Audis Rettung kam von Mercedes. Ein Ex-Daimler Mann entwickelte gegen den Willen von VW den ersten Audi 100 - und schützte Ingolstadt vor dem Schicksal als Käfer-Fabrik
Ingolstadt – Diesen Audi wollte VW eigentlich nie bauen. Der erste Audi 100 (C1) brach mit seinem Frontantrieb technische Konventionen auf und setzte sich über Konzernregeln hinweg. Dabei sah er äußerst bürgerlich aus, die Karosserie erinnerte nicht zufällig an einen Mercedes. Ludwig Kraus, ein ehemaliger Mercedes-Mann, hatte das erste echte Audi-Flaggschiff der Nachkriegszeit konzipiert. Zuerst kam der Audi als klassisches zwei- und viertüriges Stufenheck und ab 1969 als extravagantes Fastback-Coupé - so wie es sich Kraus als persönlichen Dienstwagen vorstellte. Im Geheimen, gegen ein Verbot von Volkswagen-Konzernchef Heinrich Nordhoff, entwickelte Audi den 100. Nordhoff wollte aus der 1965 von Mercedes übernommenen Auto Union eine Fabrik für VW-Käfer machen. Dass daraus nichts wurde, verdankt die Marke mit den vier Ringen eben der Audi-100-Familie. Die Medien lobten die dank neuartigen Leichtbaus überraschend schnellen Vierzylinder-Typen, die einige Vergleichstests für sich entschieden. Die Audi galten als smarte Alternative zu Strich-Acht-Mercedes und BMW 2000. Zum Bestseller machten den großen Audi aber ausgerechnet vormalige VW-Fahrer. Hinter dem VorhangQuelle: Audi Die Geschichte begann hinter einem Vorhang. In diesem legendären Versteck, heute vom Audi-Museum in Ingolstadt anschaulich inszeniert, entwickelte Ludwig Kraus, damaliger technischer Direktor der Auto Union, ab 1966 heimlich den Audi 100 als modernes, 4,59 Meter langes Mittelklassemodell. Der Frontantriebstyp sollte die erst im Vorjahr eingeführten Audi-Viertakt-Modelle nach oben ergänzen. Kraus war klar: Nur mit einem neuen, erfolgreichen Flaggschiff konnte sich Audi nach dem Verkauf von Daimler-Benz an Volkswagen eine Überlebenschance bewahren. Damals wurden in Ingolstadt täglich bis zu 300 Volkswagen gebaut, um die Kapazi8täten in Wolfsburg zu ergänzen. Um dies nicht zu gefährden, hatte VW-Chef Nordhoff die Entwicklung neuer Audi strikt untersagt. Nur zufällig entdeckte der von Nordhoff eingesetzte Auto-Union-Chef Rudolf Leiding das getarnte Geheimprojekt. Statt einer Sanktion ermöglichte er jedoch eine Präsentation vor Heinrich Nordhoff. Das wirkte. Der VW-Chef forderte die sofortige Fertigstellung der Entwicklung. In der Hoffnung, mit der Limousine eine vermeintliche Nische zwischen Opel, Ford und Mercedes zu besetzen. Leichtgewicht ohne WankelmotorEs war die richtige Entscheidung, wie sich ab Herbst 1968 zeigte. Die Ingolstädter Limousine gab der Marke nicht nur eine Zukunft, sie verdrängte auch alle Erinnerungen an die bis vor kurzem gebauten, ungeliebten Zweitakttypen. Der neue Vierzylinder-Typ 100 war in drei Leistungsstufen (80 PS, 90 PS und 100 PS) verfügbar. Und verkaufte sich blendend. Quelle: Audi Zuerst in Deutschland und dann in Nordamerika, obwohl Ludwig Kraus wegen der klammen Kassenlage keinen Sechszylinder realisieren konnte. Neben dem Design war auch der sogenannte Mitteldruckmotor ursprünglich für einen Daimler gedacht gewesen. Das sparsame, hochverdichtete Aggregat vermittelte einen Eindruck technischer Avantgarde, ansatzweise vergleichbar dem gleichfalls neuen Wankelmotor im NSU Ro 80. Dass NSU Ro 80 und Audi 100 nach der Audi-NSU-Fusion im Jahr 1969 vom selben Fließband rollen konzerninterne Konkurrenten würden, ahnte noch niemand. Eine später diskutierte Übernahme des Wankelmotors in den Audi 100 soll Ludwig Kraus nicht überzeugt haben. Sein Typ 100 war schließlich ganz auf Effizienz getrimmt, auch mit einem Leergewicht von nur 1.050 Kilogramm. Mit 8,9 Litern auf 100 Kilometer lag der Normverbrauch der 100 PS starken Variante Audi 100 LS um bis zu 25 Prozent unter den Werten von Mercedes 200, Ford 20 M oder Opel Commodore. Die 1971 nachgelegte Topversion Audi 100 GL trieb mit 112 PS und aggressiven Doppelscheinwerfern sogar 3,0-Liter-Granada und Mercedes 250 vor sich her. Alternative zu MercedesDer hohe Ölverbrauch des Mitteldruck-Vierzylinders störte die Audi-Fahrer übrigens nicht, wichtiger war ihnen die Langlebigkeit des Aggregats. Zwei- oder dreihunderttausend Kilometer ohne Motorrevision, das war damals noch sensationell. Zunächst freuten sich 1968 viele Audi-Händler darüber, dass sie neben der Marke mit den Ringen auch Mercedes vertreiben durften. Tatsächlich war der Audi 100 eine verlockende Alternative für Mercedes-Kunden, auch angesichts der jahrelangen Wartezeit für Strich-Acht-Limousinen. Audis interne Analysen zeigten dennoch, dass am Ende vor allem VW-Kunden waren, die zum Audi 100 griffen. Nach einem halben Jahrhundert mit DKW- und Auto-Union-Massenmodellen gab es wieder einen Audi, der als Statussymbol taugte. Während alle Cabriolet-Konzepte nur schöne Studien blieben, ging das auf der Frankfurter IAA 1969 enthüllte Audi 100 Coupé S in Serie. Designer Helmut Warkuß, erst seit einem Jahr bei Audi, zeichnete den Vierzylinder-Fastback, positioniert unterhalb der ebenfalls neuen Sechszylinder Mercedes 250 C/CE und BMW 2800 CS. Bis 1976 konnte der 185 km/h schnelle Audi mehr als 30.000 Käufer gewinnen – trotz hoher Preise, die bis zu 50 Prozent über dem Stufenheck lagen. Wer weniger Geld für sportives Flair zahlen wollte, konnte die zweitürige Limousine ordern. Die bot zumindest einen Hauch Coupé-Look, war aber auch deshalb nicht billiger als der Viertürer. Dass Audi vom ersten Audi 100 in acht Jahren 827.000 Fahrzeuge verkaufen konnte, lag letztlich aber doch mit großem Abstand an der klassischen Limousine. Technische Innovationen gab es in dieser Zeit viele, schließlich hatte Audi das NSU-Credo „Vorsprung durch Technik“ adoptiert. Aber kaum eine fand zügig den Weg in die Serie. So debütierte der schon im Herbst 1975 serienreife neue Zwei-Liter-Motor ebenso wie der Fünfzylinder erst ein Jahr später im nachfolgenden, deutlich stattlicheren Audi 100 der zweiten Generation(C2). Weiterlesen: Audi 100 Typ 43 (ab 1976) https://www.motor-talk.de/.../...n-in-die-businessklasse-t5779735.html Chronik: Audi 100 C1
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Quelle: SP-X (Wolfram Nickel) |