Neue Entwicklung im Abgasskandal des Volkswagen-Konzerns: Audi-Chef Rupert Stadler wurde gestern vorläufig festgenommen. Stadler wurde heute offiziell beurlaubt.
Quelle: dpa / Picture Alliance Hinweis: Dieser Artikel wird fortlaufend aktualisiert. Wolfsburg - In der Abgas-Affäre bei Audi ist Audi-Chef Rupert Stadler am Montag vorläufig festgenommen worden. Das hat der VW-Konzern in Wolfsburg bestätigt. „Darüber hinaus können wir uns vor dem Hintergrund der laufenden Ermittlungen inhaltlich nicht äußern. Für Herrn Stadler gilt weiterhin die Unschuldsvermutung“, hieß es aus dem Konzern. „Der Beschuldigte wurde der Ermittlungsrichterin vorgeführt, die den Vollzug der Untersuchungshaft angeordnet hat“, teilte die Staatsanwaltschaft München II mit. Als Grund nannte die Behörde Verdunkelungsgefahr. Stadler ist seit elf Jahren Audi-Chef. Schon in der vergangenen Woche hatte die Staatsanwaltschaft München II bekanntgegeben, die Ermittlungen auf Stadler und ein weiteres Mitglied des Audi-Vorstandes auszudehnen. Es kam zu Razzien in den Privatwohnungen der beiden Beschuldigten. Man habe Beweismaterial sicherstellen wollen, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Am Finanzmarkt kam Stadlers Festnahme nicht gut an. Für die VW-Aktie ging es am späten Vormittag abwärts, zuletzt lag sie mit fast zwei Prozent im Minus. Damit war die Aktie der größte Verlierer im Dax. Am Nachmittag sollte der VW-Aufsichtsrat tagen. Audi-Chef Rupert Stadler in UntersuchungshaftQuelle: dpa / Picture Alliance Der Vorwurf an beide Personen: Betrug sowie „mittelbare Falschbeurkundung“. Audi hatte Fahrzeuge mit manipulativer Abgassteuerungssoftware in Europa auf den Markt gebracht. Audi teilte mit, vollumfänglich mit der Staatsanwaltschaft zu kooperieren. Stadler soll nach der Aufdeckung der Manipulationen in den USA von den falschen Abgaswerten auch in Europa gewusst haben, aber anders als in den USA keinen Vertriebsstopp angeordnet haben. Die Ermittler stützten sich auf die Auswertung von Korrespondenz, verlautete aus Ermittlerkreisen. Im März 2017 und im Februar 2018 hatte es in der Audi-Zentrale in Ingolstadt und im Werk Neckarsulm Razzien gegeben. Neben Stadler sitzt als Beschuldigter auch ein ehemaliger Chef der Audi-Motorenentwicklung und Porsche-Entwicklungsvorstand in Untersuchungshaft. Er war im September 2017 verhaftet worden. Einer seiner früheren Mitarbeiter bei Audi in Neckarsulm war nach mehreren Monaten Untersuchungshaft im November 2017 wieder freigekommen. Audi soll in den USA und Europa von 2009 an rund 220.000 Dieselautos mit Schummelsoftware verkauft haben. Seit Ende 2015 hatten sechs Audi-Vorstände ihren Hut nehmen müssen. Gegen Stadler waren immer wieder Rücktrittforderungen laut geworden. Kritik aus der PolitikGrünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sieht die vorläufige Festnahme von Stadler als Folge von Versäumnissen im VW-Konzern. "Heute ist die Mär der Autoindustrie endgültig in sich zusammengefallen, beim Abgasskandal handle sich um die Verfehlungen einzelner Ingenieure", sagte Krischer der dpa. "Immer klarer wird: Das Tricksen und Betrügen ist in den Konzernen von ganz oben mindestens toleriert, wenn nicht sogar angeordnet worden. In fast drei Jahren seit dem Bekanntwerden des Abgasskandals haben es weder der VW-Konzern noch die Branche insgesamt geschafft, einen klaren Schnitt zu ziehen." Die Festnahme Stadlers zeige, wie wenig der Skandal und seine Folgen von VW und den anderen Autobauern offensichtlich ernst genommen worden sei. "Es ist gut, dass jetzt wenigstens Staatsanwälte versuchen, den größten Industrieskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte strafrechtlich aufzuarbeiten, wo die Bundesregierung kläglich versagt hat." Der FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic sagte, die Staatsanwaltschaft München habe die Aufgabe, die vorliegenden Vorwürfe eines Betruges und einer mittelbaren Falschbeurkundung ohne Verzögerung aufzuklären. "Die nun erfolgte Festnahme von Audi-Chef Stadler ist keine Bestätigung des Betrugsvorwurfs, wenngleich sie einem weiteren Eskalationsschritt in der Diesel-Affäre des VW-Konzerns gleicht. Grundsätzlich müssen sich aber nicht nur normale Angestellte, sondern vor allem die Top-Manager der Konzerne einem fairen, rechtsstaatlichen Verfahren stellen." Erster Nicht-Ingenieur an der Audi-SpitzeGeboren wurde Stadler am 17. März 1963 im oberbayerischen Titting. Als Sohn eines Landwirts wuchs er in der Region nördlich von Ingolstadt auf. An der Fachhochschule Augsburg studierte er Betriebswirtschaft. Nach seinem Abschluss als Diplom-Betriebswirt arbeitete er zunächst beim Elektro- und Gesundheitskonzern Philips in Nürnberg. Im Jahr 1990 wechselte Stadler zu Audi. Auf Stationen im Controlling in Ingolstadt und drei Jahren als Kaufmännischer Geschäftsführer bei Volkswagen-Audi in Spanien folgte ab 1997 der Karrieresprung: die Leitung des Büros des VW-Vorstandsvorsitzenden Ferdinand Piëch. Mitglied des Audi-Vorstands wurde Stadler 2003. Nach dem Aufstieg des damaligen Audi-Chefs Martin Winterkorn zum VW-Konzernchef wurde er als erster Nicht-Ingenieur 2007 Audi-Chef. Stadler ist Teil des VW-Konzernvorstands und gehört dem Aufsichtsrat des FC Bayern München an. Neuer Audi-Chef? Bram SchotNach der Verhaftung von Audi-Chef Rupert Stadler hieß es zunächst, der bislang unbelastete Audi-Vertriebschef Bram Schot solle vorerst an die Spitze des Autobauers aufrücken. Der Audi-Aufsichtsrat hätte der Personalie formal zustimmen müssen. Am Abend teilte VW mit: man habe sich nicht auf eine Interims-Vertretung für Stadler geeinigt. Der in den Niederlanden geborene Manager ist seit September vergangenen Jahres bei Audi. Schot wurde am 12. Juli 1961 in Rotterdam geboren. Er studierte an der Universität Bradford in England Betriebswirtschaft. 1986 begann er seine Karriere als Management-Trainee in der ABN-Amro-Bank, wechselte ein Jahr später zu Mercedes-Benz in den Niederlanden und war dort für den Vertrieb von Nutzfahrzeugen zuständig. Er wurde Landeschef von DaimlerChrysler in den Niederlanden, dann in Italien. 2011 wechselte Bram Schot zum VW-Konzern. Ab 2012 war er Vertriebschef der Volkswagen-Nutzfahrzeuge. Seit September 2017 ist der Manager bei Audi Vorstand für Vertrieb und Marketing. Update 19.06., 13:30 Uhr: Abraham Schot wird komissarischer Audi-ChefAudi meldet nun, dass Bram Schot doch komissarisch Rupert Stadler ersetzen wird. Stadler habe den Vorstand gebeten, ihn vorübergehend von seinen Aufgaben zu entbinden. Dieser Zustand soll solange andauern, bis der Sachverhalt um Stadlers Verhaftung geklärt ist. Stadler ist damit beurlaubt. Der Audi-Aufsichtsrat und der Aufsichtsrat des VW-Konzerns entschieden sich am Dienstagmittag für diese Interimslösung. Stadler habe selbst darum gebeten. Die Aufsichtsräte von Volkswagen und Audi hätten der Bitte entsprochen. "Die Entbindung wird vorübergehend vorgenommen, bis der Sachverhalt geklärt ist, der zu seiner Verhaftung geführt hat", teilte Audi mit.
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