Die G-Klasse von Mercedes gibt es seit fast 40 Jahren. Vom Bundeswehrmodell bis zum Nobel-Geländewagen reicht derzeit die Spanne. Wie fährt sich das Urvieh im Alltag?
Berlin – Es ist der satte Sound der Türen, der begeistert. Immer wieder. Ein lautes Rumms, gefolgt von einem tiefen Klack und einem satten Schmatzen. Auch nach Tagen bekommt man nicht genug davon. Dieses Geräusch steht exemplarisch für die Mercedes G-Klasse: ein aus dem Vollen gefräster Geländewagen, robust, stark und extrem geländegängig. Die Entwicklung begann vor rund 40 Jahren, stetig wurde die G-Klasse seitdem aktualisiert. Eine Form aus einer anderen Zeit, ohne viel Rücksicht auf Aerodynamik oder SUV-Zeitgeist. Der Benz wurde ursprünglich fürs Militär entwickelt, machte unter anderem bei der Bundeswehr als „Wolf“ Karriere. Doch wie gut ist das Urviech im Alltag? Test mit der Basis, dem Diesel G350 d. Abmessungen und Platzangebot: Groß vor allem außen Die hohe Sitzposition gibt einen guten Blick auf den Verkehr. Schließt die Tür mit sattem Sound, schiebt sich der Oberkörper automatisch in die Fahrzeugmitte. Wie ein etwas zu eng geschnittenes Slimfit-Hemd wirkt der Innenraum. Zwar lässt das Auto noch Platz zum Atmen, aber so richtig luftig ist es nicht. Im Laufe der Jahre wuchs die eher schmale Karosserie durch zusätzliche Airbags und dickere Verkleidungen nach innen – zu Lasten des Raumangebots. Auch auf den Rücksitzen könnte man in einem 4,76 Meter langen Auto mehr Platz vermuten. Die Kniefreiheit geht für Erwachsene noch in Ordnung, mehr wäre angenehmer. Ungewohnt für Fahrer von normalen Autos (ausgenommen VW Käfer, alte Porsche 911er und Land Rover Defender): die kleine und steile Frontscheibe, die dicht vor der Nase klebt. Innenraum: Hochwertige VerarbeitungTrotz der rustikalen Herkunft hat es Mercedes geschafft, den G im Laufe der Jahre zu verfeinern. Das kleine, aufgesetzte Cockpit wich einem breiten Träger mit zwei großen Uhren. Die Mittelkonsole hat Platz für den Dreh-Drück-Schalter des Mercedes-Comand-Systems und etwas zu viele Tasten und Knöpfe. Infotainment: In die Jahre gekommenZwei Rundinstrumente im Eistütenlook, eine breite Mittelkonsole und ein aufgesetzter Monitor. Mercedes belässt es im Cockpit klassisch. Virtuelle Anzeigen gibt es nicht, ebenso wenig wie umfangreiche Vernetzung. Im Vergleich zu anderen Mercedes-Modellen hinkt das Entertainmentsystem ein paar Jahre hinterher. Es lässt sich zwar einfach über das griffige Lederlenkrad bedienen, doch der kleine und unhandliche Dreh-Drück-Regler in der Mittelkonsole liegt ergonomisch ungünstig weit hinten. Zur Serienausstattung zählen Comand Online, Live Traffic, Rückfahrkamera, Notrufsystem und die Möglichkeit, das Smartphone zu verbinden. Die Surround-Anlage von Harman Kardon kostet 755 Euro Aufpreis, der TV-Tuner 1.000 Euro. Assistenzsysteme und Sicherheit: Kurze Optionsliste In den Scheinwerfern leuchten nur Bi-Xenonlampen und keine LEDs. Teilautonom fahren wie die E- und S-Klasse kann der G nicht, ebenso wenig selbstständig Einparken oder im Stop-and-go-Verkehr Gas geben oder die Spur halten. Die alte Konstruktion mit den beiden Starrachsen und der Kugelumlauflenkung lässt sich elektronisch schlecht steuern. Nächstes Jahr will Mercedes eine neue Version des G auf den Markt bringen. Dann mit elektromechanischer Servolenkung, die Lenkeingriffe für Assistenten zulässt – und damit eine zeitgemäße Sicherheitstechnik. Motor und Getriebe: Starker DieselDamit der 2,6 Tonnen schwere Geländewagen aus den Hufen kommt, benötigt er Kraft. Mercedes bietet seinen leistungsverwöhnten Kunden deshalb nur starke Motoren: neben dem G350 d gibt es einen G500 mit V8-Benziner (421 PS), AMG G63 (571 PS) und den Zwölfzylinder AMG G65 mit 630 PS. Der G350d scheint schon auf dem Papier die ökologisch beste Wahl zu ein. Der 3,0-Liter-V6 leistet mit Turbounterstützung 245 PS bei 3.600 Touren. Das volle Drehmoment von 600 Newtonmeter liegt zwischen 1.600 und 2.400 U/min. Damit rennt die fahrende Schrankwand von 0 auf 100 km/h in immerhin 8,8 Sekunden und fährt bis zu 192 km/h schnell. Dabei rasselt zuerst die Kette, dann schnattern die Ventile und schließlich tönt der Turbo. Die wahre Stärke zeigt der Antrieb da, wo der permanente Allradantrieb nützlich wird. Mit seinen drei 100-Prozent-Differenzialsperren und den beiden Starrachsen kommt der G fast überall durch. Nur Unimog und Leopard können ihm im Gelände das Wasser reichen. Auch kann der Geländewagen bis zu 3,5 Tonnen ziehen – ideal für Sportanhänger mit Pferden oder Booten, die oftmals im Schlamm trailern müssen. Fahrwerk und Lenkung: Robust und solideFahren in der G-Klasse wirkt Lkw-ähnlich. Zwei Starrachsen und eine mechanische Lenkung sorgen für schwerfällige und unpräzise Fortbewegung. Das Lenkrad steht im Vergleich zu vielen Pkw steiler, der Fahrer hockt oben auf dem Bock und der Wendekreis ist mit 13,60 Meter groß. Dazu arbeitet die Lenkung mit viel Spiel, indirekt und gefühllos. Es dauert ein paar Tage, bis wir geschmeidig durch die Kurven kommen. Wer den Dreh raus hat, fegt mit dem G durch den Kreisverkehr wie mit einem SUV. Im Gegensatz dazu schaukelt sich die Kabine aber stärker auf und neigt sich schnell zur Seite. Bei niedrigen Geschwindigkeiten und auf Landstraßen bügelt das hart abgestimmte, robuste Fahrwerk Schlaglöcher so leicht weg, als wären sie nicht vorhanden. Ausstattung, Preis und Kosten: Gut, aber sehr teuer Fazit: Der Diesel ist im Ansatz vernünftigSchön, dass es solche archaischen Autos noch gibt. Nach dem Aus von Land Rover Defender und Nissan Patrol (dem echten) bleibt das G-Modell als starker Naturbursche für gehobene Ansprüche fast allein übrig. Klar, die Konstruktion hat ein paar Jahre auf dem Blech, fährt sich wie ein komfortabler Lkw und braucht eine Menge Sprit. Doch genau das unterscheidet den kernigen Geländewagen von einem weichgespülten SUV. Mit noblem Innenraum, guter Verarbeitung und starkem Diesel. Der Motor ist in Deutschland die bessere Wahl im Vergleich zu den spritsaufenden V8- und V12-Benzinern. Nur der Basispreis von über 90.000 Euro schmerzt. Leider. Technische Daten Mercedes-Benz G350 d
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