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Umweltverband kritisiert Diesel-Expertengruppe - Zu nett zum Verbrenner

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Während die Regierung mit Verweis auf Diesel-Expertengruppen eine EU-Klage wegen Stickoxiden abwehren will, gibt es in dem Gremium Ärger. Der BUND trägt das Ergebnis nicht mit.

Der Umweltverband BUND will den Abschlussbereicht einer Diesel-Expertengruppe zur Zukunft von Antriebstechnologien nicht mittragen Der Umweltverband BUND will den Abschlussbereicht einer Diesel-Expertengruppe zur Zukunft von Antriebstechnologien nicht mittragen Quelle: dpa/Picture Alliance

Brüssel/Berlin – Mit Hinweis auf das "Sofortprogramm Saubere Luft" und die Arbeit mehrerer Expertengruppen, die Maßnahmen zur Reduzierung der Schadstoffbelastung in den Städten erarbeiten sollen, will die Bundesregierung eine EU-Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gegen Deutschland abwenden. Wegen zu hoher Stickoxidbelastung in 28 deutschen Ballungsräumen hatte die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.

Für den 30. Januar lud Umweltkommissar Karmenu Vella Deutschlands nun Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) nach Brüssel. Dort will Hendricks die eingeleiteten Maßnahmen vorstellen.

"Das Bundesumweltministerium wird der Einladung natürlich nachkommen", sagte ein Ministeriumssprecher am Mittwoch in Berlin. Man werde in Brüssel unter anderem über das im November mit den Kommunen beschlossene Sofortprogramm berichten - "verbunden mit der Hoffnung, dass die Kommission diese Bemühungen anerkennt."

Als Hauptursache der überhöhten Werte gelten Dieselfahrzeuge. „Dieses Treffen sollte als letzte Chance angesehen werden, die Schritte zur Verbesserung der Situation aufzuzeigen", heißt es in Vellas Schreiben. Gemeinsam mit Hendricks wurden die zuständigen Minister von acht weiteren Ländern geladen, in denen ebenfalls die Grenzwerte überschritten werden.

BUND will keine Diesel empfehlen

Zuletzt hatte Hendricks gemeinsam mit Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU) die Kommission gebeten, das Verfahren nicht voranzutreiben. Man erwarte, dass es "in einem absehbaren Zeitraum zu einer spürbaren Reduzierung der Stickstoffoxidbelastung" kommen werde, heißt es in einem Schreiben vom 9. Januar.

Dumm für die Bundesregierung: In den Expertengruppen gibt es gravierende Misstöne. Die Umweltschutz-Organisation BUND will den Abschlussbericht eines der Gremien nicht mittragen, an dem der Verband beteiligt ist. Das Dokument weise „schwere Mängel“ auf. Es geht um diejenige der vier Expertengruppen, die über die "Optimierung von Antriebstechnologien und alternative Kraftstoffe" beraten sollte. Deren Abschlussbericht ist seit Dezember fertig, aber noch unter Verschluss.

Die Umweltschutzorganisation kritisiert, dass die Gruppe unter Leitung des Wirtschafts-Staatssekretärs Matthias Machnig nur „behutsam“ weg vom Verbrennungsmotor wolle. Kritikpunkt eins: Diesel, die die neue Abgasnorm Euro 6d einhalten, würden im Bericht "uneingeschränkt empfohlen". Mit Blick auf den Klimaschutz müsse "Ziel des Handelns eine Reduktion des Anteils von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren sein".

Nächster Kritikpunkt des BUND: Der Bericht stelle fest, dass die Autobauer ihre Flottenwerte für CO2 nicht einhalten könnten, wenn die Kunden keine Diesel mehr kaufen. "Dass ein wesentlicher Treiber hoher CO2-Werte aber vor allem der anhaltende Trend zu immer größeren, schwereren und leistungsstärkeren Fahrzeugen ist, bleibt im Bericht unerwähnt", schreiben die Umweltschützer.

Ein weiterer Kritikpunkt sind aus Sicht der Umweltschützer zu unkritische Bewertungen von synthetischen und Biokraftstoffen. Diese Technologie wirke "attraktiver, als sie es in der Realität ist". Die Elektromobilität erhalte dagegen viel zu wenig Raum. Und: die Nachrüstung von Benzinern mit Partikelfiltern werde nicht erwähnt.

Industrie fordert Technologie-Offenheit

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace forderte von der Bundesregierung rasche Lösungen beim Thema Stickoxidbelastung. "Die Bundesregierung darf Deutschlands Stickoxidproblem nicht weiter auf Kosten der Gesundheit von Stadtbewohnern aussitzen", sagte Verkehrsexpertin Marion Tiemann. Berlin müsse den Städten bundeseinheitliche und wirksame Werkzeuge an die Hand geben. Dazu sei eine blaue Plakette notwendig.

Ob die Ergebnisse aus den Expertengruppen in der Lage sein werden, gerichtlich erzwungene Fahrverbote in deutschen Städten zu verhindern? Das bleibt abzuwarten. Bisher sind die Ergebnisse nicht veröffentlicht. Das Bundeswirtschaftsministerium, das die Expertengruppe geleitet hat, teilte auf Nachfrage mit: dabei bleibt es auch, der gesamte Bericht werde vorerst nicht veröffentlicht. Er fließe wie die Berichte der anderen Gruppen "in die weiteren Arbeiten und Analysen des Nationalen Forums Diesel mit ein".

Während der BUND einen stärkeren Fokus auf Elektromobilität fordert, fordert die Autoindustrie von der Politik technologieoffene Zielvorgaben. Denn im Moment forscht die Industrie an vielen möglichen Antriebskonzepten. Insbesondere in synthetischen Kraftstoffen sieht die Branche das Potenzial, Verbrennungsmotoren in Zukunft sauber und CO2-günstig betreiben zu können.

Für Dieselfahrer könnte kurzfristig ein Gerichtsurteil in Leipzig wichtiger werden. Das Bundesverwaltungsgericht wird voraussichtlich am 22. Februar entscheiden, ob Dieselfahrverbote nach aktueller Rechtslage möglich sind. Dabei geht es um Düsseldorf und Stuttgart. Das Urteil dürfte aber bundesweite Bedeutung haben. (bmt)

 

 

 

Quelle: m. Material v. dpa

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