Allzu fern ist diese Zukunft nicht: Unter großem Getöse lädt Volkswagen zum Prototypentest. Und zeigt dann nur angestaubte Brennstoffzellenware und optimierte Verbrenner.
Ehra-Lessien – In der Zukunft ist kein Platz für Smartphones. Am streng bewachten Tor zum Volkswagen-Testgelände nehmen uns Securitys die Mobiltelefone ab. VW schickt ausgewählte Motorjournalisten mit Prototypen aufs Test-Oval nahe Wolfsburg. Und die Antriebe der Zukunft soll niemand schon in der Gegenwart ungefiltert ins Netz stellen. Doch an diesem Tag wäre der Handy-Kalender wichtiger als die Kamera: Haben wir noch 2014? Damals präsentierte der Konzern Audi A7 und VW Passat mit Brennstoffzellen-Antrieb. Nun parken die Limousinen am Testgelände neben neuen Prototypen. Die fahren mit optimierten Verbrennern und E-Unterstützung. VW zeigt auf diesem "Future-Day" wenig Neues - zumindest was die fahrfähigen Prototypen angeht. Erdgas als Modell, Elektro als TeaserStatisch geht mehr: Einen Erdgas-Motor mit niedrigen NOx-Emissionen durch magere Verbrennung bei erhöhter Kompression sahen wir als Schnittmodell. Dafür ließ der Motorblock eines 2.0-Liter-Diesel sein Leben. Sollte der Motor in Serie gehen, bleibt es bei dieser Basis. Der rein batteriebetriebene Elektro-Prototyp Gen.E soll den Golf E in der Reichweite übertreffen. Er blieb in seinem Zelt. VW zeigt, ohne vorzuführen. Der Grund: Volkswagen hat in jedem technischen Feld eine Antwort parat, zumindest in der Theorie. Imagepflege nach dem Abgasskandal? Eher Risikostreuung. Denn welchen Antrieb in Zukunft der Markt verlangt, wüssten alle Hersteller gern. Dann könnten sie die Investition in die übrigen Konzepte einstellen. Die Entwicklung der hier gezeigten Antriebe begann lange vor der Affäre, erklärt VW. Knapp vier Jahre arbeiteten die Ingenieure zum Beispiel am sogenannten Lighthouse-Motor. Ein Leuchtturmprojekt. Das Ziel: So wenig Verbrauch – und damit Co2-Ausstoß – wie möglich. VW entwickelte einen Dreizylinder-Diesel mit 1,5 Litern Hubraum und Unterstützung durch ein 48V-Hybridsystem. Der Selbstzünder wurde mit vollvariablem Ventiltrieb an Ein-und Auslassseite, Wärmespeicher und variablem Kühlkreislauf ausgestattet. Die Einspritzdüsen feuern den Kraftstoff mit einem Druck von bis zu 3.000 Bar in den Brennraum. Je höher der Druck, desto feiner gelingt die Zerstäubung. Aktuelle Common-Rail-Aggregate schicken den Diesel mit etwa 1.000 Bar weniger ins System. Daneben sollen Maßnahmen zur Reibungsreduktion für Einsparungen sorgen. Verbrauchsangaben in Prozent statt LiternWie hoch der Verbrauch nun genau ist? VW spricht in Prozent, nicht in Litern. Im Motorraum eines VW Golf soll das 105 PS starke Aggregat rund 25 bis 30 Prozent weniger schlucken als die aktuellen Dieselmotoren der Reihe. Eine genaue Zahl lässt sich daraus nicht seriös herleiten. Eine 2 könnte vor dem Komma stehen. Auf der Teststrecke soll der Prototyp die Serienmodelle auch beim Stickoxidausstoß unterbieten. Vorteile gebe es vor allem bei hoher Last. Die Technologien lassen sich uneingeschränkt auf andere Modelle übertragen, verspricht VW. Zweifel stellen sich ein nach der Testfahrt. Das Einsparpotenzial wäre bei Serienmodellen um ein Vielfaches geringer als proklamiert. Der Diesel nagelt laut und nervt im Innenraum. Vermutlich, weil die Entwickler zugunsten des Fahrzeuggewichts an Dämmmaterial gespart haben. Außerdem läuft der Leuchtturm-Golf unrund und holprig. Das dürfte einem verkleinerten Schwungrad geschuldet sein. Die rotierende Masse sorgt für Laufruhe. Das Drehen der Scheibe kostet aber Kraft und Energie. Mehr Effizienz und weniger Gewicht sind schön und gut – doch in dieser Konfiguration wird VW diesen Golf nicht in den Schauraum stellen. Zurück in die Zukunft: Prototypen aus 2014Die Wasserstoff-betriebenen Fahrzeuge wirken ausgereifter. In Audi A7 H-Tron und VW Passat Hy-Motion versorgt eine Brennstoffzelle den Elektromotor mit Energie. Wenn der Fahrer vom Gas geht oder bremst, wird eine Batterie geladen. Der A7 lässt sich zudem über ein Ladekabel laden. Ihre Batteriereserven nutzen die Limousinen hauptsächlich für mehr Dampf beim Beschleunigen. Und der ist metaphorisch, weder Hy-Motion noch H-Tron zogen Wasserdampfwolken hinter sich her. Sie boten allerdings auch keine große Drehmomentshow. Viele Elektroautos beweisen aus dem Stand mehr Punch als der 100 kW (136 PS) starke Passat und der Audi A7 mit 170 kW (231 PS). Doch Brennstoffzellen-Fahrzeuge werden nicht an ihrer Performance gemessen, sondern an der Frage: Wann sind Preis und Alltagstauglichkeit marktreif? Letztere will der Volkswagen-Konzern mittels Investitionen in ein breiteres Wasserstoff-Tankstellennetz steigern. Die Kosten treibt das Platin in der Brennstoffzelle hoch. Es beschleunigt die chemische Reaktion zwischen Sauerstoff und Wasserstoff, aus der letztendlich Strom entsteht. Eine Alternative zum Edelmetall scheint nicht in Sicht, die Entwickler kommen aber mit immer dünneren Schichten aus. Fazit: Wenig spektakulär und unkonkret„Das erste Konzernfahrzeug mit Brennstoffzelle wird ein Audi sein“, sagen die VW-Techniker. Wird, nicht würde. Für herunterklappende Kinnladen sorgt das nicht. Und das nur zum Teil wegen des bereits erfolgten Marktstarts des Honda Clarity in den USA. Volkswagen kommt spät und bleibt unkonkret. Als Innovator kann man sich dafür nicht feiern lassen. |