodass der Capri 1986 nach 1.886.647 Einheiten in drei Generationen und der Manta 1988 nach 1.056.436 Exemplaren in zwei Baureihen eingestellt wurden. Quelle: Arild Eichbaum Auch der zweite Scirocco blieb hinter dem Erfolg des ersten zurück, nach insgesamt 795.650 Stück kam 1992 das Aus für den VW. Verschärfend kam hinzu, dass Premium und Dynamik sich in den statusbewussten 80ern nicht mehr ausschlossen. BMW 3er, Mercedes 190 und zunehmend Audi drängten mit Sportversionen auf die Rennstrecke und die Straße. Konkurrenz aus Asien und WitzbücherAus Fernost kam neue Konkurrenz. Honda CRX, Toyota Celica und Paseo, Mazda MX-3 und MX-6 sowie Nissan Sunny und SX nahmen den Kampf um die Kundengunst mit Erfolg auf. Die deutschen Volkssportler dagegen waren am Gebrauchtwagenmarkt zahlreich zu finden und sprachen nun ein bisweilen schwieriges Publikum an. Das füllte zwar Witzebücher und mit den beiden „Manta“-Filmen 1991 sogar Kinosäle, tat ihrem Image aber nicht gut. Wer es sportlich ohne Halbstarken-Faktor wünschte, griff in den 1980ern lieber zu Mazda MX-5 oder RX-7, zu Porsche 944, zu Toyota Supra oder Mitsubishi Starion. Aufgeben wollten Ford, Opel, VW oder Fiat den bis dahin so ergiebigen Coupé-Markt trotz der weniger rosigen Umstände noch nicht. Sie modernisierten ihre Konzepte Ende der 80er noch einmal kräftig. Statt der Starrachs-Modelle Capri und Manta rollten die frontgetrieben Ford Probe und Cougar sowie Opel Calibra in die Showrooms. VW freute sich 1988 über den schnörkellosen Corrado, Fiat reichte 1994 das bis zu 220 PS starke Coupé auf Tipo-Basis nach. Dem Turbohype folgten neben den Italienern auch Opel und Ford, während Wolfsburg dem komplexen G-Lader den Vorzug gab. Doch auch der zusätzliche Ladedruck und neue Allradsysteme konnten die rapide sinkenden Verkäufe nicht stoppen. Zudem herrschte nach Wiedervereinigung und Aufbau Ost eher widriges Klima für als protzig angesehene Sportwagen. Kleinwagen als neue BasisUnderstatement war nun mehr und mehr gefragt. In praktischen Minivans bestand keine Gefahr, für einen Yuppie, Schnösel oder Nackenspoiler mit tiefergelegtem Intellekt gehalten zu werden. So scheiterte der preislich wenig volksnahe Corrado schließlich 1995 nach sieben Jahrgängen mit insgesamt 97.521 Einheiten. Danach mied VW das Feld der flotten Zweitürer erst einmal. Quelle: Wikimedia Commons Die japanischen Hersteller zogen ihre Coupés in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre ebenfalls aus Europa zurück, boten sie auf dem US-Markt aber weiterhin an. Ford und Opel beschritten in der Endphase der Sportcoupé-Mode ähnliche Wege: Warum zwecks Understatement nicht auf kleinere Coupés setzen? Wer sich Fords 2,5-Liter-Probe II, den Cougar oder den vom Opel Vectra abgeleiteten Calibra mit mindestens 2,0-Liter-Hubraum nicht leisten konnte, ging nicht leer aus. 1994 lancierte Opel den Tigra und 1997 Ford den Puma auf Corsa- respektive Fiesta-Basis. Die Kleinwagen hielten beide bis 2001 durch. Der Tigra ging als TwinTop Cabrio-Coupé in eine glücklose zweite Runde. Spätere Versuche wie der 2008 eingeführte VW Scirocco III, der 2010 vorgestellte Renault Wind oder der ebenfalls 2010 gestartete Peugeot RCZ wurden allesamt ohne Fortsetzung 2017, 2013 bzw. 2015 eingestellt. Aktuelle Volkssportler mit überschaubarer NachfrageWas ist geblieben vom Volkssport-Boom? Da sind einerseits potente, aber relativ dezente Limousinen wie BMW M3 und M5, die S- und RS-Versionen von Audi A4 und A6 oder die AMG-Pendants zu Mercedes C- und E-Klasse. Andererseits „echte“ Sportwagen wie Porsche 911 und Boxster, Mercedes SLK, BMW Z3 und Audi TT. Dass letztere Drei wie die vorigen, erschwinglicheren Sportcoupés von Großserienfahrzeugen abstammten, störte die Kundschaft nicht. Die Premium-Anbieter brachten ihr Markenimage als Verkaufsargument mit. Ein wichtiger Punkt in der Abgrenzung von Manta und Co. Deren Nachfolger hätten es heute nicht leicht, trotz aller Nostalgie. Das zeigt die äußerst überschaubare Nachfrage etwa nach dem Toyota GT86. Der eigentlich alles hat, was ein Volkssportler braucht. |