Auf dem 56. Deutschen Verkehrsgerichtstag wurde unter anderem über Unfallflucht, Gaffer und Bußgelder diskutiert. Ein Überblick über die Forderungen an den Gesetzgeber.
Goslar - Eingeführt wurde der deutsche Verkehrsgerichtstag Mitte der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, aus einer Notwendigkeit heraus. Mit der voranschreitenden Motorisierung der Bevölkerung häuften sich Verkehrsunfälle und die Anzahl verkehrsrechtlicher Straf- und Zivilverfahren. Der Gesetzgeber hinkte angesichts dieser rasanten Entwicklung zunächst hinterher. Am Verkehrsgerichtstag nahmen dieses Jahr mehr als 1.850 Verkehrsexperten aus Justiz, Ministerien und Behörden sowie aus Unternehmen, Verkehrsclubs und Verbänden teil. Unter anderem wurde über den Nutzen höherer Bußgelder für die Verkehrssicherheit, Cannabis am Steuer und eine neue Fassung des Unfallflucht-Paragrafen im Strafgesetzbuch beraten. UnfallfluchtUnfallflucht soll auch bei Blechschäden strafbar bleiben. Der Verkehrsgerichtstag sprach sich am Freitag allerdings dafür aus, ein zusätzliches Fahrverbot nur noch zu verhängen, wenn Personenschaden oder Sachschaden ab 10.000 Euro entstanden ist. Der Gesetzgeber solle zudem die Vorschriften zur "tätigen Reue" reformieren, forderte der Kongress in Goslar. Eine Strafmilderung oder das "Absehen von Strafe" sollte nicht nur möglich sein, wenn sich jemand nachträglich bei Parkremplern meldet, sondern auch nach Unfällen im fließenden Verkehr. Zudem solle der Gesetzgeber präzisieren, wie lange man am Unfallort warten muss, wenn man einen Schaden telefonisch gemeldet hat. Bußgelder für Raser und DränglerGefährliche Delikte wie Rasen, Drängeln oder Überholverstöße sollen schärfer geahndet werden. Die Bußgelder dafür sind in Deutschland derzeit deutlich niedriger als in vielen anderen europäischen Ländern. Eine pauschale Anhebung aller Bußgeldsätze auch für weniger gefährliche Delikte lehnt der VGT dagegen ab. Dafür soll die Verkehrsüberwachung dichter werden, vor allem an gefährlichen Abschnitten und Unfallschwerpunkten. Die Kontrollen sollten so angelegt sein, dass die Verkehrsteilnehmer nicht den Eindruck gewinnen, sie würden zugunsten öffentlicher Kassen abgezockt. Zudem solle wissenschaftlich untersucht werden, wie sich das Androhen härterer Strafen auf die Verkehrssicherheit auswirkt. Bereits im Oktober 2017 war ein Gesetz in Kraft getreten, wonach Teilnehmer an illegalen Autorennen mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden können, wenn jemand dabei schwer verletzt oder getötet wird. Fotografieren von Unfall-TotenJustizministerin Barbara Havliza (CDU) kündigte an, Niedersachsen wolle das Fotografieren und Filmen von Verkehrstoten unter Strafe stellen lassen. Die Landesregierung werde eine Bundesrats-Initiative starten. Der entsprechende Paragraf im Strafgesetzbuch solle so gefasst werden, dass die Polizei bereits einschreiten kann, wenn Schaulustige am Unfallort ihr Smartphone zücken. Wenn dieses beschlagnahmt werde, wäre das für die Betreffenden die schlimmste Strafe, sagte die CDU-Politikerin. Quelle: Picture Alliance Paragraf 201a des Strafgesetzbuches verbiete es schon jetzt, Foto- und Filmaufnahmen von überlebenden Unfallopfern zu machen, sagte Havliza. Von Toten dagegen dürften derzeit noch Aufnahmen gefertigt und verbreitet werden. Dies sei eine Gesetzeslücke. Abzocke im AuslandDas Abkassieren deutscher Autofahrer durch private Inkassobüros nach kleineren Verkehrsdelikten im Ausland muss nach Ansicht des Verkehrsgerichtstags verboten werden. Allein 2017 habe es rund 450.000 entsprechende Fälle gegeben. Nach Angaben des ADAC verlangen Inkassobüros dabei teilweise das Zwanzigfache des eigentlichen Bußgeldes für Park -oder Mautverstöße im Ausland als zusätzliche Gebühr. Das private Inkasso öffentlich-rechtlicher Bußgelder aus Straßenverkehrsverstößen innerhalb der EU müsse ausgeschlossen sein. Cannabis am SteuerGelegentliche Cannabis-Konsumenten, die erstmalig im Straßenverkehr auffallen, sollen künftig nicht mehr automatisch den Führerschein verlieren. Stattdessen sollten diese Fahrer zur medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU). Dort könnten sie nachweisen, dass sie zum Führen von Kraftfahrzeugen weiterhin geeignet sind. Quelle: Picture Alliance Grundsätzliche Zweifel an der Fahreignung hat der Verkehrsgerichtstag bei Personen, denen Cannabis als Medikament verordnet wurde. Er forderte dennoch kein Fahrverbot. Diese Patienten sollten aber im Interesse der Verkehrssicherheit von qualifizierten Ärzten umfassend über die Beeinträchtigung ihrer Fahreignung und Fahrsicherheit informiert werden. Dies sei in einem amtlichen Dokument nachzuweisen Autonomes FahrenDas nach der Straßenverkehrsordnung geltende Handyverbot am Steuer soll beim automatischen Fahren nicht gelten, fordern die Experten. Der Gesetzgeber solle klarstellen, dass Fahrerin oder Fahrer das Mobiltelefon und andere elektronische Geräte nutzen dürfen, wenn ein automatisches System die Kontrolle über das Fahrzeug übernommen hat. Die während der Fahrt gespeicherten Daten sollen nicht nur im Fahrzeug selbst, sondern auch bei einer neutralen Instanz gespeichert werden. Hintergrund sind mögliche Rechtsstreitigkeiten, zum Beispiel, wenn im Fall eines Unfalls darum gestritten wird, ob zum fraglichen Zeitpunkt der Fahrer oder das automatische System die Kontrolle über das Fahrzeug hatte. Ansprüche SchwerstverletzterMenschen, die bei Verkehrsunfällen schwerste Verletzungen mit Spätfolgen erlitten haben, sollen besser versorgt werden. Der Verkehrsgerichtstag sprach sich dafür aus, dass die Haftpflichtversicherungen die Aufwendungen für vermehrte Bedürfnisse, wie zum Beispiel die Pkw-Umrüstung oder die Schaffung behindertengerechten Wohnraums, sicherstellen sollen. Quelle: dpa |