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Mercedes E-Klasse 4x4² (S213) im Test: Technische Daten, Fahrbericht - Ein T-Modell auf Steroiden

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Oben E-Klasse, unten G-Klasse 4x4²: Bei Mercedes arbeiten echte Autonerds. Und durften eine E-Klasse mit Portalachsen ausrüsten und so zum Hardcore-Offroader machen.

Immendingen – Jürgen Eberle sieht nicht aus wie Dr. Frankenstein. Auch nicht wie ein Spinner. Eberle sieht eigentlich sehr vernünftig aus mit seiner randlosen Brille und dem kurz geschnittenen, dunkelblonden Haar. Über seine Schöpfung kann man das nicht sagen.

Eberle hat ein Monster geschaffen. Oben nix Besonderes, unten ein Hardcore-Geländewagen. Die obere Hälfte ist eine ganz normale E-Klasse. Ein T-Modell. Die matt-silberne Folierung fällt auf, die gibt es serienmäßig nicht. Bei den Radausschnitten fängt es an: Dem Kombi wachsen Kotflügelverbreiterungen aus der Seite, die an einem DTM-Rennwagen seltsam breit aussähen. Darunter kommt lange nichts und dann: Reifen in der Dimension 285/50 R20.

Er sieht brachial aus, dieser Daimler. Eine Spinnerei von Autonerds für Autonerds. Eberle lacht, wenn man sein Auto so nennt. Ein bisschen verlegen, aber auch stolz. Es war seine Idee, aus einem weichgespülten Pseudo-Offroader einen echten Geländewagen zu machen.

E-Klasse All-Terrain 4x4²: Nach dem Vorbild der G-Klasse

Klingt gemein, die E-Klasse All-Terrain so zu nennen. Aber neben einer Mercedes G-Klasse oder einem Land Rover Defender ist der höher gelegte E-Klasse-Kombi mit den Plaste-Radläufen genau das: ein höher gelegter Kombi mit Plaste-Radläufen. Allradantrieb, 160 Millimeter Bodenfreiheit, etwas größere Räder als am Standard-T-Modell und ein All-Terrain-Fahrprogramm – das muss reichen. Tut es auch: für den Weg zum Berghotel oder für den Besuch auf dem Öko-Bauernhof. Aber nicht für echte Offroad-Verrückte wie Eberle.

Wir rollen in der E-Klasse AT 4x4² ein Geröllfeld hinunter. Mercedes-Versuchsfahrer Hendrik Loos sitzt am Steuer. Daimler baut in Immendingen gerade ein 520 Hektar großes Testgelände. Die gigantische Baustelle wird mal ein Hochgeschwindigkeitsoval beherbergen, plus allerlei Teststrecken, einen Bereich für autonomes Fahren und diverse Offroad-Sektionen. Dies hier ist keine davon, sondern Schutt. Die Steine sind zum Teil kinderkopfgroß. Der GLE, der uns vorausfährt, schaukelt vorsichtig den Abhang herunter. Wir hinterher. Vom Beifahrersitz aus fühlt sich das unspektakulär an.

Eberle reichte der Feldweg nicht. Er wollte mehr und bekam mehr. Er arbeitet als Konstrukteur beim Daimler, in der Gesamtfahrzeugentwicklung für die E-Klasse. Er kennt das Auto. Sein Vorschlag, einen All-Terrain zu bauen, der diesem Namen gerecht wird, kam an. Die Idee ist nicht ohne Vorbild. Die G-Klasse 4x4² gibt es schon. Das Offroad-Urgestein noch ein bisschen höher zu legen, war naheliegend. Dasselbe bei einer E-Klasse zu tun, ist ein bisschen durchgedreht.

E-Klasse 4x4 hoch zwei: Portalachsen und 420 mm Bodenfreiheit

Und es ist technisch viel komplizierter. Die E-Klasse ist ein modernes Auto mit Mehrlenkerachsen, die G-Klasse nicht. Trotzdem sollte der AT 4x4² Portalachsen bekommen. Dabei liegt die Achse ein gutes Stück über der Radmitte. Sie endet jeweils in einem Getriebe, über das das Rad angetrieben wird. So schafft man reichlich Bodenfreiheit. Bis zu 420 Millimeter sind es bei der E-Klasse – die G-Klasse hat in der Standardausführung nur halb so viel.

„Sowas gibt es sonst nirgendwo“, sagt Eberle. Portalachsen sind im harten Offroad-Bereich ungewöhnlich, aber nicht unerhört. Der Unimog hat sie serienmäßig, die G-Klasse 4x4² hat sie auch. Doch die rollen auf Starrachsen. Die hier vorliegende Kombination mit modernen Mehrlenkerachsen ist einzigartig.

Auf dem Waldweg haben die Daimler-Mitarbeiter einige große Findlinge platziert. Einen in der Mitte, einen weiteren rechts davor, einen links daneben. Loos steuert direkt darauf zu. Das wirkt ein bisschen beängstigend, weil der 4x4² von innen so definitiv E-Klasse ist. Der traut man sowas nicht zu. Langsam rollen wir über den ersten Stein, der in der Mitte streift nicht mal den Unterfahrschutz aus Edelstahl. Lächerlich einfach geht das. Obwohl es mit der Verschränkung der E-Klasse nicht sehr weit her ist. Die Achskinematik lässt nicht viel mehr zu als am Serienmodell.

Teile aus dem MRA-Baukasten in der Hardcore-E-Klasse

Um das möglich zu machen, musste ein komplett neues Portal entwickelt werden. Wo gewöhnlich zwei Getriebe werkeln, um die Kraft an die Räder zu bekommen, hat Eberle mit seinen Kollegen ein Portal mit dreien entwickelt. Ohnehin ist nicht mehr viel original an den Achsen der E-Klasse – trotzdem diverser Serienteile wie den Rädern, die von der R-Klasse stammen.

Die Achsschenkel mussten neu entwickelt und gefertigt werden. Eberle bekam Hilfe von Uwe Kugel, einem ausgewiesenen Experten für Fahrwerkskinematik. Für vorne konstruierten sie einen Hilfsrahmen. Hinten änderten sie die Achsträger, um neue Aufnahmepunkte zu schaffen, an die die Portalgetriebe angebunden wurden. Die Radträger sind aus dem Vollen gefräst. Die Fahrwerksbuchsen wurden rundum durch Unibal-Lager aus dem Motorsport ersetzt.

An der Struktur des Basis-Autos wurde nichts geändert. Das war Teil der Aufgabe: Was auch immer die Tüftler bauten, sollte an die originale E-Klasse passen. Oder besser: An Daimlers Hinterradantrieb-Plattform MRA. Auf ihr basiert nicht nur die E-Klasse, die Portalachsen passen also auch an andere Modelle. Ein GLC 4x4² wäre möglich, sogar mit weniger Änderungen. „Das passende Federbein für den Umbau haben wir beim GLC gefunden“, erzählt Eberle.

E-Klasse AT 4x4² mit Offroad-Werten wie die G-Klasse

Die Idee mag spinnert sein, die Ausführung ist es nicht. Der AT 4x4² rollt mit aufreizender Leichtigkeit über Geröllfelder und steile Motocross-Rampen, kann durch 50 Zentimeter tiefes Wasser fahren. Der vordere Böschungswinkel liegt mit 35,8 Grad auf G-Klasse-Niveau, der hintere mit 35,6 Grad deutlich darüber. Der Rampenwinkel übertrifft mit 31,7 Grad die G-Klasse um fast 10 Grad. Um ein echter Offroader zu werden, bräuchte es dennoch mehr. Ein aktives ESP zum Beispiel.

Bergab muss Loos alles mit dem Fuß erledigen. Ein Kriechprogramm gibt es nicht, dafür müsste das ESP komplett neu abgestimmt werden. Trotzdem: Die grobstolligen, großen Reifen finden reichlich Grip auf dem lockeren Waldboden, der von Steinen durchsetzt ist. Unser Fahrer legt die Bremse an, wir steigen aus für ein paar Fotos. Bergab mag nicht die Stärke des 4x4² sein. Am Hang hängend, sieht er trotzdem zuhause aus.

Bei modernen SUV und Geländewagen läuft viel über die Elektronik, beim All-Terrain alles. Sperrdifferenziale gibt es nicht. Bremseingriffe des ESP steuern, welches Moment auf die Räder wirkt. Nur: Soweit sind Eberle und seine Kollegen noch nicht. Das ESP müsste an die völlig veränderte Fahrwerkskinematik und die großen Räder angepasst werden. Das erfordert viel Testaufwand. Ob der investiert wird, ist noch nicht entschieden.

Eberles Monster-E-Klasse fährt ganz zahm

Der 4x4² ist kein echter All-Terrain, sondern ein gewöhnlicher E 400 4Matic. Eberle fand auf der Suche nach einem geeigneten Spender dieses T-Modell in Kallaitgrün mit hellbeiger Lederausstattung und fest zupackenden Kontursitzen. Den 3,5-Liter-V6-Benziner gibt es im All-Terrain nicht. „Das war ein Bauchgefühl, wir wollten einen kräftigen Benziner“, sagt Eberle. Das Fahrprogramm All-Terrain war leicht ins Steuergerät programmiert. An der festen Momentverteilung von 45 zu 55 lässt sich nichts ändern.

Ich bin am Zug. Auf der Baustelle des Immendinger Testgeländes durfte ich nicht fahren. Versicherungstechnische Gründe. Aber es gibt eine kleine Teststrecke außerhalb mit ein paar kurzen, steilen Hügeln. Keine große Herausforderung. Mit Schwung kämen die meisten Autos den Hügel hoch – und würden oben hängen bleiben. Was man hier braucht, ist Bodenfreiheit.

Ich halte auf dem Gipfel, teste, wie viel Platz bleibt – etwa 15 Zentimeter, vielleicht mehr. Eine Standard-G-Klasse hätte aufgesetzt. Auf dem Schotterweg danach lässt sich das Tempo etwas anziehen. Die E-Klasse fühlt sich auch mit 50 km/h noch immer an wie eine E-Klasse. Das überrascht vielleicht am meisten. Das Luftfahrwerk wirkt nicht unkomfortabler als üblich. Trotz All-Terrain-Modus mit höchstem Niveau. Die Verstellung über die verschiedenen Modi funktioniert noch genau wie beim Standardmodell. Die Lenkkräfte fühlen sich ganz natürlich an, dabei blieb das System unverändert.

Die E-Klasse AT 4x4² ist ein Einzelstück mit Straßenzulassung für Versuchsfahrzeuge. Das wird vorerst so bleiben. Allerdings: Den 4x4² der G-Klasse hat Mercedes auch gebaut. Sogar den 6x6 mit drei Achsen. Und auch, wenn eine E-Klasse nicht der gleiche Mythos umgibt wie die G-Klasse: Dass manche Kunden im Nahen Osten oder in Russland so ein Auto kaufen würden, kann man sich vorstellen. Vielleicht darf Eberle ja weiterarbeiten.

Technische Daten E-Klasse All-Terrain 4x4²

  • Motor: 3,5-l-V6-Turbobenziner
  • Leistung: 333 PS (245 kW)
  • Drehmoment: 480 Nm b. 1.200-4.000 U/min
  • Getriebe: 9-Gang-Automatik, Allradantrieb
  • Länge: 4,93 m
  • Breite: 2,10 m
  • Radstand: 2,94
  • Spurbreite v/h: 1,772/1,722 m
  • Bodenfreiheit: 420 mm
  • Böschungswinkel v/h: 35,8/35,6 Grad
  • Rampenwinkel: 31,7 Grad
  • Wattiefe: 500 mm
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