Retrobikes sehen zwar cool aus, bieten aber wenig Fahrkomfort. Der Kölner Motorraddesigner Jens vom Brauck überarbeitet die Maschinen und haucht ihnen mehr Fahrspaß ein.
Köln – Stummellenker, schmale Verkleidung und Höckersitzbank. Motorräder in der Optik von Superbikes der 1970er-Jahre liegen im Trend. Waren vor einigen Jahren noch spartanische Retro-Maschinen im Cafe-Racer- oder Scrambler-Look modern, entwickeln Hersteller nun Sportbikes im Retrolook. Unter anderem BMW mit der R nineT Racer, einem Ableger der rechterfolgreichen R nineT. Das Problem ist allerdings, dass die Maschine durch den langen, großen 17-Liter-Tank und den weit nach vorn positionierten Stummellenker eher unbequem und unhandlich zu fahren ist. Der Kölner Motorraddesigner Jens vom Brauck wollte das ändern. Er kaufte sich eine BMW R nineT Racer und optimierte die Maschine so lange, bis sie sportlicher aussah und deutlich besser fuhr. Der Designer ist in der Szene kein Unbekannter. Seit mehr als 16 Jahren widmet er sich dem Planen von Motorrädern, er baute schon Maschinen für Ducati, Yamaha und MZ. Vergangenes Jahr nahm er sich im Auftrag von BMW eine R nineT Scrambler vor und stellte das Ergebnis auf internationalen Treffen und Messen aus. Als Einzelstück, nur fürs Auge. Aber seriennah genug, um zu zeigen, was Customizer aus der Scrambler herausholen können. Bei der nineT Racer soll es nicht bei einem Einzelstück bleiben. Den Lenker tauschte vom Brauck gegen einen höheren aus, der außerdem näher zum Fahrer rückte. Schon allein dadurch entschärft er die vorher extreme Sitzposition. Dank eines neuen Hecks mit leicht höherer Einzelsitzbank rückt der Pilot weiter nach vorne, streckt sich weniger über den Tank und fährt entspannter. Besseres Handling und mehr BequemlichkeitDie serienmäßige breite und dominante Abdeckung für den Luftansaugkanal formte der Designer dezenter. In der geänderten Scheinwerferabdeckung sitzt nun ein LED-Scheinwerfer mit Tagfahrleuchtring, das sogenannte Angel Eye. Im Heck sitzt ein kleines Bremslicht, die Blinker befinden sich dezent an den Seiten. Dadurch wirkt die BMW schlanker, was nicht täuscht: Etwa zehn Kilogramm verlor die vorher rund 220 Kilogramm schwere Racer durch die Überarbeitung. "Es ging mir aber nicht ums Gewicht, sondern um ein besseres Handling, eine bequemere Sitzposition und um ein filigranes Design", sagt Jens vom Brauck. Trotz der Verkleidung wird die Racer keine reinrassige Rennmaschine. Entfernte Basis der nineT-Reihe ist die Reiseenduro GS. Eine Touringmaschine, die schon wegen des Kardanantriebs mehr wiegt als ein Motorrad mit Kette. Dafür arbeitet sie wartungsfrei. Der bullige 1,2-Liter-Zweizylinder-Boxer bietet mit 110 PS und 116 Newtonmeter viel Leistung und Drehmoment. Aus dem Arrow-Exhaust-Auspuff entweichen die Abgase recht dominant – so wie vor 40 Jahren. Comeback der Sechziger und SiebzigerJapanische und italienische Maschinen beherrschten den Motorradmarkt der 1970er-Jahre. Nach den puristischen Maschinen und filigranen Café Racern der 1960er-Jahre erhielten die Motorräder mehr Hubraum, Leistung und Verkleidung. Dazu zählten die Benelli 750 SEI, BMW R 90 S oder Ducati 900 SS. Und wie das in der Mode so ist: Alles kommt wieder. Die BMW-Racer soll an den historischen Sportler R 90 S von 1973 erinnern, damals eines der schnellsten Serienmotorräder der Welt. Der Unterschied zu Café Racern liegt vor allem in der schmalen Scheinwerferverkleidung. Die soll den Wind vom Fahrer abhalten, zwingt ihn aber in eine Liegeposition. Durchaus gewollt. Wenn er durch die kleine Scheibe der Kanzel schaut, fühlt sich der Pilot wie bei der Tourist Trophy. Seit 1907 fahren beim ältesten, gefährlichsten und umstrittensten Motorradrennen der Welt auf der Isle of Man Rennfahrer um die Wette. Seit 1911 starben 257 Rennfahrer auf dem Kurs. "Die Tradition der Cafe-Racer mit Stummellenker stammt aus der Zeit, als es für Privatpersonen keine reinen Rennmaschinen zu kaufen gab. Mit ein paar Tuningteilen konnten sie ihre Maschinen an die ihrer Idole optisch anlehnen", sagt vom Brauck. Dass die Motorräder damit oftmals unhandlicher und unbequemer wurden, interessierte damals keinen. Motorradfahren liegt wieder im Trend2008 waren in Deutschland rund 3,57 Millionen Krafträder angemeldet, 2017 waren es nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) schon 4,31 Millionen. Immer mehr Modelle und Typen buhlen um Käufer. Diese werden allerdings immer älter – und bequemer. In der Altersgruppe zwischen 50 und 59 Jahren machen den Besitzern gebückte Haltung und auf dem Asphalt schleifende Knie weniger Spaß. Sie wollen die Ausfahrt genießen und lassen sich ihr Hobby gerne etwas kosten. So wie die BMW. Mindestens 13.450 Euro kostet die Basis-R-nineT-Racer, der handgebürstete Alu-Tank 1.020 Euro extra. Die meisten Tuningteile wird JvB-Moto bald auflegen. Kunden können sie einzeln oder komplett bestellen und selbst an ihre Maschinen bauen. Etwa zwei Tage benötigen sie für den kompletten Umbau, Lackierung nicht eingerechnet. Bei der Radabdeckung aus Carbon steht noch nicht fest, ob vom Brauck die in Serie produzieren kann. Doch auch mit Stummellenker, schmaler Verkleidung und Höckersitzbank sieht seine Version sportlich aus – fast schon wie die Maschinen der späten 1970er-Jahre. Quelle: Fabian Hoberg |