Audi E-Tron 55 Quattro (2018) im Test: Fahrt, Preis, technische Daten
Der E-Tron fährt anders als andere Audi
Audi mal ganz anders: Der E-Tron fährt elektrisch und, Überraschung, heckbetont. Erste Fahrt im ersten Elektroauto aus Ingolstadt, das sich nicht immer nach Audi anfühlt.
- Audi E-Tron: Elektro-SUV ab 79.900 Euro
- Zwei Elektromotoren, hecklastiger Antrieb
- 95 kWh Akkukapazität, 150 kW Ladeleistung, 300 kW Motorleistung
- Sanfter Übergang zwischen Rekuperationsbremse und Scheibenbremse
Bitterwasser – Gut, vielleicht haben wir etwas übertrieben. Natürlich fühlt sich der E-Tron in ganz vielen Punkten nach Audi an. Er sieht aus, riecht und sitzt sich wie ein Audi-SUV. Vieles an ihm kennt man von anderen Audi-Modellen, vor allem die Bedienung. Aber er fährt sich eben ganz anders.
Zum einen liegt das daran, dass der E-Tron rein elektrisch fährt. Einen Verbrenner wird es nicht geben, aber: pro Achse einen Elektromotor, dazwischen einen großen Akku. Das ist neu bei Audi, bisher waren Plug-in-Hybride das Elektrischste im Sortiment aus Ingolstadt. Jetzt gibt es einen reinen Stromer.
Viel erstaunlicher ist aber, wie sich der E-Tron bewegt. Denn er kommt nicht mit der fest ankonstruierten, schweren Audi-Nase. Sondern mit einer gleichmäßigen Gewichtsverteilung, mit einem hecklastigen Antrieb und einem komplett deaktivierbaren ESP. An dieser Stelle sei bereits verraten: Ja, er driftet. Wenn es ein soll, geht er sogar verdammt quer.
Audi E-Tron Quattro: Ein SUV als erstes Elektroauto
Natürlich braucht man diese Fähigkeiten nicht in einem Auto, das für Familien passt (und nicht RS, M oder AMG heißt). Aber etwas musste Audi tun.. Tesla hat Jahre Vorsprung am Markt, Jaguar immerhin Monate. Die pure Existenz eines elektrischen Audi genügt also nicht. Er muss Dinge besser können und anders machen. Tesla glänzt mit wahnwitzigen Beschleunigungswerten, einem eigenen Ladenetz und dem Pionier-Status. Audi muss in Details eintauchen, um etwas Pionier sein zu dürfen. Der E-Tron ist „das erste Elektroauto, das …“ nunja, sehr viele Sachen macht.Zum einen wäre da die Sache mit dem ESP (und dem Drift*). Dann die höchste Ladeleistung im Segment (150 kW), eine kluge Kühlung des gesamten Antriebs und ein bisher einzigartiges Bremssystem. Der E-Tron rekuperiert auch dann, wenn der Fahrer die Fußbremse nutzt. So komfortabel lösen andere Hersteller dieses Detail nicht. Man merkt an vielen Stellen: Audi hat nutzt die Erfahrungen der Konkurrenz, um selbst Fehler zu vermeiden.
Kein Sprinter, aber ein Intervall-Sportler
Daraus folgt, dass der E-Tron dem Markt nicht blind folgt. Auf ein Beschleunigungsduell mit Tesla, Jaguar oder Mercedes EQC lässt er sich nicht ein. Dafür ist er zu schwach, zu schwer und falsch abgestimmt - in dieser Reihenfolge. Seine Motoren rupfen beim Anfahren nicht brutal an den Achsen. Auf den ersten Metern achten sie stets auf die Traktion, erst dann kommt mehr Saft an.Die typische Elektroauto-Charakteristik spürt man trotzdem. Kraft (je nach Untergrund) ab dem ersten Moment, untermalt von einem Surren. Acht Sekunden lang sprintet er im Overboost mit 300 kW, danach etwa eine Minute lang mit 265 kW. Die Dauerleistung liegt bei gut 100 kW, genug zum Halten der Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h. Bis Tempo 100 vergehen 5,7 (Boost) bis 6,6 Sekunden (265 kW).
Längst keine Spitzenwerte im Segment, besonders Tesla ist viel schneller. Audi setzt stattdessen auf Konstanz: Eine Wasserkühlung im Rotor des Elektromotors stellt Peak- und Höchstleistung zügig wieder her. Von der Drosselung dürfte man im Alltag nichts bis wenig spüren. Selbst dann nicht, wenn man einen Anhänger ankoppelt. Der E-Tron darf bis zu 1,8 Tonnen ziehen.
Erste Fahrt im Audi E-Tron: Fühlt sich leichter an, als er ist
Im Audi E-Tron Quattro trifft hohes Gewicht auf einen niedrigen Schwerpunkt. Seine Kraft macht ihn geradeaus schnell, die Kraftverteilung erreicht das in den Kurven. Diesseits seines Limits lässt er sich präzise zirkeln. Per Bremseingriff kommt mehr Moment an den äußeren Rädern an und drückt ihn um den Knick. Trotz Länge und Gewicht wedelt er entspannt durch den Slalom.Je nach Fahrmodus fährt der Audi E-Tron gediegen bis knackig. Wer im Sport-Programm die Traktionskontrolle abstellt, kann das Heck mit einem Gasstoß locker aus der Spur rutschen lassen. Wenn es sein muss, zieht ein kleines Restmoment an der Vorderachse den Wagen wieder gerade. Wenn nicht, driftet er. Je nach Ambition sogar mit beachtlichem Winkel.
Zugegeben: Zur Demonstration seiner wilden Seite war der E-Tron auf einem Salzsee unterwegs. Beim Rutschen fühlt sich das ungefähr wie pappiger Schnee an. Auf Asphalt wird das schwerer fallen. Mit bis zu 5.800 Newtonmeter Drehmoment an den Rädern sollte es aber möglich sein.
Kluge Rekuperation und futuristische Außenspiegel im Audi E-Tron
Zurück zum ganz normalen Fahren. E-Tron-Piloten sollen sich so wenig wie möglich umgewöhnen müssen. Deshalb verzögern zunächst nur die Elektromotoren, wenn man die Fußbremse benutzt. Dabei gewinnen sie Strom. Erst bei starkem Bremsen (mehr als 0,3 g) reiben die Bremsbeläge an den Scheiben. Vorher ist die Bremse mechanisch abgekoppelt.Innen orientiert sich der E-Tron an den aktuellen Limousinen. Einziger Unterschied: Optional bietet Audi virtuelle Rückspiegel an. Außen filmt eine Kamera, innen zeigen Displays in den Türtafeln die Bilder. Ein kleiner Vorteil beim Luftwiderstand erfordert allerdings einiges an Umgewöhnung – man blickt aus Gewohnheit auf die Kameras, nicht auf die Monitore. Mit dem Ellenbogen an der Fensterkante verdeckt das Handgelenk das Display.
Aerodynamik ist wichtig im E-Tron, denn bei Elektroautos wie dem E-Tron zählt Reichweite. Audi notiert im Idealfall einen cW-Wert von 0,28 (zu multiplizieren mit einer riesigen Stirnfläche). Auf langen Strecken soll sich der schlanke, digitale Spiegel-Ersatz tatsächlich bemerkbar machen. Der Aufpreis (bisher unbekannt) wird den Nutzen aber kaum ausgleichen.
Irgendwann ist der Akku auf jeden Fall leer, unabhängig vom Spiegelgehäuse. Audi beziffert die Reichweite des E-Tron mit mehr als 400 Kilometern. Danach kommt man um längere Pausen nicht herum. Aber der E-Tron soll schneller laden als andere Elektroautos. Audi gibt an, dass der E-Tron 150 kW Ladeleistung bis zu einem Akkustand von mehr als 80 Prozent halten kann. Die Konkurrenz regelte in Tests schon früher runter, weil der Akku zu warm wird. In der Praxis wäre das Elektro-SUV dann früher wieder einsatzbereit.
Audi E-Tron: Preis
Die Schwächen der Elektromobilität konnte Audi nicht wegzaubern: Der E-Tron ist schwer (knapp 2,5 Tonnen), teuer (ab 79.900 Euro) und auf langen Strecken nicht so praktisch wie ein Diesel. Dafür ist er leise, modern und vollgepackt mit guten Ideen. Manche Dinge kann er sogar besser als bekannte Größen auf dem Markt. In seinem Segment gehört er ausstattungsbereinigt zu den günstigen Autos.Audi möchte das Elektro-SUV schnell in großen Mengen bauen. Das ganze Werk in Brüssel kümmert sich nur noch um den E-Tron, mehr als 10.000 Vorbestellungen seien bereits eingegangen. Die Pouch-Zellen für den Akku kommen von LG, die Montage der Batterie übernimmt Audi.
Serienmäßig gibt es im Audi E-Tron ein großes Navi mit Online-Funktionen und digitalen Instrumenten, Ladegeräte mit 11 kW (AC) bzw. 150 kW (DC), Zwei-Zonen-Klima, 19-Zöller und ein Luftfahrwerk. Optional gibt es 22 kW Ladeleistung (AC), virtuelle Außenspiegel, einen zweiten Ladestecker auf der Beifahrerseite und eine Anhängerkupplung. Außerdem bietet Audi eine Ladekarte an, die bei einem Großteil aller Ladesäulen-Anbieter funktioniert. Langfristig übernimmt der E-Tron die Bezahlung.
Die Produktion des E-Tron läuft bereits. Bisher lässt sich das Auto nur reservieren. Die ersten Auslieferungen sollen noch 2018 (Kalenderwoche 47) folgen. Zur gleichen Zeit öffnen die Bestellbücher. Über eine ausführliche Fahrt mit Ladestopp berichten wir Anfang Dezember.
Audi E-Tron: Technische Daten
- Antrieb: Pro Achse eine Drehstrom-Asynchronmaschine
- Getriebe: Feste Übersetzung
- Leistung Motor vorn: 125 kW (Höchstleistung), 135 kW (Peak)
- Leistung Motor hinten: 140 kW (Höchstleistung), 165 kW (Peak)
- Drehmoment Motor vorn: 247 Nm
- Drehmoment Motor hinten: 314 Nm
- Systemleistung: 265 kW (Höchstleistung), 300 kW (Peak)
- Systemdrehmoment: 561 (Höchstmoment), 664 NM (Peak)
- Akkukapazität: 95 kWh
- Verbrauch: nicht bekannt
- Reichweite: > 400 km (WLTP)
- Ladeleistung: bis 22 kW (AC), bis 150 kW (DC)
- 0 – 100 km/h: 5,7s (Boostmodus), 6,6 s (Normalmodus)
- Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h
- Anhängelast: 1.800 kg
- Länge: 4,901 m
- Breite: 1,935 m
- Höhe: 1,629 m
- Radstand: 2,928 m
- Leergewicht: 2.490 kg
- Basispreis: 79.900 Euro
- Marktstart: Ende 2018
* Anmerkung: Im Tesla Model S lässt sich die Traktionskontrolle deaktivieren, wenn eine Sicherung gezogen wird. Dabei werden aber auch Stabilitätskontrolle, Servolenkung und Bremskraftverstärker abgeschaltet. Eine softwareseitige Lösung ist nicht vorgesehen.
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Wirklich sehr interessantes Fahrzeug und schöne Fotos!
Von eigenen Fahreindrücken - Federung, Einlenkverhalten, Bremsverhalten - ist leider wenig in dem Bericht zu lesen.
Das klingt ja ganz gut, ich bin gespannt auf den E-Tron. Die Karosserie ist ja doch eher ein hochgelegter Kombi à la Allroad Quattro als ein richtiges SUV (zum Glück) und echte Spiegel gibt es zum Glück auch noch. Bisher konnte ich Audi nichts abgewinnen, aber mit Elektroantrieben werden die Karten neu gemischt. Die bisher ungewohnte Hecklastigkeit ist vielversprechend.
Ist bei mir ähnlich, dass Audi für mich bislang keine wirklich interessanten Fahrzeuge anbot; beim e-tron sieht es erstmals anders aus.
Die elektronischen Spiegel halte ich im übrigen für Spielerei, ein Mehrpreis wäre mir dieses Gimmick nicht wert.
Die Kamera-Spiegel wären mir den Aufpreis auch nicht wert.
Aber ich muss sagen, das ist so ziehmlich das erste Elektro-Auto das mir wirklich gefällt.
Eine Sache aber, im Sinne der Richtigkeit:
Der e-tron hat also zwei Luftfahrwerke? 😆
Klar, eins vorne und eins hinten :-)
1. ich bin wirklich kein Audifan!
2. den Konzern mag ich aus vielen Gründen gar nicht.
3. aber dieses Auto scheint der deutschen indisch/britischen/österreichischen Konkurrenz überlegen zu sein.
Wobei die Mitbewerber sehr einfach zu vermeidende Fehler gemacht haben. Audi hat es einfach richtig gemacht.
Ich muss auch sagen, dass dieser mich optisch ebenfalls wieder anspricht und technisch interessant ist. Bis auf den A1, den A4 B9 und den A6 4F fand ich fast alle Audi-Modelle ab 2008 optisch nicht mehr gelungen. Dieser ist auch durch die eher Kombi-artige Form und Fahrzeughoehe wieder mein Fall (auch wenn er mich preislich nicht anspricht 😆).
an das design der schmalen außenspiegel mit kamera muss man sich noch gewöhnen.
diese "stummelarme" werden aber sicherlich in den nächsten 2 - 3 jahren von vielen herstellern vermehrt verbaut sein.
80000 €...gut. Das ist leider noch ohne Radio schätze ich...? Also die tendenziöse Behauptung:
ist irrelevant. Eine normale Ausstattung soll dazu gerechnet werden und dann werden wohl locker 100000 DM fällig. Ob das noch günstig ist, ist die Frage.
Aber ist doch nett...eine „objektivisierende“ Einladung für MT der VW A.G. nach Afrika. Das schadet bei zukünftige kritische Berichterstattungen und Kommentare nicht. Gewusst wie halt...
Wer den Text gelesen hat weiß, dass das MMI Navigation Plus Serie ist.
Und bevor die Frage kommt: Ja, da ist ein Radio mit drin. 😉
Wir sind hier ja nicht bei VW, die in der Basis gänzlich ohne Radio kommen.
Was mich als Etron Fahrer (A3) interessieren würde: was wäre, wenn man anstatt der 265KW Motorleistung weniger verbauen würde. Meinetwegen "nur" 150KW, würde die gleiche Akkugröße dann zu erheblich mehr Reichweite führen? Denn die Motorleistung ist ja gut und schön und auf deutschen Autobahnen ab und an mal Nutzbar, aber in der Stadt oder bei Überlandfahrten kaum erforderlich.
Natürlich ein optisch und technisch interessantes Fahrzeug, aber wirtschaftlich und von den Fahreigenschaften (Straßenlage, Kurvengeschwindigkeit) wenig sinnvoll.
Hier im Bericht durch Tarn-Kriegsbemalung besonders aufregend in Szene gesetzt, sonst wäre sicherlich mehr Langeweile zu verspüren.
Man bekommt bei Tesla seit 2 Jahren ein Modell X, welches schneller ist und ähnlich viel Platz bietet.
Natürlich sieht der Audi etwas spektakulärer aus und ist vermutlich leistungs- und ausstattungsbereinigt ein wenig günstiger.
Autos dieser Größe rein elektrich zu betreiben macht Laune und ist Imageträger, allerdings macht es wenig Sinn, da zu teuer, zu schwer und trotzdem zu wenig Reichweite, wenn man die Leistung ab und zu in Anspruch nimmt.
In diesem PKW-Segment machen derzeit nur Hybridlösungen wirklich Sinn.
Kleinwagen kann man rein elektrisch betreiben, aber nicht große und luxuriöse Fahrzeuge mit denen man gerne auch mal 600 km zügig auf der Autobahn wegbügeln möchte.
@skyjagger Regeln sich die Motoren bei nicht-benötigen der Leistung nicht sowieso herunter?
Ein Verbrenner arbeitet ja auch nicht immer mit seinem vollen Leistung.
Ich vermute, dass das daher keinen Unterschied machen wird.
@Mazout
Kleinwagen kannst du hingegen derzeit nur mit Reichweiten um die 120-150km herstellen, weil nicht genug Batterien hineinpassen.
Also wird sich der "Vertreter-Pöbel", der sich für ein solches KFZ einscheidet mal einen sprichwörtlichen Gang zurückschalten müssen.
Optik mal dahingestellt, technisch aber interessant. Für mich gerade auch bezgl. der Anhängelast. Was dann noch an Reichweite übrigbleibt, wenn man da wirklich 1,5 t am Haken hat, bleibt abzuwarten. Vllt. bekommen die MT-Tester ja mal ein entsprechendes Fahrzeug gestellt und können es ausprobieren, sofern sie einen entsprechenden Führerschein besitzen.😜