Im Geheimdepot des Technikmuseums Berlin verstecken sich Autos aus der Kaiserzeit und Honeckers G-Klasse: MOTOR-TALK durfte sich in den imposanten Hallen umsehen.
Von Haiko Prengel Berlin – Deutschlands wohl größter staatlicher Autoschatz versteckt sich in einem tristen Gewerbegebiet im Berliner Norden. Wo genau sich die Sammlung des Technikmuseums Berlin befindet, ist streng geheim. Doch wir scheinen richtig zu sein: An der hohen Mauer mit den schweren Eisentoren steht der Name der Scheinfirma, den man uns genannt hat. Ich klingele. Die Sprechanlage knistert, ich werde nach meinem Anliegen gefragt. Nach ein paar Minuten Wartezeit öffnet ein 1,95 Meter große Hüne das schwere Tor. Dietmar Ruppert ist groß, aber harmlos und nett. Er ist kein Türsteher, sondern der Leiter des Depots. Der 56-Jährige verwaltet die exquisite Fahrzeugsammlung des Museums, das langjährige Berliner unter dem Namen „Museum für Verkehr und Technik“ kennen. 1996 wurde es umbenannt in „Technikmuseum Berlin“. Garagengold in meterhohen RegalenDas abgeschirmte Areal ist nicht öffentlich zugänglich, aber uns wird an diesem Vormittag ein Rundgang gewährt. In riesigen Hallen verwahrt das Museum reihenweise seltene Karossen und irre Vehikel - geparkt in meterhohen Metallregalen. Der Platz ist begrenzt, also rückt das Blech eng zusammen. Da kuschelt übereinander gestapelt ein dreirädriger Kleinlaster mit einem quietschgelben Tempo Matador. Der possierliche Lieferwagen aus den 1950er-Jahren wurde einst zum Wohnmobil umgebastelt und ist heute ein höchst rarer Sonderaufbau. Viele Vorkriegsklassiker werden in dem Depot aufbewahrt, etwa ein Minerva, eine belgische Luxuskarosse aus den späten Zwanziger Jahren. Oder ein recht rostiges Citroën-Taxi aus der gleichen Zeit. Damals ließen sich gut betuchte Berliner gern in Landaulet-Taxis wie diesem offenen Citroën kutschieren. „Die Leute wollten sehen und gesehen werden, wenn sie über den Tauentzien fuhren“, erklärt Ruppert. Nicht gesehen werden wollte Erich Honecker. Der DDR-Staatschef fuhr in den 1980er-Jahren gern mit einer Mercedes G-Klasse in der Schorfheide jagen - ausgerechnet in einem Luxus-Geländewagen des Klassenfeinds. Heute steht der Mercedes in der Depotsammlung, erkennbar am fehlenden Mercedes-Stern auf dem Kühlergrill. Aufs Wild zielte Honecker übrigens von der Rücksitzbank aus. Der Spezialumbau eines Westberliner Karosseriebauers erlaubte es ihm, seinen schweren Karabiner bequem im Wagen abzustützen. Der kleinere Teil steht im MuseumNatürlich handelt es sich bei der imposanten Fahrzeugsammlung nicht um den Heiligen Gral, den niemand je sehen darf. Doch das Berliner Technikmuseum im Stadtteil Kreuzberg ist zu klein, um alle Fahrzeuge dauerhaft auszustellen. Nur etwa 30 Fahrzeuge sind dauerhaft in der Ausstellung „Mensch in Fahrt“ zu sehen. Weitere 29 Vehikel kann man derzeit in der Sonderausstellung „Umgeparkt“ besichtigen. Allerdings: Der ärgste Feind des Schatzes ist kein Autodieb, sondern der Zahn der Zeit. Rosshaar, Watte, Leder, Holz - historische Autos sind voller organischer Materialien, die sehr empfindlich auf die Witterung reagieren. Auch Insekten, insbesondere Motten, machen den Leuten vom Technikmuseum zu schaffen. Die kleinen Biester nisten sich gerne in den Oldtimern ein und zerfressen das Mobiliar. „Für Motten ist das hier ein Eldorado“, erklärt Dietmar Ruppert. Per Pheromonstreifen werden die Fahrzeuge daher regelmäßig auf Befall durch die gefräßigen Tiere untersucht. Ist der Befund positiv, werden die Motten und ihr Nachwuchs per Stickstoffbehandlung oder im Tiefkühlcontainer ausgemerzt. Gegen einen Neubefall hilft die aufwändige Prozedur jedoch nicht. „Es ist ein Spiel ohne Ende“, klagt Dietmar Ruppert. Privat fährt Herr Ruppert CitroënKeiner kennt die alten Autos und anderen Stücke so gut wie der gelernte Tischler und Tankwart. Im Januar 1987 kam er als junger Mann zum Technikmuseum und fing in der Transportabteilung an. In seine Position als Depotleiter wuchs er über die Jahre hinein. Ein Traumjob? „Ich hatte schon früh ein Faible für alte Sachen“, verrät der Vater dreier Töchter. Als 15-Jähriger habe er auf einem frisierten Jawa-Mofa Westberlin unsicher gemacht. Heute braust er gerne mit einem Gespann aus den 1950ern, einer MZ BK 350, durch die Hauptstadt. Oder mit seiner geliebten Citroën DS. Momentan steht die französische Göttin im Winterlager und wartet auf den Frühling. Alle Betriebsflüssigkeiten seien abgelassen, erklärt Dietmar Ruppert - schon aus Sicherheitsgründen. Denn ein voller Benzintank stellt ein großes Brandrisiko dar. Außerdem seien die Fahrzeuge unverkäuflich - da muss der Depotleiter Investoren enttäuschen, die beim Anblick des staatlichen Garagengolds auf spekulative Ideen kommen. „Das, was wir haben, geben wir nicht mehr her.“ ***** In eigener Sache: Wir verschicken unsere besten News einmal am Tag (Montag bis Freitag) über Whatsapp und Insta. Klingt gut? Dann lies hier, wie Du Dich anmelden kannst. Es dauert nur 2 Minuten. |
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