Alle kaufen SUV, warum eigentlich? Ein Van ist praktischer, sparsamer und agiler. Das zeigt der Alltagstest des VW Touran. Unterwegs im meistverkauften Van Deutschlands.
Quelle: ausblenden | Marlene Gawrisch für mobile.de
Berlin – Ausgerechnet der VW Touran! Gibt es im Volkswagen-Konzern ein Auto, das bescheidener und unauffälliger wirkt? Wir dachten nicht, dass ein Touran Anstoß erregen könnte. Und trotzdem klebt da eines Morgens dieser selbstgemachte Aufkleber an der Heckscheibe. Auf dem steht in roten Großbuchstaben: „Ich bin ein Klimakiller!“ Nur, dass das Ausrufezeichen kein Ausrufezeichen ist. Sondern ein Totenkopf. Quelle: Heiko Dilk für mobile.de Das Mercedes-T-Modell der Baureihe 123, das daneben parkt, hat keinen Aufkleber. Auch nicht das BMW-SUV auf der anderen Seite. Liegt es also am Emblem auf der großen Heckklappe? VW hat seit dem Dieselskandal nicht den besten Ruf. Unser Testwagen ist ein TSI, ein Benziner. Unter der Haube arbeitet ein 1,4-Liter-Vierzylinder-Turbo. Mit 150 PS nicht bescheiden, aber auch nicht ausgeflippt. Vielleicht wäre dem Kritiker ein Diesel lieber gewesen. Der stößt weniger CO2 aus und ist dadurch besser fürs Klima. Oder der ambitionierte Umweltschützer hat da was verwechselt. Stickoxid und Kohlendioxid zum Beispiel. Kann ja mal passieren. Es war das einzige unangenehme Erlebnis während unsere zwei Wochen mit dem Touran. Ansonsten fiel der Familienvan überwiegend positiv auf – jedenfalls bei uns. Der Touran 1.4 TSI im Alltagstest. Karosserie | Platzangebot | AbmessungenQuelle: ausblenden | Marlene Gawrisch für mobile.de Viel Raum auf wenig Platz – das können Vans immer noch am besten. Der Touran kann auf seinen 4,53 Metern Länge richtig was einladen. 1.980 Liter passen bei umgelegter Rückbank in den Fünfsitzer. Dabei wird der Laderaum mit wenigen Handgriffen komplett eben, weil die Sitzflächen leicht abtauchen, bevor die Lehnen nach vorn kippen. Zudem klappt die Lehne des Beifahrersitzes um, das verlängert den Kofferraum auf rund 2,50 Meter Länge. Wir transportierten problemlos einen riesigen Kleiderschrank im Touran. Bei voller Bestuhlung gibt VW 834 Liter Volumen an. Das ist ein bisschen gemogelt. Dafür müssen die verschiebbaren Einzelsitze der Rückbank ganz nach vorne. Dann bleibt kaum Platz für Passagierbeine - es fehlen immerhin rund 20 Zentimeter zur Komfortstellung. Sonst gibt es ausreichend Platz in alle Richtungen. Die Lehnen lassen sich zudem einzeln in der Neigung verstellen. Volkswagen baut viele große Fächer und Ablagen ins Auto. Zwei davon befinden sich direkt unterm Dach, wo in den meisten Pkw allenfalls Raum für eine Sonnenbrille bleibt. In die Seitentaschen der Türen passen große Flaschen. Ein flaches Fach oben im Armaturenbrett eignet sich für Papierkram oder Brillenetuis. Um es bequem während der Fahrt nutzen zu können, liegt es allerdings zu weit vorne. Praktisch: die 230-V-Steckdose im Kofferraum und die Ablagefächer auf den Radkästen im Kofferraum. Außerdem gibt es Gummibänder an den Radkästen zum Fixieren von Einkaufstaschen. Innenraum | Verarbeitung | MaterialienQuelle: ausblenden | Marlene Gawrisch für mobile.de Weich unterschäumter Kunststoff auf dem Armaturenbrett, hartes Plastik im unteren Bereich - typisch Kompaktklasse. Leider findet sich auch oben auf den Türverkleidungen härterer Kunststoff. Da wünscht man sich schöneres Material. Dafür sind die Armlehnen gut gepolstert. Die Ellenbogen stoßen nicht an Hartplastik, sondern an Stoff. Die Verarbeitung im Touran ist solide. Nur die Staufachklappe vor der Windschutzscheibe fällt negativ auf, sie wirkt leicht und billig. Auf die Sitze zieht VW im Test-Touran schwarzen Stoff mit roten Nähten. Das sieht gut aus und wirkt strapazierfähig. Ansonsten ist das Design VW-typisch schlicht – oder eben langweilig. Je nach Geschmack. Das große Infotainmentsystem mit der durchgehenden Scheibe vor dem 9-Zoll-Bildschirm bringt einen modernen Touch ins Cockpit. Sieht schick aus, solange man keine Fingerabdrücke darauf verteilt hat. Also nur sehr kurz. Tasten, Schalter, Drehregler – alles solide zusammengebaut und gut zu den Fingern. Assistenzsysteme | SicherheitSerienmäßig bremst der Touran nach einer Kollision selbständig bis zum Stillstand, um Folgeunfälle zu verhindern. Und er erkennt, wenn der Fahrer müde wird. Erst mit der Comfortline-Ausstattung kommt die City-Notbremse ins Auto. Unser "Sound"-Sondermodell bringt außerdem den Abstandstempomaten mit, der sonst 320 Euro kostet (inklusive City-Notbremse). Quelle: ausblenden | Marlene Gawrisch für mobile.de Wer auf der sicheren Seite sein will, kauft das Assistenzpaket. Oder gleich die umfangreiche Plus-Version. Dann bekommt der Touran LED-Scheinwerfer, deren Fernlicht den Gegenverkehr ausblendet. Außerdem hält er bis 210 km/h den Abstand zum Vordermann (ACC) und alleine die Spur. Das funktioniert gut: Der Touran bremst feinfühlig und fast nie unangenehm stark. Zudem lenkt er unaufdringlich mit. Ein paar Einschränkungen muss man hinnehmen, wenn man sich für den Handschalter entscheidet. Logisch: Dann bremst ACC nicht bis zum Stillstand, und der „Emergency Assist“ (automatische Notbremse) fehlt. Infotainment | Radio | BedienungIn unserem Testwagen steckte das Infotainmentsystem Discover Pro für 2.435 Euro. Statt echter Drucktasten und Drehregler setzt VW auf Touchflächen links und rechts. Nach unserem Geschmack weniger komfortabel als die analoge Version. Vor allem für die Lautstärke. Man muss sich angewöhnen, die Lenkradtasten zu verwenden. Funktional gibt es wenig zu mäkeln. Das Menü ist schön übersichtlich, die Anzeige lässt sich individualisieren. Das Smartphone verbindet sich wahlweise über Apple Carplay (sehr flott), Android Auto (etwas zäher), Mirrorlink oder Bluetooth. Völlig fehlerfrei wirkt die Software allerdings nicht. Unser Smartphone stellte nach der Verbindung ungefragt einen Anruf zur eigenen Mobilfunknummer her. Das könnte am Handy liegen - passierte uns bisher jedoch nur bei Systemen des VW-Konzerns. Antrieb | Motor | Getriebe | FahrleistungenQuelle: ausblenden | Marlene Gawrisch für mobile.de Der 1,4-Liter-Benziner wird bei Volkswagen langsam ausgemustert und durch den neuen 1,5er ersetzt. Im Touran gibt es den alten Vierzylinder noch. VW wird ihn zum Herbst mit einem Ottopartikelfilter nachrüsten müssen. Im Tiguan läuft der Motor schon gefiltert. Der Vierzylinder läuft ruhig und klingt nur von außen ein bisschen rau. 250 Newtonmeter ab 1.500 Umdrehungen genügen, um die knapp 1,5 Tonnen des Touran schaltfaul und zügig durch die Stadt und über Land zu treiben. Die Sechsgang-Handschaltung fühlt sich etwas knochig an, schaltet aber präzise genug. Ein Sportler ist der Touran nicht, doch auf der Autobahn bietet der Benziner genügend Druck in hohen Gängen. Der Verbrauch geht ebenfalls in Ordnung. Wir kamen im Testalltag mit etwas mehr als sieben Litern im Schnitt aus. Dabei waren viel Stadtverkehr und Autobahn sowie etwas Landstraße. Bei guten Bedingungen und behutsamer Fahrweise sahen wir in der Stadt auch mal eine sechs vor dem Komma. So viel Vorsicht am Gas belohnt der Touran: Im Infotainmentdisplay zeigte er einen "Eco Score" von 93 Prozent an. Fahrwerk | Lenkung | FahrverhaltenQuelle: ausblenden | Marlene Gawrisch für mobile.de Das Fahrwerk des Touran wirkt zuweilen etwas polterig. Dabei federt er eigentlich gut kontrolliert. Doch der große Innenraum verstärkt die Geräusche aus den Radkästen. Grobe Kanten schluckt das Fahrwerk überwiegend gut, aber man wünscht sich manchmal mehr Geschmeidigkeit. Wirklich unangenehm wird der Touran nie. Selbst im Sportmodus lässt das Verstellfahrwerk (DCC) noch Komfort übrig. Wir würden die 1.045 Euro fürs DCC trotzdem in sinnvollere Extras investieren. Oder sparen. Der Touran muss nicht sportlich fahren. Beim Familienvan zählen andere Dinge: Die Lenkung ist angenehm gewichtet und präzise, der Lenkradkranz liegt gut in den Händen. Der Geradeauslauf lässt bei höheren Geschwindigkeiten allerdings etwas zu wünschen übrig. So ruhig wie ein Golf fährt der Touran leider nicht. Auf der Autobahn dringt mehr Außenlärm ans Ohr als in den meisten kompakten Schrägheck-Limousinen. Das dürfte mit der Van-Form zu tun haben. Viel Stauraum bedeutet viel Resonanzraum - und viel Angriffsfläche für den Wind. Ausstattung | Preis | KostenQuelle: ausblenden | Marlene Gawrisch für mobile.de Unser Test-Touran rollte als Sondermodell „Sound“ in die MT-Tiefgarage. Der Basispreis steigt damit gegenüber der Comfortline-Ausstattung (Pflicht bei 150 PS) um knapp 3.000 Euro. Dafür gibt es 16-Zoll-Alus mit dem thematisch passenden Namen „Woodstock“ und eine Menge elektronischer Extras. Den adaptiven Tempomaten zum Beispiel, das kleine Navi (Discover Media), die Smartphone-Standards Apple Carplay, Android Auto und Mirrorlink, eine Dreizonen-Klimaanlage und acht Lautsprecher für den, nun ja, Sound eben. In unserem Testwagen steckten weitere Extras. Die teuersten Einzelposten: das Assistenzpaket Plus (2.465 Euro), das R-Line-Exterieur (1.495 Euro) und das große Infotainmentsystem „Discover Pro“ (im Sondermodell für 1.225 Euro). Als nützlich empfanden wir das Family-Paket (195 Euro) mit elektrischer Kindersicherung und Sonnenschutzrollos für hinten sowie Sprachverstärkung. Außerdem die Seitenairbags für die zweite Sitzreihe (375 Euro) und die Sitzheizung für vorn und die äußeren Plätze hinten (255 Euro). Über das beheizbare Lederlenkrad (135 Euro) freut sich der Fahrer im Winter. Beide Heizungen werden schön schnell warm. Insgesamt landet unser Touran laut Liste bei 43.101 Euro. Manche Extras dürften nach unserem Empfinden keinen Aufpreis kosten. Die Seitenairbags zum Beispiel oder das Family-Paket. LED-Rückleuchten könnten ebenfalls zum Standard gehören. Aktuell kosten sie 235 Euro zusätzlich. Fazit: Lieber Van als SUVDie Leuten mögen immer mehr SUV kaufen, weil sie relativ viel Platz bieten. Doch wer wirklich Raum braucht, dazu Variabilität und auf Effizienz Wert legt, sollte Van fahren. VW macht beim Touran fast alles richtig. Er bietet einen Laderaum wie ein kleiner Lieferwagen, verschiebbare Einzelsitze hinten, zahlreiche Ablagen und Fächer für alles, was man als Familie auf der großen Reise braucht. Dazu fährt der Touran sich fast wie ein üblicher Kompakter. Er federt komfortabler als die meisten SUV und bewegt sich leichtfüßiger. Der niedrigere Schwerpunkt und das moderate Gewicht machen es möglich. Leichte Abstriche gibt es für das leicht polterige Fahrwerk und das etwas höhere Geräuschniveau. Dass VW 2017 mehr als 50.000 Exemplare vom Touran in Deutschland absetzte, ist also kein Wunder. Dass sich fast 20.000 Menschen mehr für den teureren, unpraktischeren und durstigeren Tiguan entschieden schon eher. Technische Daten VW Touran 1.4 TSI
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