Das neue E-Klasse Cabrio im Test: Komfort steht bei der offenen E-Klasse von Mercedes an erster Stelle - sogar für Passagiere. Erster Fahrbericht.
Von Michael Specht Courmayeur, Italien - Früher hatte Cabriofahren etwas mit Verzicht zu tun. Verzicht vor allem auf Komfort. Dafür jedoch gab es eine kräftige Portion Frischluft. Das Gegenmittel war die Lederjacke mit hoch geschlagenem Kragen – und los ging’s, ganz puristisch, cool wie James Dean. Käufern des neuen E-Klasse Cabrios dürfte das fremd sein. Kaum ein Lüftchen zaust die Haare. Nicht mal in einem Rolls-Royce Dawn genießt man Himmel und Sonne so störungsfrei wie in diesem viersitzigen Luxusliner. Die Mercedes-Ingenieure haben dafür tief in die Trickkiste gegriffen. Das Wohlbefinden der Passagiere stand bei der Entwicklung ganz weit im Vordergrund. Vor allem das der Fond-Passagiere. Vermutlich haben die Aerodynamiker im Windkanal den Dummy-Puppen kleine Wollfäden an die Glatzen geklebt oder ihnen Perücken aufgesetzt, um exakt zu erkennen, wo es um die Ohren herum zieht. „Windtechnisch wird gewöhnlich die hintere Mitfahrt schon bei Tempo 40 unangenehm“, sagt Marijan Celig. Der Mercedes Produktmanager berichtet, seine Kinder hätten im neuen E-Klasse-Cabrio nicht einmal bei Tempo 120 über zu viel Wind gequengelt und weiterhin munter an ihren Handys gespielt. Mercedes E-Klasse Cabrio 2017 (A238): Aircap für WindstilleEine der Hauptgründe für die Stille heißt "Aircap". Das ist der ausfahrbare Spoiler oben am Rahmen der Windschutzscheibe. Hässlich sieht er aus, aber durch das Gittergewebe und das gleichzeitig ausfahrende Windschott hinter den Rücksitzen herrscht Ruhe über den Köpfen. „Hinter der Frontscheibe bildet sich eine Art beruhigter Luftsee“, erklärt der Designer des E-Klasse Cabriolets, Uwe Haller das Phänomen. Ein Grund, warum es nach Meinung von Mercedes nicht unsinnig ist, dem Luftsee sogar feindosiert einen ölbasierten Duftstoff zuzufügen – natürlich extra für dieses Fahrzeug entwickelt. Er nennt sich „Daybreak Mood“. Wir wollen nicht riechen, sondern fahren. Und starten den Sechszylinder-Biturbo-Benziner im Testwagen. Der E400 4Matic bildet die Topmotorisierung des E-Klasse Cabrios, so lange, bis AMG mit seinen Power-Versionen nachzieht. Der Dreiliter-V6 leistet 333 PS und 480 Newtonmeter Drehmoment. Man muss keinen Nobelpreis in Physik haben, um zu ahnen, dass dies mit der serienmäßigen Neungang-Automatik zu einer äußerst geschmeidigen Art der Fortbewegung führt. Souverän in allen Belangen. E-Klasse Cabrio: Akustik-Verdeck sorgt für RuheMercedes bietet das E-Klasse-Cabrio auch als Vierzylinderversion E 200 und E 300 sowie mit Dieselmotor (E 220 d und E 350 d) an. Wir finden, der V6-Benziner passt am besten zum Charakter des Autos. Wer sparen will sitzt sowieso im falschen Auto. Der neue OM 654 mag ein ganz feiner Diesel sein, das E-Klasse Cabrio ist aber kein Kilometerfresser für Handelsreisende. Es ist ein eleganter Cruiser. Und wer 60.000 oder 70.000 Euro für den Luxus des Offenfahrens ausgibt, muss nicht 3,50 Euro an der Tankstelle sparen. Bemerkenswert ist die Ruhe im neuen Mercedes-Cabrio, nicht nur bei heruntergeklapptem Verdeck. Geschlossen wird es erst richtig still. Die „Mütze“ besteht aus diversen wattierten Schichten und steht dem Rest der Karosserie gut. Sie sitzt perfekt und soll laut Daimler problemlos bis Tempo 50 auf und zu gehen. Unser Testwagen verweigerte allerdings die Arbeit schon bei 32 km/h. E-Klasse Cabriolet: Die Abmessungen legen zuGegenüber dem Vorgänger (A207) wuchs das Cabriolet der E-Klasse um zwölf Zentimeter auf 4,83 Meter. Die Breite nahm um sieben der Radstand um elf Zentimeter zu. Das bekommen die hinteren Fahrgäste zu spüren. Die Beinfreiheit ist so üppig, da kann nicht mal das S-Klasse-Cabrio mithalten. „Bestwert im Segment“, kommentiert Produktmanager Marijan Celig kurz und knapp. Quelle: Daimler Auch beim Kofferraum versuchten die Entwickler herauszuholen was ging. Liegt das Verdeck zusammengefaltet unter dem Heckdeckel, bleiben von den ursprünglichen 385 Liter noch 310 übrig. Wer mehr Platz benötigt, kann die Rücksitzlehnen umklappen. Das geht per Knopf vom Kofferraum aus. Früher gab es nur eine Luke für die Skier. Mercedes verspricht, dass selbst ein Golftasche hineinpasst. Allerdings nur eine. Das Spielgeschirr der Partnerin muss auf den Rücksitz. Zu zweit unterwegs lässt sich für noch mehr Open-Air-Komfort ein weiteres Windschott aufspannen. Es wölbt sich muschelartig über die Rücksitze. Von Lederkragen, Coolness und traditionellem Cabrio-Feeling ist das Ganze natürlich Lichtjahre entfernt. Ebenso vom ersten E-Klasse Cabrio (124er-Baureihe), das die Stuttgarter 1992 auflegten. Damals ein mutiger Schritt. Es war wenig los auf dem Markt und viele dachten, viersitzige Cabrios hätten keine Zukunft. Mercedes selbst hatte 1992 nur den SL im Programm. Und heute? Sieben Cabrios, mehr als jeder andere Hersteller. Technische Daten Mercedes E-Klasse Cabriolet
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