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Innenstadt-Fahrverbote bedrohen Youngtimer mit EU 1 und 2 - Müssen alte Benziner draußenbleiben?

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Fahrverbote bedrohen nicht nur Diesel, sondern auch Benziner der Klassen Euro 1 und 2. Youngtimer-Fans sind besorgt. Es geht um Hunderttausende Fahrzeuge, darunter viele Klassiker.

Von Haiko Prengel

Berlin - John Betzien ist stolzer Besitzer eines BMW 540i Touring der Baureihe E34. Mitte der Neunziger war der Wagen mit seinem 286 PS starken Achtzylinder einer der luxuriösesten Kombis, die auf dem Markt erhältlich waren: Ledersitze, Klimaanlage, elektrische Sitze, verstellbare Lenksäule: „Das Auto kostete damals weit über 100.000 D-Mark“, sagt Betzien.

Nun muss sich der Autosattler aus Berlin-Weißensee bald von seinem Wagen trennen, wenn sich Umweltschützer vor den deutschen Gerichten durchsetzen. In zahlreichen deutschen Großstädten stehen Pkw-Fahrverbote für den Innenstadtbereich bevor. Betroffen sind aber nicht nur ältere Dieselautos. Auch Hunderttausende Benziner unterhalb der Emissionsklasse Euro 3, die zum 1. Januar 2001 eingeführt wurde, sind von Fahrverboten bedroht.

In Frankfurt am Main etwa sollen Benziner der Euroklassen 1 und 2 ab Frühjahr 2019 in Teilen der Innenstadt nicht mehr fahren dürfen. In Köln wird gar die gesamte Umweltzone vom Fahrverbot betroffen sein. Und in Essen sollen ab Sommer für einen viel befahrenen Abschnitt der Autobahn A 40 Fahrverbote gelten.

Viele beliebte Youngtimer betroffen

Fans von Youngtimern sind alarmiert, denn viele beliebte Modelle aus den Achtziger- und Neunzigerjahren fahren mit Euro 1 und Euro 2. Etwa BMWs 5er Baureihe E34, der 3er BMW E36, die Mercedes E-Klassen W124 und W210 oder Opels Omega und Senator. Sportwagen wie der Porsche 993, der letzte 911er mit luftgekühltem Boxer-Motor, sind betroffen. Aber auch Volumenmodelle wie der VW Golf II. Insgesamt waren Anfang 2018 laut Kraftfahrzeug-Bundesamt noch weit über zwei Millionen Benziner-Pkw der Schadstoffklassen Euro 1 und Euro 2 in Deutschland zugelassen.

Der Unterschied zu jüngeren Dieselautos ist, dass die Youngtimer-Benziner längst keine Gebrauchtautos mehr sind, von denen man sich leichtfertig trennt, wenn Hersteller mit mehr oder weniger fairen Umtauschprämien einen Neuwagen versprechen. Wer einen 25 Jahre alten Porsche oder ein anderes inzwischen rares Modell aus jener Zeit fährt, hat oft großen finanziellen Aufwand betrieben, um dieses Auto auf der Straße zu halten. Damit verbunden ist in der Regel ein hoher ideeller Wert.

Durch die drohenden Fahrverbote befürchtet die Szene gravierende Auswirkungen auf den Klassiker-Markt. Man könne die Sorgen der Youngtimer-Besitzer gut nachvollziehen, heißt es beim größten deutschen Automobilclub ADAC. „Wir setzen uns natürlich für die Belange der mobilen Menschen in Deutschland sowie für den Erhalt des automobilen Kulturgutes ein.“

Geringe Laufleistungen bei Youngtimern

Umstritten ist die Abwrackung von Youngtimern nicht nur, weil es sich bei vielen der Fahrzeuge um – zumindest aus Sicht von Fans – automobiles Kulturgut handelt. Auch aus ökologischer Sicht erscheint der Nutzen einer massenhaften Verschrottung fraglich. Die Mehrzahl der Old- und Youngtimer sind Liebhaberautos, die nicht mehr als Alltagsfahrzeuge bewegt werden.

„Gerade bei geringen jährlichen Laufleistungen lohnt sich ein Neukauf aus finanzieller und auch aus ökologischer Sicht häufig nicht“, erklärt ein Sprecher des ADAC. Denn die Produktion eines Neuwagens verbraucht viel Energie. Bis diese Öko-Kosten wieder eingefahren sind, kann ein Euro-1- oder Euro-2-Benziner noch viele Tausend Kilometer fahren. Auch, wenn er deutlich mehr Stickoxide ausstößt als ein Neuwagen.

Der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die in Dutzenden deutschen Kommunen Fahrverbote erwirken möchte, sieht das anders. Zwar stamme der Löwenanteil der verkehrsbedingten NO2-Belastungen in den Städten aus Dieselmotoren, sagt Dorothee Saar, bei der DUH Bereichsleiterin für Verkehr und Luftreinhaltung. Allerdings emittierten alte Benziner, insbesondere solche ohne Dreiwege-Katalysator, ebenfalls deutlich höhere Mengen an Stickoxiden.

„Mit Blick auf Ressourcenschutz ist natürlich abzuwägen, ob ein Fahrzeug noch gefahren werden sollte oder nicht“, meint Saar. Viele Klassiker mit Benzinmotor, die sogenannten Youngtimer, ließen sich mit Katalysatoren durchaus nachrüsten und so „fit“ für die Innenstadt machen.

Alte Benziner nachrüsten?

Daran gibt es unter Kfz-Experten allerdings großen Zweifel. Zwar lassen sich Euro-1-Benziner mit einem Kaltlaufregler nachträglich auf die Euro-2-Norm aufrüsten. Technische Umrüstungen von Euro 2 auf Euro 3 halten Kfz-Experten aber für technisch kaum machbar. Denn mit Euro 3 wurde eine On-Board-Diagnose (OBD) verpflichtend, die permanent die abgasbeeinflussenden Systeme überwacht und auf die Daten reagiert. Die meisten 80er- und 90er-Jahre-Autos sind für ein solches Upgrate wohl zu alt.

Die Verunsicherung in der Youngtimer-Szene ist deshalb groß. Autosattler John Betzien, der viele automobile Klassiker mit neuen Sitzbezügen und anderen Interieur-Teilen ausstattet, klagt über spürbare Umsatzrückgänge. Viele Youngtimer-Besitzer scheuten gegenwärtig weitere Investitionen in ihre Fahrzeuge, weil die Rechtslage unsicher sei. „Die Leute sind total verunsichert“, berichtet er.

Auch Familie Betzien erwog daher, den BMW 540i Touring abzuschaffen. Bis zum rettenden H-Kennzeichen muss ihr BMW, Baujahr 1995, noch fast sieben Jahre durchhalten. Das Sonderkennzeichen, das freie Fahrt in den Umweltzonen beschert, darf erst ab einem Fahrzeugalter von 30 Jahren beantragt werden.

Politik rät von Panikverkauf ab

Auch Carsten Müller wäre von einem Youngtimer-Fahrverbot betroffen. Er fährt im Alltag einen älteren Mercedes. Der CDU-Politiker ist Vorsitzender des Parlamentskreises Automobiles Kulturgut im Deutschen Bundestag. Das fraktionsübergreifende Gremium kämpft für die Rechte von Oldtimer-Fahrern. Auf der vergangenen Sitzung waren die drohenden Pkw-Fahrverbote Thema – von denen Euro-1- und Euro-2-Benziner ebenfalls bedroht sind.

Müller betont, dass im Bereich Fahrverbote keine Regelungskompetenz des Bundes bestehe. Maßgeblich seien die einzelnen Kommunen und ihre Luftreinhaltepläne. „Das macht die Lage insgesamt sehr kompliziert und jede Entwicklung sehr schwer vorhersehbar.“ Persönlich halte er Fahrverbote für falsch, insbesondere wenn es um Youngtimer gehe, die oft nur wenig, etwa bei Ausfahrten am Wochenende bewegt würden, während beispielsweise stark emittierende Linienbusse weiter im städtischen Verdichtungsraum unterwegs sein dürften. Generell rät Müller Youngtimer-Besitzern, die bevorstehenden gerichtlichen Auseinandersetzungen um mögliche Fahrverbote erst einmal abzuwarten. „Panikverkäufe von Fahrzeugen wären jedenfalls bedauerlich.“

Der ADAC will die Entwicklung genau beobachten und sich dafür einsetzen, dass Fahrverbote vermieden werden können, heißt es. Schon für das H-Kennzeichen und die Ausnahmeregelung für Oldtimer in Umweltzonen habe man sich vor zehn Jahren stark gemacht. „Verkehrsbeschränkungen dürfen nur die letzte Option darstellen, nachdem alle anderen Möglichkeiten der Luftverbesserung zur Einhaltung der Grenzwerte ausgeschöpft wurden.“

Carsharing statt Youngtimer

Zudem gehen Experten davon aus, dass die Grundlage für Fahrverbote entfällt, sobald die Grenzwerte auf gesperrten Streckenabschnitten wieder im Normbereich sind. Problematischer wäre es, wenn ganze Innenstadtbereiche großflächig für alte Verbrenner gesperrt würden – in Berlin etwa strebt die Deutsche Umwelthilfe eine Verbotszone innerhalb des S-Bahn-Rings an. Der Senat entschied mittlerweile, nicht gegen das verhängte Diesel-Fahrverbot in Berufung zu gehen. Auf mindestens elf vielbefahrenen Streckenabschnitten sollen ab dem kommenden Sommer Fahrverbote umgesetzt werden. Ältere Benziner sind bislang nicht betroffen.

Die Betziens aus dem Stadtteil Weißensee dürfen ihre Kinder also vorerst weiterhin mit ihrem BMW 540i der Euronorm 2 zum Klavierunterricht oder zum Sportkurs in der Innenstadt bringen. Auch zu Kunden-Besuchen fährt Autosattler John Betzien im Alltag häufig in die Berliner City. Was die drohenden Fahrverbote betrifft, hofft er langfristig auf eine Ausnahmegenehmigung für Youngtimer. Und wenn es die nicht gibt? Dann werde er für Innenstadtfahrten wohl gezwungenermaßen auf Carsharing umsteigen müssen.

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