Die wilden Geräte, die edlen Skulpturen, die spaßigen Maschinen - das sind heute meist Mittelmotor-Sportwagen. Doch es dauerte, bis der Motor zwischen die Achsen fand.
Von Arild Eichbaum Berlin - Lange war klar, wo sich ein Pkw-Motor zu befinden hat. Nämlich entweder vorne oder ganz hinten in der Karosse. Aber ein Aggregat direkt hinter dem Fahrer, zwischen den Achsen? Zugegeben, das Prinzip kannte man bereits vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges. Die Vorteile ebenso: harmonische Achslastverteilung, gute Traktion und die Eignung für eine aerodynamisch günstige, flache Frontpartie. Doch hier waren es einzig Formel-Wagen, wie der Auto Union Typ C von 1933. Bei Straßensportlern für begüterte Herrenfahrer verfolgte niemand den Mittelweg. Außerdem: Wer sollte so ein Auto überhaupt kaufen? Der konzeptbedingte Verzicht auf brauchbaren Kofferraum und zweite Sitzreihe war auf der Piste nebensächlich, im Alltag müssten die Kunden doch beides vermissen! Folglich ließen einschlägige Hersteller wie Mercedes-Benz, Jaguar, Ferrari, Chevrolet, Aston Martin oder Maserati in den 50ern und 60ern kleinen Sportwagenschmieden damit freies Feld. Die Anfänge in Straßen-SportwagenWie Rennwagen-Konstrukteur Rene Bonnet und seinem Djet. Das Coupé sorgte ab 1962 für Aufmerksamkeit, nicht aber klingende Kassen. 1964 übernahm das französische Unternehmen Matra den Betrieb, fertigte den Djet bis 1968 weiter. Der nun deutlich gesteigerte Absatz und einige sportliche Erfolge führten 1967 zum Matra 530. 1973 löste ihn der Matra-Simca Bagheera ab - in der Rückschau vor allem als übler Roster bekannt. Mit (teilweisen) GFK-Anbauteilen und kleinen Vierzylindern waren sie allesamt leicht und relativ preiswert. Das Quasi-Monopol genoss man nur kurz. Der Renault-befeuerte Lotus Europa debütierte 1966. Eine ähnliche Klientel sprach der VW-Porsche 914/916 mit 80 bis 110 PS an. Er war nicht der erste in Stuttgart ersonnene Mittelmotor-Sportler für die Straße, doch die zuvor angebotenen 550 und 904 trugen ihre Nummernschild eher aus Alibi-Gründen - im Grunde handelte es sich um Rennwagen in Kleinserie. Nicht so bei 914 und 916: Zwischen 1969 und 1976 gingen 118.984 Exemplare des "Volksporsche" weg. Volksnäher war der 1972 präsentierte Fiat X1/9 mit moderatem Leistungsoutput zwischen 72 und 86 PS. Die ersten Supersportler mit MittelmotorenIm Segment der Supersportwagen war lange der ab 1966 angebotene Lamborghini Miura mit quer eingebautem 3,9-Liter-V12 die größte Nummer. Alfa Romeo, Ferrari und Maserati kamen da mit ihren konservativen Konstruktionen massiv in Zugzwang. Alfa Romeo beließ es beim notdürftig domestizierten Rennwagen Tipo 33 Stradale. Eine wunderschöne Flunder, doch es blieb bei 18 Einheiten. Dino 206 und 246 GT enthielt Enzo Ferrari ab 1968 seinen Namen und das springende Pferd lieber vor. Immerhin gab es 1973er den 512 Berlinetta Boxer mit 180º-V12 anstelle des regulären V6. Maserati war 1972 mit dem V8-betriebenen Bora V8 und dem Merak mit V6 im Grunde zu spät. Zwei Jahre darauf stellte Lamborghini mit dem Countach schon die nächste Mittelmotor-Baureihe vor, 1984 konterte Ferrari mit dem Testarossa. Seit den 90ern liefern Sant'agata und Modena verlässlich V12-Traumautos. Diablo, Murciélago, Aventador hier, 288 GTO, F40, F50, Enzo da – es dürfte noch eine Zeit lang so weitergehen. In einer weiteren Klasse duellieren sich Stier und Pferd seit den 70ern ebenfalls: Einst traten Lamborghini Urraco und Silhouette gegen Ferraris 308 und 328 an - heute kann man zwischen Lambo Huracán und Ferrari 488 wählen. Abseits der großen Wappen-TiereEin reiner Zweikampf war es in den Top-Ligen freilich nie. Der gebürtige Argentinier Alejandro DeTomaso forderte ab 1963 die renommierten italienischen Hersteller. Zunächst sollten Erlöse des erste Straßen-Sportlers Vallelunga den kostspieligen Rennsport finanzieren. 1967 folgte der von einem Ford-V8 angetriebene Mangusta. 1971 löste der ausgereiftere Pantera ab. England hatte den Lotus Esprit. Und das ganz schön lange in recht ähnlicher Form - die Modellpflegen zwischen 1976 und 2004 fielen behutsam aus. In Summe entstanden 10.675 Einheiten des Türkeiles. Bei BMW steckte schon lange vor dem hybriden I8 ein Motor zwischen den Achsen: 1978 brachte man den M1, kehrte nach 460 Einheiten aber für Jahrzehnte zum Frontmotor-Prinzip zurück. Honda hatte von 1990 bis Mitte der 2000er den NSX, der V6 der seit 2016 erhältlichen Hybrid-Neuauflage befindet sich ebenfalls in der Mitte. Die bodenständigen BodennahenZurück zu geerdeter Ware: Der 1983 eingeführte Pontiac Fiero wurde mit dem nachgereichten V6 zu einem ernstzunehmenden Sportwagen. Toyota stellte 1984 den ersten MR2 vor, angeblich motiviert durch die früheren Erfolge des Fiat X1/9 und. Der M-id engine R-unabout 2-Seater mit Targadach kam ebenfalls gut an, zog bis 2007 zwei runder gestaltete Folgegenerationen mit sich. Renault lieferte mit dem Sport Spider 1995 die vielleicht spartanischste Option im Segment - seit 2017 hat der Konzern mit der Alpine A110 erneut einen Mittelmotorsportler. Porsche überwand in der Neuzeit seine Transaxle-Phase - die Einstiegsmodelle 924, 944 und 968 kamen allesamt mit Frontmotor und im Bereich der Hinterachse montiertem Getriebe. Ab 1996 kamen die unter dem Elfer positionierten Sportwagen (Boxster/Cayman und 718 Boxster/Cayman) wieder mit Mittelmotor. Einen anderen deutschen Vertreter vergisst man mitunter: Die 1996 eingeführte Lotus Elise ermöglichte den ab 2001 erhältlichen Opel Speedster. Der Rüsselsheimer war flach, leicht und bis zu 220 PS stark. Doch übermäßig gefragt war er nie, womit Opel von weiteren derartigen Experimenten absah. Lotus selbst blieb bei der Fahrzeugarchitektur. In Zukunft wird man neben Elise, Exige und Evora ein SUV anbieten - freilich mit Frontmotor. Rallye-Derivate und krude ExperimenteNeben großen Helden und kleinen Glühern gibt es herrlich krude Experimente. Etwa den viersitzigen Ferrari Mondial. Beim Marktstart 1989 bescherte er mancher Stirn tiefe Falten - gegenwärtig ist die Baureihe der wohl günstigste Weg, einen Ferrari zu erwerben. Der TR-1 galt bei seiner Premiere 1987 als Wunderauto, letztendlich verkaufte der frühere Audi Quattro-Projektleiter Walter Treser nur 25 Einheiten. Der gefällige Artega GT mit VW-Technik wurde 2012 nach 153 Exemplaren eingestellt. Mittelmotor-Fahrzeuge sind heute auf Rallye-Sonderprüfungen selten. In den 80ern gab es Modelle wie den MG Metro 6R4, den Ford RS200, den Peugeot 205 T16 oder den Renault 5 Turbo - und entsprechende Straßenfahrzeuge. Letzteres Modell hatte gar einen Nachfolger: Der Clio II mit mittig eingebautem V6 kam Anfang der 2000er-Jahre - also zu einer Zeit, in der niemand mehr mit absolutem Wahnsinn im Kleinwagensegment rechnete. Lancia hatte in der Grupe B-Ära den Delta S4 - zuvor waren Rallye-Derivateder Italiener ungleich flacher. Wir denken an den Lancia Stratos und den aus dem Beta Monte Carlo abgeleitete Lancia 037. Motoren-Umsiedlung in der CorvetteVergessen wir nicht die richtig wilden Kreationen. Modelle, die man praktisch nie auf der Straße antrifft. Also etwa die Vector-Modelle aus den USA, den spektakulären Cizeta-Moroder V16T. Oder die extremen Bugatti EB110, Veyron und Chiron. Auch beim Jaguar XJ220, der Koenigseggs-Palette, dem Gumpert Apollo oder dem Porsche Carrera GT ist der Motor mittig verbaut. Daneben kamen in jüngerer Vergangenheit Pagani Zonda und Huayra, Audi R8, McLaren F1 und Nachfolger mit Mittelmotor. Ford GT oder Porsche 918 sowieso. Und freilich die "Klettergerüste" Ariel Atom und KTM X-Bow. Daneben Spyker C8, Saleen S7, Lotec Sirius... einen vergessen? Garantiert! Dutzende! Besonders sind sie alle. Doch erwähnenswert ist ein Modell, das es noch gar nicht gibt: Die Chevrolet Corvette wird nach knapp 60 Jahren in der achten Generation vom Front- zum Mittelmotorsportwagen. Als die erste Generation des Ami-Sportlers auf den Markt kam, gab es noch keines der hier vorgestellten Autos - mit Ausnahme des Vorkriegs-Formelwagens von Auto Union, natürlich. |