Die Retrowelle rollt, mit dem Bestseller BMW R nineT vorneweg. Doch die Konkurrenz schläft nicht. Die spannendsten Nostalgie-Bikes 2018, Teil 1: Unter 10.000 Euro
Von Ralf Schütze 2013 hatte BMW eine Idee. Die Bayern drängten unerwartet mutig in den Markt der Retro-Bikes, den bis dahin neben Triumph nur Einzelmodelle bedienten. Die BMW R nineT sah vertraut aus, war aber ein völlig neuartiges Serienbike. Der klassische Schwarz-Weiß-Alu-Look früherer BMW-Ikonen wie R 75/5 lässt sie nostalgisch wirken. Bei genauerem Hinsehen jedoch bietet die R nineT modernste Technik und verlangt dem Klassikfan etwa in Sachen Sicherheit keinerlei Kompromisse ab. BMWs Nostalgieplan geht seitdem auf, und der Erfolg findet Nachahmer. Laut der Fachzeitschrift "Motorrad" ist der Markanteil der Retro-Bikes seit 2010 von rund 10 auf satte 26,54 Prozent gestiegen. Besser verkaufen sich derzeit nur sportliche Allrounder, und zwar mit 30,26 Prozent Marktanteil. Die Nostalgiewelle ist offenbar gekommen, um zu bleiben. Auch junge Biker pfeifen mittlerweile häufig auf reine Hightech-Bikes und neonfarbene Sicherheitsklamotten. Stattdessen schwingen sie sich in Kevlarjeans und Lederjacke auf die lederne Sitzbank eines nostalgisch wirkenden Motorrads mit modernster Technik. Hier eine subjektive Auswahl der interessantesten Retro-Bikes 2018. Teil 1: unter 10.000 Euro F.B Mondial HPS 125i
Die Historie der legendären italienischen Motorradmarke Mondial hat's in sich: Noch vor MV Agusta oder Gilera dominierte Mondial 1949 bis 1957 die ersten Jahre der modernen Motorrad-WM. 1929 von den fünf Boselli-Brüdern im lombardischen Manerbio gegründet, holte die Italo-Marke reihenweise Siege und Weltmeisterschaften: fünf Fahrer- und fünf Markentitel unter anderem durch den späteren MV-Agusta-Star Carlo Ubbiali. 2014 hat ein Boselli-Nachfahre den klangvollen Namen wiederbelebt. Heute entsteht in China mit Piaggio-Motoren unter anderem der 125er Retro-Café Racer HPS. Markante Merkmale wie die Lackierung zitieren klassisches Mondial-Design. Das wird zwar nur versierten Old Schoolern auffallen, es kann aber gleichzeitig jungen Käufern gefallen. Ein sympathisches Beispiel für die Wiederbelebung einer Legende, die gelungenes Retro-Flair mit echtem 125er-Fahrspaß verbindet. Moto Guzzi V7 III Stone
In Mandello am malerischen Comer See entstehen faszinierende Motorräder, das ist bekannt. Carlo Guzzi gründete 1918 mit Freunden die älteste noch produzierende italienische Motorradmarke. Liegende Einzylinder waren zunächst das Markenzeichen von Moto Guzzi. Seit 1966 und der Einführung der ersten Moto Guzzi V7 ist es der quer eingebaute V2 mit längs liegender Kurbelwelle. Retro in Reinkultur sind Modelle wie die V7 III Stone, die noch heute einige typische Merkmale des klassischen Guzzi-Antriebs aufweisen. Darunter: horizontal geteiltes Motorgehäuse, sogenannte Heron-Brennräume und eine Schwingenlagerung, die ins Getriebegehäuse integriert ist. Die Stone ist eine von derzeit vier V7-III-Varianten. Schon diese Basis gefällt in vier verschiedenen Farben und mit vielen mattschwarzen Bauteilen. Der aktuelle 750er-V2 ist die modernste Interpretation des klassischen Guzzi-Antriebs, der seine Kühlrippen links und rechts prägnant in den Fahrtwind streckt. Royal Enfield Interceptor und Continental GT 650 Twin
Quelle: Royal Enfield Die Inder mit britischen Wurzeln von Royal Enfield führen die Motorentradition der ehemaligen Kolonialherren fort und bieten ab Frühjahr 2018 einen echten Twin an. Jahrzehntelang diente ein 500-ccm-Einzylinder als Antrieb. Mit dem 48 PS starken, neuen Zweizylinder mit 648 ccm sollen die beiden Modelle Interceptor und Continental GT 650 Twin neue Fans zur alten Marke locken. Beide Royal-Enfield-Twins sind waschechte Retro-Bikes: Die Interceptor im Stile eines 60er-Jahre-Naked-Bikes, die Continental GT als sportlicher Café Racer. Der Charme des Designs mischt sich auf typische Retro-Art mit neuzeitlichen Errungenschaften wie Benzin-Direkteinspritzung, Anti-Hopping-Kupplung, ABS und ein neu entwickeltes Sechsgang-Getriebe. Preislich liegt Royal Enfield stets in besonders günstigen Regionen, sozusagen der Dacia der Zweiradbranche. Demnach sollten die mit der Führerscheinklasse A2 konformen Retro-Twins Made in India für unter 8.000 Euro zu haben sein. Suzuki SV 650 X
Eingefleischte Nostalgiker mögen die Nase rümpfen über Suzukis Café-Racer-Variante der beliebten, guten und günstigen SV 650. Aber sie gehört zu den interessantesten Retro-Bikes, allein aus Preis-Leistungs-Gründen. Schlicht SV 650 X nennen die Japaner ihren dezent gepimpten Mittelklasse-Bestseller. Wie die zivile Modellschwester SV 650 hält auch die X 76 PS Leistung sowie die ausreichende Schubkraft von 64 Newtonmeter Drehmoment bereit. „Puristisches, klassisches Design im Café Racer-Look“ nimmt Suzuki für sein Retro-Bike in Anspruch. Klingt vollmundig, aber immerhin sorgen Stummellenker, eine neue Gabelbrücke und davor eine halbrunde Verkleidung für leichtes Café-Racer-Flair – ergänzt durch schwarze Fußrasten und eine spezielle Sitzbank. Diese Suzuki ist keine Ausgeburt an Nostalgie, aber der Zubehörhandel hält verstärkende Maßnahmen bereit. Und für die hat man nach dem Kauf der günstigen SV 650 X noch reichlich Kleingeld übrig. Triumph Street Twin
„Hubzapfenversatz“ hört sich für Laien an wie ein gemeiner Zungenbrecher im Schauspielunterricht. Macht aber beim Motorrad aus einem schlicht klingenden Twin einen vermeintlichen, weil unregelmäßig bollernden V2. Der Trick, den Triumph unter anderem bei seinem relativ erschwinglichen Einstiegsklassiker Street Twin anwendet: Die beiden Pleuel drücken nicht auf selber Höhe oder gegenüberliegend auf die Kurbelwelle, sondern um 270 Grad versetzt. Ergebnis: Unregelmäßige Zündfolgen in einem Rhythmus, den Amerikaner bei V2-Motoren seit jeher lautmalerisch als „Po-ta-to, Po-ta-to“ beschreiben. Triumphs Street Twin klingt nicht nur so gut wie ein V2, sie sieht auch so gut aus wie ein Klassiker aus den Sixties – ideal zum flotten Ritt ins nächste Café. Apropos: Ein paar preisliche Etagen höher gibt es den 55 PS starken Zweizylinder (für Klasse A2 alternativ auf 48 PS umrüstbar) auch in der Triumph Street Cup als waschechten Café Racer – authentisch, aber auch um 1.400 Euro teurer. Yamaha XSR 700
„Sport Heritage“ nennt Yamaha seine Retrosparte. Dazu gehört die preislich attraktive XSR 700. Seit 2015 bietet sie sehr viel Motorrad fürs Geld. Die XSR zitiert mit moderner Technik und Funktionalität Yamahas Klassiker XS 650, dessen Produktion vor über 30 Jahren endete. Technisch ist die in Frankreich montierte XSR fast identisch mit dem Mittelklasse-Allrounder MT-07. „Faster Sons“ heißt die Philosophie, die hinter Yamahas Retro-Bike steckt: Das Design der Väter und die Technologie der Söhne vereinen sich zu klassischem Fahrspaß. Das Ergebnis: beinahe „Retro at it's best“ – unter anderem mit verziertem Alutank und Old-School-Beleuchtung. Zwar gehört die XSR 700 zu jenen als „Neo-Retro“ bezeichneten Bikes, die den Nostalgietrip nicht zu extrem verkörpern. Viele Motorradkäufer fahren aber auf den dezenten Stilmix aus Alt und Neu ab und genießen auf der Echtleder-Sitzbank der XSR unbeschwerteren Fahrspaß als mit manchem echten Klassiker. Weiterlesen: Teil 2 |