Drei Minuten tanken, 400 Kilometer elektrisch fahren: Cool, findet unser Autor. Er fuhr mit dem wasserstoffbetriebenen Toyota Mirai durch Deutschland und testete die Zukunft in der Gegenwart.
Von Michael Specht Hamburg - Schade, dass die Technik noch so teuer ist. Im Prinzip wäre die Brennstoffzelle schon heute der absolute Knaller. Keine Emissionen, elektrischer Antrieb, superleise und drei Minuten tanken für 400 bis 500 Kilometer Reichweite. Nicht nur in der Theorie, auch in der Praxis. Das haben wir auf einer Deutschlandfahrt probiert. Wer sich dieses Stück Zukunft schon heute gönnen möchte, muss an Toyota gut 80.000 Euro für einen Mirai überweisen. Auf ähnlichem Niveau wird sich nächstes Jahr der Mercedes GLC Fuel Cell bewegen. Hyundai schickt ebenfalls 2018 den Nachfolger des iX35 Fuel Cell auf die Straße. Es soll ein größeres SUV-Modell werden, wie zu hören ist. Alle Preise sind von den Herstellern stark subventioniert. Sonst wäre noch kein Fuel-Cell-Car auf der Straße. Immerhin, es tut sich langsam etwas an der Wasserstofffront. Zu verlockend sind die Vorteile der Brennstoffzelle. In ihr entsteht in einem chemischen Prozess aus Wasserstoff und dem Sauerstoff aus der Luft Strom. Dieser treibt einen Elektromotor an. Als Endprodukt tröpfelt nur Wasser aus dem Auspuff. Keine giftigen Abgase, keine Katalysatoren und keine aufwändige Harnstoffeinspritzung. Wasserstoff ungleich grüner WasserstoffWeitere Vorteile: Wasserstoff muss nicht importiert, sondern kann lokal produziert und verbraucht werden. Er lässt sich gut lagern und falls nötig über lange Strecken fast verlustfrei transportieren, anders als Strom. Wasserstoff ist praktisch unbegrenzt vorhanden, allerdings stets in gebundener Form. Durch Elektrolyse lässt er sich aus Wasser abspalten, er kann aus Erdgas gewonnen werden oder entsteht als Nebenprodukt der Großchemie. Weltweit werden jährlich rund 50 Millionen Tonnen Wasserstoff produziert. Das würde reichen, 250 Millionen Autos 20.000 Kilometer fahren zu lassen. In einem Kilogramm Wasserstoff steckt viermal so viel Energie wie in einem Kilogramm Benzin (ca. 1,3 Liter). Öko ist Wasserstoff aus elektrolytischer Erzeugung nur, wenn der benötigte Strom aus regenerativen Quellen stammt. Dies verspricht uns Vattenfall für unsere Mirai-Tour beim Start in Hamburg. In der Hafen-City versorgt eine Wasserstofftankstelle die Linienbusse des HVV sowie einige private Brennstoffzellenautos. Vattenfall versucht, möglichst den Strom für die H2-Herstellung zu nehmen, der überschüssig anfällt. Beispielsweise, wenn nachts die Windräder viel Strom generieren. Andernfalls, das passiert in Deutschland, müsste dieser Strom ins Ausland verschenkt oder die Flügel der Windräder arretiert werden. Energie aus Wind und Sonne gilt in der Strombranche als „unkontrollierbar“. Auch das macht Wasserstoff als Speichermedium attraktiv. Erster Tankstopp: MünsterAn einer Anlage der Tankstellenkette Westfalen in Münster, 281 Kilometer von Hamburg entfernt, halten wir erstmals zum Tanken. Nötig wäre das noch nicht gewesen, denn in Hürth bei Düsseldorf steht die nächste Zapfsäule. Allerdings ausschließlich für Busse. Warum wir nicht nach Hürth fahren? Dort wird mit 350 anstatt 700 bar Druck betankt und der Wasserstoff fürs Befüllen nicht auf minus 41 Grad heruntergekühlt. Zur Not lässt sich zwar auch ein Pkw (Zapfanschluss ist identisch) betanken. Der Tank wird dann aber nur halb voll. Nächste Station: Limburg an der A3. Auf dem Weg dahin ist Zeit, die Stärken des Toyota Mirai zu genießen: weiche Federung, kaum Windgeräusche und vom Antrieb ist überhaupt nichts zu hören. Eine angenehme Reiselimousine. Dazu kommt das gute Gefühl, keinen Dreck in die Luft zu pusten. Wir verbrauchen auf unserer Tour rund ein Kilogramm Wasserstoff pro 100 Kilometer. Den Normwert gibt Toyota mit 0,76 kg/100 km an. Das ist nur zu schaffen, wenn man über Landstraßen kriecht. Derzeit kostet das Kilo 9,50 Euro, ein künstlich festgesetzter Preis der Clean Energy Partnership CEP. Das Busunternehmen in Hürth tankt für 3,80 Euro das Kilo. Dessen Wasserstoff stammt aus einer Chemiefabrik, die Natronlauge und Chlor herstellt. Wie viel der Wasserstoff später einmal kosten wird, wenn mehr Brennstoffzellenautos unterwegs sind, weiß niemand. Günstiger als heute wird er sicher. Apropos sicher. An vielen Stammtischen herrscht immer noch die Meinung, mit Wasserstoff hätte man eine Knallgas-Bombe unterm Hintern. Völliger Blödsinn. Weitaus gefährlicher ist Benzin, das bei einem Unfall auslaufen und sich unterm Auto entzünden kann. Wasserstoff ist nicht explosiv, nicht selbstentzündlich und auch nicht brandfördernd. Er würde, falls mal eine Leitung reißen sollte, lediglich ausströmen und nach oben entweichen. Der Tank selbst ist stabil wie ein Tresor. Für die Zulassung gibt es sogar einen Beschusstest. Dagegen ist ein Benzintank so dünnhäutig wie eine Tupperdose. Big in Japan und KalifornienWasserstoff ist nicht nur als Kraftstoff im Auto eine attraktive Lösung. Das zeigen Nutzungsbeispiele, die wir auf unserer Tour sehen. Das Hotel Radisson Blue in Frankfurt nutzt die saubere Energie für Strom und für Heizung. Die Firma FRIATEC in Mannheim braucht Unmengen an Strom und Heißdampf (bis 370 Grad Celsius) für die Herstellung von Steinzeug. Das Unternehmen rüstete dafür jüngst auf eine Hochtemperatur-Brennstoffzelle um. Die war zwar teuer in der Anschaffung, rechnet sich aber langfristig und spart 3.000 Tonnen CO2 im Jahr. In Stuttgart, dem Ziel der mehr als 700 Kilometer langen Mirai-Tour, präsentierte die DLR (Deutsche Luft- und Raumfahrt Gesellschaft) das erste Flugzeug mit Brennstoffzellenantrieb. Der Viersitzer schafft bereits knapp 800 Kilometer bei einem Tempo von 80 Knoten (144 km/h). In 15 Jahren will man technisch so weit sein, 40 Passagiere mit 230 Knoten 2.000 Kilometer weit zu befördern. Dann allerdings mit flüssigem Wasserstoff. Zurück zum Auto: Vom Mirai hat Toyota bislang weltweit etwa 3.600 Einheiten verkauft, knapp die Hälfte davon in Japan, die anderen fast alle nach Kalifornien. 100 Mirai fahren in Europa. Etwas weniger sind es beim Hyundai ix35. Das Versorgungsnetz in Deutschland besteht derzeit aus 30 Anlagen. Die jüngste wurde vor wenigen Tagen in Wiesbaden eingeweiht. Bis Ende 2018 will H2 Mobility 100 Säulen (Stückpreis rund eine Million Euro) aufgestellt haben, 2023 sollen es dann 400 Zapfsäulen sein. Deutschland wäre damit Wasserstoff-Weltmeister. Fazit: Schon heute kann man bequem mit Wasserstoffantrieb durch Deutschland reisen und muss dabei nicht mal groß seine Gewohnheiten umstellen. Drei Minuten tanken, 400 Kilometer fahren. Dagegen hat kein aktuelles Elektroauto eine Chance. Die Brennstoffzellentechnik ist mehr als vielversprechend, muss aber noch deutlich günstiger werden. |