Zwei Autos in einem - klingt praktisch? Das muss die Zukunft entscheiden. Fahrt im DS-Concept-Car mit echtem Rennsport-Motor, asymmetrischer Karosse und zwei Kabinen.
Vélizy-Villacoublay – Das Gefühl in diesem Auto ist ziemlich unvergleichlich: Dabei zusehen zu können, wie unter den Füßen des Passagiers die Steinchen gegen den Glasboden prasseln. Wie der Asphalt seine Textur verliert und zu grauem Rauschen wird. Außerhalb der Plexiglaskuppel bremst der Pilot im Darth-Vader-Helm den Elektro-Boliden hart ab und drückt damit den Magen des Passagiers (also meinen) in die kurvenäußere Ecke der mit rotem Leder und Federn ausgekleideten Kabine. Der Sicherheitsgurt ist eine Attrappe. Es ist heiß in dem geschlossenen Raum, ohne Belüftung und Klimatisierung fließt der Schweiß nach 2 Minuten. Quelle: DS Automobiles So unvergleichlich das ist: mit der Vision einer perfekten Symbiose aus luxuriösen Komfort und faszinierendem Sportwagen, die die edle PSA-Tochter DS mit diesem Auto vermitteln will, hat es wenig zu tun. Das macht nichts, denn der DSX E-Tense (die DS-Bezeichnung für elektrifizierte Antriebe) ist ein Schaustück, ein Concept Car – und gleichzeitig ein voll fahrfähiges Einzelstück. Andere Hersteller sparen sich bei ihren Showcars das „voll fahrbar“, dieser DS kann mit 200 kW Leistung 225 km/h Spitzengeschwindigkeit erreichen. "Bizarre", "formidable"Ermittelt hat DS diesen Wert hier, auf einem streng bewachten Flugfeld der französischen Luftwaffe. Wer hinein- oder hinauswill, braucht die Erlaubnis der Militärs. Die entpuppen sich nicht nur als gutgelaunte, frisch gebackene Fußball-Weltmeister. Sie sind auch ganz normale Autofans: Während unseres Pressetermins schaut gefühlt der halbe Stützpunkt vorbei und befindet den DSX E-Tense wahlweise als „bizarre“ oder „formidable“. Was die Leute von DS garantiert nicht hören, sind Worte wie „erwartbar“ oder „gewöhnlich“. Der asymmetrische Aufbau der zwei komplett unterschiedlichen Auto-Hälften irritiert das Auge. Die robuste und voll einsatzfähige Konstruktion verschafft dem Designerstück eine Körperlichkeit, die fragilen Showcars oft fehlt – da man ihnen ansieht, dass sie ausschließlich für Messebühnen gedacht sind. Der DSX erfordert zwar Umsicht, aber keine besondere Vorsicht. Mit dem Heulen einer zornigen S-Bahn brettert er auf seinen 22-Zoll-Sportreifen über das Flugfeld. Was will die PSA-Tochter hier zeigen? Nachdem mit dem DS7 Crossback das erste eigenständige DS-Modell im Handel ist, blickt die französische Marke etwas weiter in die Zukunft. Der DSX soll die Welten individueller Mobilität im Jahr 2035 zusammenbringen – symbolisiert in einer offenen Motorsport-Fahrerkabine auf der linken Seite und einem luxuriösen Reise-Kokon auf der rechten. Und er verbindet die Ideen der DS-Designer mit der Motorsport-Kompetenz, die DS in der elektrischen Formel E sammelt. Avantgarde oder abgehoben?Zwischen den beiden Kabinen gibt es keine Kommunikationsmöglichkeit. Wer fahren will, will sich aufs Fahren konzentrieren, sagt DS-Chefdesigner Thierry Metroz – und lässt einen wohlfeilen Witz über schweigsame Ehepartner an sich abperlen. Wer nicht fahren will, lässt sich autonom transportieren und genießt den Surround-Sound einer lasergefrästen Focal-Soundanlage oder einen Kaffee aus der integrierten Espressomaschine. Selbst die Uhr des Luxus-Fabrikanten BRM lässt sich wegklappen. Der DSX-Passagier soll kein Sklave der Uhrzeit sein müssen. Heutige Elektroautos findet Metroz „kühl und geschmacklos“. Fast alle Autohersteller wollten außerdem in den nächsten Jahren den Fahrer abschaffen. DS nicht: „Es kann sein, dass selbst Fahren in zwei Jahrzehnten ein Luxus ist. Wir wollen der persönlichen Mobilität diese Seele erhalten“, sagt Metroz. Das ist weit in die Zukunft gedacht. Abgehoben? „Avantgarde“ hören die Franzosen lieber. Der DSX soll auf die Identität der noch jungen Marke einzahlen und ihren Entwicklern einen Leitstern vorgeben. Heute baut, aus gutem Grund, niemand asymmetrische Autos. Allein der Aufwand beim Herausrendern der digitalen Designskizzen entspricht dem doppelten von normalen Autos. Gefiederter KuschelsitzViel Arbeit floss in zahllose Details. Die Beleuchtung haben die Franzosen fest in die Karosserie integriert, DS nennt das Gitter aus LED-Lichtern „Light Veil“. Sie lassen sich mit einer komplizierten Regelelektronik einzeln steuern. Vorn besteht das Lichtsystem aus 800 LED-Elementen, hinten sind es 300 – alle sind unterschiedlich groß und bilden ein scheinbar zufälliges Muster. An der Mechanik, die die schweren Türen sicher öffnet und schließt, arbeitete ein Techniker zwei Monate. Ebenso lange dauerte der Innenausbau der Cockpits. Das Fahrer-Cockpit reduzierten die Designer auf das Nötigste. Vor dem Fahrer ein Lenkrad und ein mit dem Info-Display hinterlegter Kristall, Gas, Bremse - das war es im Wesentlichen. Zum Konzept gehört statt eines Daches ein Integralhelm, der Sitz bewegt sich mit der Innenverkleidung. Die „passive“ rechte Kabine gerät im Vergleich geradezu eklektisch. Ein kuscheliger Ledersitz, oben mit echten Federn von Huhn und Ente verziert. Echtholz-Hifi-System, Kapsel-Kaffeemaschine und – der Glasboden. „Das wäre in der Produktion kaum durchzusetzen,“ gibt Thierry Metroz zu. Technik: 70 Kilometer VollgasDas war nicht das einzige Problem des Projekts. Das Schlimmste: Die Antriebstechnik von 2035 existiert noch nicht. Deshalb erhielt der DSX E-Tense einen Antrieb mit der Formel-E-Technik des Jahres 2018 – sowie tatsächliche und imaginäre Leistungsdaten. Ganz real steckt unter der Carbon-Karosse ein 200-kW-Elektroantrieb (272 PS). Wie groß der Akku ist, sagt DS nicht – „70 Kilometer Vollgas“ lautet die Einheit, in der man beim Motorsport-Team DS Performance rechnet. Von 0 auf 100 km/h soll es in 3,7 Sekunden gehen, etwas langsamer als in der Formel E, denn das Showcar ist mit rund zwei Tonnen Gewicht deutlich schwerer als die Rennautos. „Leicht wie eine Feder“, das geht bei einem so starken E-Auto nicht - jedenfalls nicht mit der Technik des Jahres 2018. Untermotorisiert wirkt das Showcar auf keinen Fall. Imaginär ist der DSX E-Tense trotzdem viel stärker. 400 kW (540 PS) bis 1.000 kW (1.360 PS) Peak-Leistung sollen ihn 17 Jahren antreiben. „Wir kennen das Tempo, in dem wir Fortschritte machen“, sagt ein DS-Antriebstechniker – 1.000 kW bei gleichzeitig guter Reichweite werde in einigen Jahren problemlos möglich sein. Chassis und Fahrwerk der Formel-E-Renner konnten wegen der Maße und des Aufbaugewichts nicht übernommen werden - anders als Motor, Getriebe, Inverter und Batterie. So musste für das Concept Car ein neues Fahrwerk entwickelt werden. Ein großer Aufwand für ein Einzelstück, aber: „Es ist unsere Philosophie, keine leeren Hüllen zu bauen, sondern echte Autos“, sagt Thierry Metroz. Nur so könne man etwas für die Zukunft lernen, die autonom, elektrisch und im Falle von DS möglichst eigenständig werden soll. Deshalb wollen die Franzosen nicht nur mit dem adaptierten Formel-E-Antrieb zahlreiche Tests durchführen und herausfinden, welche Elemente eine Zukunft auf der Straße haben. Auch die Ideen der Designer müssen sich im Windkanal beweisen. Einige, wie die X-Lichtsignatur und die farblich abgesetzte Motorhaube werde man sehr bald in Serie sehen, sagt der DS-Chefdesigner und widmet sich seinem Lachs-Quinoa-Salat. Jede Wette: Im Land des Fußball-Weltmeisters geht ohne gutes Essen auch in Zukunft nichts. DSX E-Tense: Technische Daten
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