Der BMW E36 fuhr lange im Schatten seines Vorgängers E30. Langsam aber reift der 90er-Jahre-Dreier zum angesehenen Youngtimer. Wir trafen zwei eingefleischte Liebhaber.
Quelle: Haiko Prengel für mobile.de Von Haiko Prengel
Würzburg/Berlin – Auch ein Gottesdiener lebt nicht von Brot und Beten allein. Im Oktober 1991 bekam Pater Petrus aus dem Würzburger Augustinerkloster einen Neuwagen zum Spaßhaben. Es war ein alpinweißer BMW 325i. Unter der Haube: ein seidenweicher Reichensechszylinder mit 2,5 Litern Hubraum und strammen 192 PS. Fortan war der Pater mit viel Power unterwegs. Das ist inzwischen fast 30 Jahre her. Pater Petrus ist heute 90 Jahre alt und hat das Autofahren aus Altersgründen aufgegeben. Doch sein BMW 3er E36 existiert noch. Zweitbesitzer ist Marcel Ott. Vor zwei Monaten kaufte der Kfz-Mechaniker den 325i dem Kloster aus erster Hand ab. Nur 1.000 Euro sollte der alte BMW kosten. Der Kauf erwies sich als Glücksgriff, denn das Kloster hat gut für das Auto gesorgt. „Der Wagen war immer bei BMW in Pflege, das Scheckheft ist komplett durchgestempelt“, sagt der 27-Jährige. Und der Motor war damals der größte Sechszylinder, den man im 3er bekommen konnte. Nur das Sportmodell M3 war mit seinem Dreiliter-Aggregat noch potenter. BMW 3er E36: kurz vor dem H-KennzeichenQuelle: Marcel Ott 1990 kam der BMW 3er E36 auf den Markt. Er wurde damals vor allem wegen seiner Agilität gerühmt. Trotz seiner dynamischen Qualitäten hatte es der Dreier der 1990er lange schwer. Auf dem Weg zum Klassiker fuhr er stets im Schatten seines populären Vorgängers E30. Doch das ändert sich langsam. Der E30 ist inzwischen teuer, gute Exemplare sind auf dem Klassiker-Markt rar geworden. So kommt es, dass der E36, lange nur ein Gebrauchtwagen, inzwischen zum begehrenswerten Youngtimer reift. Kaum zu glauben: 2020 werden die ersten Exemplare sogar offiziell Oldtimer und dürfen sich mit einem H-Kennzeichen schmücken. Marcel Otts 325i hat 160.000 Kilometer gelaufen. Für ein 27 Jahre altes Auto ist das nicht viel. Und für den Motor M50-B25 schon gar nicht. Die alten Reihensechszylinder aus München sind nicht nur laufruhig, sondern auch langlebig und kraftvoll. Von dem Nimbus dieser Triebwerke zehrt BMW bis heute. Und: Das Aggregat in der alpinweißen Limousine hat noch keine Vanos, also keine Nockenwellenverstellung. Die kam erst in den späteren Baujahren und geht im Alter gerne mal kaputt. „Dann wird es teuer“, weiß 3er-Fahrer Ott. Der Familienvater kam durch gute Kontakte an seinen Ersthand-BMW. Der Hausmeister des Würzburger Klosters bringt die Fahrzeuge der Geistlichen regelmäßig in genau die Werkstatt, in der Ott arbeitet. Bei einem Besuch berichtete der Hausmeister von dem 325i eines Paters, der zum Verkauf stehe. Marcel Ott wurde hellhörig, da er einen Youngtimer aus den 1990er Jahren suchte. Wegen des günstigen Preises und des guten Zustands schlug er sofort zu. Rost gibt es am Auto kaum, und die Historie ist lückenlos nachvollziehbar. Quelle: Haiko Prengel für mobile.de Marcel Ott schätzt den E36 vor allem wegen seines zeitlosen Designs. Dazu kommen die gute Ersatzteillage und die Reparaturfreundlichkeit – komplizierte Elektronik hat der Dreier der Neunziger nicht viel an Bord. Herausragend ist auch die Verfügbarkeit an Fahrzeugen, von dem einstigen Bestseller gibt noch tausende Exemplare auf dem Markt. Auch die Modellvielfalt ist mit Limousine, Coupé, Compact, Touring und 3er Cabrio groß. Originale E36 werden seltenAllerdings trennt sich bei genauem Hinsehen schnell die Spreu vom Weizen. Viele E36 wurden getunt, verbastelt und als erschwingliche Massenware durch viele Hände gereicht. Ein gutes, original gebliebenes Fahrzeug zu finden, wird zunehmend schwerer. Über die Originalität hat sich in den letzten drei Jahrzehnten eben niemand Gedanken gemacht. Marcel Ott hatte also Glück. Bei seinem alpinweißen 325i freut er sich besonders über das knackige Schaltgetriebe. „Das ist ein sportliches Auto, das muss handgeschaltet werden“, findet er. Als Sonderausstattung bestellte das Kloster 1991 ein 25-prozentiges Sperrdifferenzial. Das bot sich bei großen Motoren damals an, weil es noch kein ASC gab. Zu den Extras gehören ferner ein Stahlschiebedach, Heckrollo, Scheinwerferreinigungsanlage und ein Business-C-Radio mit CD-Wechsler. Marcel Ott will seinen 325i aus Seniorenhand im Originalzustand belassen. Allenfalls über ein Sportfahrwerk und andere Felgen denkt der Kfz-Mechaniker nach. Berliner 3er mit M-PaketUm solche Nachbesserungen muss sich Danielle Graß nicht kümmern. Die Berlinerin fährt ein cosmosschwarzes E36 Coupé von 1997 mit M-Paket, also einem feinen Tuning-Kit ab Werk. Dazu gehören neben dem Sportfahrwerk auch 16-Zoll-Doppelspeichenräder, Sportsitze mit Lederbezug und das Aerodynamik-Paket in Wagenfarbe. Statt per manuellem Getriebe schaltet dieser Dreier automatisch, was der Sportlichkeit aber keinen großen Abbruch tut: „Der zieht richtig gut“, sagt die Grafikdesignerin über ihren 318is. Dabei sorgt für den Antrieb „nur“ ein Vierzylinder, der allerdings recht zornig werden kann. Der 1,9 Liter große Vierventiler leistet 140 PS. Das sind zehn Pferdestärken weniger als beim kleinsten Sechszylinder, dem 320i. „Aber wegen des hohen Gewichts des Reihensechszylinders lässt der 318is den 320i beim Ampelrennen stehen“, erklärt Sechszylinder-Fahrer Marcel Ott. Quelle: Haiko Prengel für mobile.de Den 318is fand Danielle Graß vor vier Jahren in Berlin bei einem Fähnchen-Händler. Im Fahrzeugbrief standen mehrere Vorbesitzer. Keine Idealdaten für einen Gebrauchtwagen. Doch Graß nahm einen befreundeten Kfz-Mechaniker zur Fahrzeugbesichtigung mit. Der zeigte sich recht angetan vom guten Zustand des cosmosschwarzen Coupés. Der 318is wies kaum Rost auf, die Laufleistung war mit 142.000 Kilometern für das Alter moderat. Das HU-Siegel war auch frisch, also kaufte Graß den Wagen. „Ich habe mich gleich in das Auto verliebt“, sagt die Berlinerin. Sie mag die Optik des E36, seine Ecken und Kanten. „Der sieht schnittig aus und nicht so glattgebügelt wie neue Autos.“ In der Zwischenzeit musste sie dann doch einiges investieren, um den BMW fit zu halten. Der Motor fing an, Öl zu verlieren und der elektrische Fensterheber der Beifahrertür funktionierte plötzlich nicht mehr. Legendäre Motoren, günstige PreiseAuch der Unterboden bekam eine Sanierung spendiert: Auspuff und Hardyscheibe wurden ausgetauscht, auch die Bremsleitungen kamen neu. „Die Kosten haben mich aber nicht davor abgeschreckt, das Auto zu behalten“, sagt Graß. Marcel Ott aus Dettelbach bei Würzburg muss seinen alpinweißen 325i erst noch richtig einfahren. Der betagte Pater Petrus hatte die schnelle Limousine in den vergangenen Jahren nur noch für kurze Fahrten zum Einkaufen oder ins Schwimmbad genutzt. Das Einfahren des Youngimers von 1991 wird Neubesitzer Ott eine Freude sein. BMWs Saug-Reihensechszylinder von damals sind eine Legende. Solche ehrlichen Aggregate ohne Turbo, Kompression oder sonstige Hilfsmittel zur Leistungssteigerung werden heute nicht mehr gebaut. Und der BMW E36 ist wohl die günstigste Möglichkeit, heute Autos mit diesen Motoren zu fahren. Noch, muss man hinzufügen. Denn allmählich ziehen die Preise für den E36 an. Zurecht, werden viele Fans des Neunziger-Jahre-Dreiers wohl sagen. BMW 3er E36 bei mobile.de finden |