Michelin plädiert für Reifentests mit geringer Profiltiefe - Weil der Käufer nicht mit ewig neuer Ware fährt. Der Ansatz ist clever, die angedachte Ausführung fragwürdig.
Quelle: dpa / Picture Alliance South Carolina – Die Entscheidung beim Reifenkauf fälllt gewöhnlich emotionsfrei und verläuft ganz anders als bei vielen anderen Produkten: Auf das beste Design und den ulkigsten Werbespot gibt hier niemand etwas. Der nächste Satz Pneus wird meist nach Preis und abhängig vom Ergebnis der Reifentests gekauft. Doch gängige Vergleichstests sind nur Momentaufnahmen, in der für den Hersteller vorteilhaftesten Situation: Autoclubs und Fachmagazine lassen brandneue (eingefahrene) Ware gegeneinander antreten. Wie der Reifen nach Jahren funktioniert, wenn ein maßgeblicher Teil des Gummis auf Deutschlands Straßen klebt? Ob die „Super Dynamic Grip“ den „Mega Giga Response“ nach einigen Saisons immer noch klar schlagen? Das kann der Käufer nicht herausfinden. Einen "Gebrauchtreifen-Vergleichstest" gab es schonQuelle: dpa / Picture Alliance Michelin will daher das Testverfahren erweitern. Der französische Reifenhersteller plädiert für Vergleichstests mit Reifen, deren Profiltiefe nahe dem gesetzlichen Mindestwert liegt. Das Ergebnis soll in die Gesamtwertung eines Tests mit einfließen. Klar, Michelin sieht sich für eine solche Wertung gut aufgestellt. In South Carolina (USA) setzte der Hersteller Journalisten (unter anderem des Roadshow-Magazins) in zwei Toyota Camry und zwei Nissan Juke. Bestückt mit einem Michelin-Produkt und einem Konkurrenten. Die Franzosen hobelten die Profiltiefe maschinell auf 2,8 mm runter (gesetzliches Limit in den USA: 1,9). Schabten außerdem sämtliche Hersteller-Bezeichnungen von der Flanke. Das Ergebnis des Blindtests nach gelüftetem Geheimnis: Der abgewetzte Michelin Premier A/S performte auf nassem Grund deutlich besser als der betagte Goodyear Eagle Sport A/S. Bei Vergleichstests mit neuen Reifen fiel der Unterschied geringer aus. Realitätsfernes TestverfahrenDas Resultat sollte man kritisch betrachten, nicht nur, weil der Hersteller selbst die Bedingungen stellte. Und die waren bereits problematisch: Wird der Reifen im Alltag statt an einem einzigen Rennstrecken-Tag malträtiert, findet man eher keinen abgefahrenen Reifen mit nagelneuer Gummimischung. Ein erheblicher Unterschied: Mit den Jahren verliert die Mischung ihre Weichmacher, kann sich schlechter in die Fahrbahnoberfläche krallen. Trocken und bei moderater Nässe ist das ein wesentlicher Grund, warum ein alter Reifen einem neuen Reifen unterlegen ist. Die Tiefe der Rillen hat dabei weniger Einfluss. Für einen wirklich aussagekräftigen „Gebrauchtreifen-Vergleichstest“ müssten die Pneus ihr Profil vor dem Ausflug auf den Testgrund unter realistischen Voraussetzungen verlieren. Sprich: Jahrelang auf der Straße gefahren werden, mitsamt allen (Witterungs)-Einflüssen. Wäre mal ein interessanter Ansatz. Nur: Für die Kaufentscheidung käme das Ergebnis bei neuen Reifenmodellen wohl zu spät. ***** In eigener Sache: Wir verschicken unsere besten News einmal am Tag (Montag bis Freitag) über Whatsapp und Insta. Klingt gut? Dann lies hier, wie Du Dich anmelden kannst. Es dauert nur 2 Minuten. |