Opel Kadett B "Kiemen"-Coupé 1966: Fahrbericht
Dieser Opel ließ den Käfer locker hinter sich
Mit dem Opel Kadett B legten die Rüsselsheimer ab 1965 einen Millionenseller auf. Der Käfer trug im Vergleich Vorkriegstechnik. Ausfahrt mit dem Kiemen-Coupé von 1966.
Rüsselsheim – Was haben sie gelacht bei Opel. Noch Mitte der 1960er Jahre tuckerte der VW Käfer mit Boxermotor durch die Stadt. Laut, unkomfortabel und klein. Die Technik galt schon damals als von vorgestern. Opel dagegen setzte auf moderne Technik in Form eines laufruhigeren Reihen-Vierzylinders.
Schon der Kadett A (1962-1965) konnte als Neukonstruktion viele Kunden überzeugen. Doch das Design war altbacken, Opel wollte es frischer haben. Vor 52 Jahren erschien dann der B-Kadett und löste diese Anforderung ein.
Der B-Kadett sieht wohlgenährter und bauchiger als sein Vorgänger aus. Vielleicht liegt das an der breiten Karosserie, die die Spurweite um 30 Zentimeter überragt. Bestimmt auch an dem üppigen Chromschmuck, den Zierleisten und den filigranen Details. Opel bot neben dem Coupé eine zweitürige Limousine, den Caravan mit zwei Türen und eine viertürige Limousine an. VW hatte dagegen nur einen Käfer.
Dazu gab es bei Opel die Wahl zwischen der Standard- und der Luxusausführung. Bei den Motoren konnte der Kunde zwischen 45 PS für Normalbenzin und 55 PS für Superbenzin wählen. Mit dem 12-Volt-Bordnetz sprang der Motor auch im Winter zuverlässig an. Für eine sichere Verzögerung sorgen bei der 55-PS-Version Scheibenbremsen vorne, ab 1967 zählten sie zur Serienausstattung.Das Fastback-Coupé lief in Bochum von den Bändern, zwischen den ganzen Kadett-Limousinen. In Bochum hatte Opel dem Kadett ein eigenes Werk gebaut, um der großen Nachfrage Herr zu werden.
Zeitreise in Omas Küche
Heute gleicht eine Fahrt im B-Kadett Coupé einer Zeitreise. Die beginnt schon mit dem Drücken des Türknopfes. Alles an diesem Auto wirkt zerbrechlich und filigran. Da sind die schmalen Türgriffe, der zarte Blinkerhebel und das dünne Lenkrad. Aus der Mittelkonsole ragt ein langer Schalthebel, die Sitze sehen aus wie Omas Küchenstühle und haben genauso viel Seitenhalt. Es riecht auch nach Omas Esszimmer in der sauerländischen Provinz, irgendwie nach 4711 und Kassler mit Sauerkraut. Gruselig, und doch irgendwie heimelig und vertraut.
Das B-Coupé von 1966 hat unter der Haube einen 1,1-Liter-Vierzylinder mit 55 PS. Das reicht bei einem Gewicht von nur 770 Kilogramm für 146 km/h, und das war damals eine Ansage: der VW 1300 Käfer fuhr nur 122 km/h schnell. Den kleinen Schlüssel ins Zündschloss gesteckt, eine Umdrehung und der Anlasser heult ein paar Sekunden. Schiebt die vier Kolben mühsam hoch und runter, bis der Sprit endlich zündet.
Aus dem schmalen Auspuff klingelt es schrill. Vergessen geglaubte Erinnerungen werden wach: an eine Nachbarin, die sonntagmorgens mit ihrem Kadett immer in die Kirche fuhr – und das Auto vorher gern ein paar Minuten in der Garage warmlaufen ließ.100 km/h in 19 Sekunden sind möglich
Warum auch immer sie das tat, denn die drei Liter Öl im längs eingebauten Motor sind schnell auf Betriebstemperatur. Mit schmalen Schuhen lässt sich das Kupplungspedal leicht durchtreten, mit grobem Schuhwerk tritt man die Bremse leicht mit durch. Etwas Zwischengas, und der erste der vier Gänge des manuellen Getriebes ist drin. Für sportlich ambitionierte Fahrer bot das Werk eine Sportschaltung an, für gar nicht ambitionierte Fahrer wie meine damalige Nachbarin ein Dreigang-Automatikgetriebe.
Mit ein bisschen Gas schnattern die Ventile, die Stößelstangen klackern und der Solex-Fallstromvergaser zieht schlürfend Frischluft ein. Die 55 PS schieben das Coupé gefühlt flott an. Hinterradantrieb, klar. Mit viel Zwischengas flutschen die Gänge durch die ewig langen Schaltwege. Wer die mehr als 50 Jahre alte Mechanik stressen will, kann die 100 km/h in unter 20 Sekunden erreichen. Doch will man so ein altes Auto hetzen? Ein bisschen Respekt vor dem Alter gehört dazu, wenn man so ein Auto bewegt.
Arbeit und Genuss zugleich
Die Opel-Vierzylinder liefen auch ohne große Wartung problemlos. Ein regelmäßiger Ölwechsel, ab und zu ein Ventilspiel-Check, dann war der Motor fast unzerstörbar. Sorgen bereitete eher das Blech. An Türschwellern und Türen knabberte gerne der Rost. Besitzer griffen oft zum Schweißgerät oder trennten sich ganz vom Kadett. Viele Coupés haben auch deshalb nicht überlebt.Das Kiemen-Coupé (wegen der angedeuteten Kiemen an der C-Säule) der Opel Classic-Abteilung hat überlebt und steht gut da. Ein bisschen Patina, ja. Aber kein Rost am Blech, das Chrom glänzt in der Sonne und die Blattfedern an der Hinterachse schmatzen satt beim Eintauchen in Bodenwellen.
Die dünnen 13-Zoll-Räder mit 155er-Reifen wimmern schon vor der ersten Kurve um Gnade. Das große Zweispeichen-Lenkrad verlangt ein festes Zupacken. Nicht, weil die Lenkkräfte so groß sind, sondern weil die Bakelit-Ummantelung so rutschig ist. Fahren im Kadett-B ist Arbeit und Genuss zugleich.
Varianten ohne Ende
Durch die Ausstellfenster zieht ein wenig Frischluft durchs Auto, die Sonne scheint durch die großen Glasflächen und spiegelt sich am lackierten Blech im Innenraum. Ein paar Kippschalter links, ein mittiger Tacho und ein UKW-Radio lenken keinen Fahrer ab. Zur Luxus-Ausstattung zählen unter anderem Chromzierrat, Ausstellfenster, Stoßstangenhörner, Aschenbecher, Uhr, beleuchteter Zigarrenanzünder und Teppichboden.
Die Motorhaube lässt sich außerdem von innen entriegeln, Beleuchtung für Motorraum, Kofferraum und das Handschuhfach gibt es auch. Von wegen fahrender Minimalismus. Der Kadett galt vor mehr als 50 Jahren nicht ohne Grund als bessere Alternative zum Käfer.
Opel erweiterte das Kadett-Sortiment 1967 um einen fünftürigen Kombi, eine zweite Coupé-Variante, zwei Fließheck-Varianten und die Luxus-Version Olympia – erkennbar unter anderem an den in die Scheinwerfer integrierten Blinkern. Die Fahrzeuge sollten nicht nur in Europa für mehr Kunden sorgen, sondern auch in den USA.
Dazu kam wahlweise eine 1,7-Liter-Version mit 75 PS und der 1,9-Liter-Vierzylinder mit 90 PS für den Rallye-Kadett. Im Herbst 1967 standen 28 Kadett- und neun Olympia-Varianten zur Wahl. Aus heutiger Sicht ist das nicht viel. Im Vergleich zu VW und Ford war das damals ein enormes Angebot. 1967 auch erhielt die Hinterachse Schraubenfeder und Panhardstab, die Rückleuchten wurden größer – bis auf die beim Kiemen-Coupé. Es setzte weiterhin auf schmale Rückleuchten ohne integrierte Rückscheinwerfer.Mehr als 2,6 Millionen verkaufte Kadett B
Das Kiemen-Coupé (intern Modell 32) kostete damals 6.270 Mark , ein Basis-Kadett 5.350 DM. Das war deutlich teuerer als ein VW Käfer 1300 (4.735 Mark). Heute werden gut erhaltene Coupés auf mobile.de für mindestens 12.000 Euro angeboten. Groß ist das Angebot nicht. Schade, denn der Zweitürer bietet nicht nur unkomplizierte Technik, einen robusten Vierzylinder und viel Platz. Sondern vor allem Erinnerungen und viel Fahrfreude.
1970 fiel das Kiemen-Coupé aus dem Programm, 1973 lief der B-Kadett aus. Mit mehr als 2,6 Millionen gebauten Fahrzeugen war er bis dahin das meistverkaufte Opel-Modell überhaupt. Auf den B-Kadett folgte der Kadett C. Besonders der GTE hat es Fans besonders angetan, noch heute. Der nahm sich nicht den Käfer vor, sondern heizte dem Golf richtig ein. Über den Opel Kadett C GTE berichten wir in Kürze.
Technische Daten Opel Kadett B Coupé „Kiemen-Coupé
- Motor: 1,1-Liter-Reihen-Vierzylinder
- Leistung: 55 PS (40,4 kW) bei 5.400 U/min
- Drehmoment: 81,5 Nm bei 3.000 U/min
- Antrieb: manuelles Viergang-Getriebe, Hinterräder
- Geschwindigkeit: 146 km/h
- 0-100 km/h: 19 s
- Verbrauch: 9,5 l
- Länge/Breite/Höhe: 4,10 m/1,57 m/1,40 m
- Gewicht: 770 kg
- Baujahr: 1966
- Stückzahlen: Kadett B gesamt 1965-1973: 2.691.287 Stück, Coupé B gesamt 1965-1973: 426.136 Stück
- Preis 1966: 6.270 Mark
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Genau den in dieser Farbe hatte ich auch mal, das waren noch Zeiten. Lang , lang ist es her. Ohje.
Zeitloses schönes Wägelchen
Mitte der 80er Jahre hatte ein Schulkollege so eine Teil, quasi in Gemeinnutzung mit seiner Mutter....das waren damals die ersten (ungewollten) Ghymkana-Erlebnisse, regelmässig bei Nässe
Ich hatte den 1,1 SR Rallye in Silber mit mattschwarzer Motorhaube und seitlich doppelte "Rallyestreifen".
Klasse Fahrzeug. Lang, lang ist`s her.
Hab auch noch Erinnerung daran, wie sich die B-Kadetten als Verbrauchtwagen vom Straßenbild verabschiedeten. Kaum mehr als 10 Jahre alt, und reichlich GROßFLÄCHIGER Rost... Da hatte der altertümliche Käfer (insbesondere, wenn er nicht aus Mexico kam) zumindest mit mehr Blechstärke länger gegenhalten können.
(Das typische "schleifende" Opel-Motorgeräusch blieb uns ja noch bis in die 90er erhalten. 😉 )
Durch die Vergleiche mit Käfer,Golf und Escort hat mich der Bericht vor allem an Schulhof und Stamtisch Diskusionen erinnert! Ist der Golf wirklich mit Kadett und Co zu vergleichen? Sind nicht Audi80B1, Passat32B1 und Jetta die vergleichbaren Fahrzeuge? Oder darf man den Golf mit der Vauxhall Chevette (ähnlich Kadett City) vergleichen? Sind Opel und Ford überhaupt deutsche Marken? Wenn der Escort eine englische Entwicklung ist, darf man dann die englischen Modelle mit vergleichen? So eine Vauxhall Chevette HSR, Escort MK1 TwinCam / RS1600, MK2 RS1800 und PanelVan waren hier ja nie zu sehen. Auch so mancher Protest, gegen den Luxus eines Escort/Kadett, war dann plötzlich peinlich, wenn Ente/Käfer mehr Extras hatten.
Auch wenn man sich evtl elektrisches Wischwasser, Intervall Scheibenwischer, 2.Aussenspiegel und 1-2 Gänge mehr wünscht, sind diese Autos auch heute noch alltagstauglich. Also sofern der Alltag passt. ;-)
Hatte ich auch mal. Und das mit dem zuverlässig anspringen im Winter war aber nur gegeben, wenn Zündkontakt gut und Zündzeitpunkt und Ventilspiel korrekt eingestellt war. Da man den Ventildeckel fürs Ventilspieleinstellen öfter mal abnehmen durfte, hat die Dichtung praktisch immer Öl gesifft, erst die Dichtungskleber später haben Abhilfe geschaffen, dafür war jedesmal die Dichtung hinüber wenn man geklebt hatte. Und Zündzeitpunkt einstellen war auch so eine Sache, die Mutter für die Klemmung für den Zündverteiler war exakt unter dem Bremskraftverstärker, mit einem normalen Schlüssel war da kaum hinzukommen, ich habe mir damals extra einen 13-er doppelt abgewinkelt zusammengeschweisst. Lang hat er nicht gehalten, vom Rost aufgefressen. Ist fast ein Wunder wenn da noch einer überlebt hat.
Die CIH Motoren von Opel waren wirklich sehr robust . Als 2003 meinen damaligen A Manta fand in einer Scheune war der Motor und das Getriebe das einzige was ich nicht Restaurieren mussye. Nach 15Jahren standzeit neues Öl rein Ventile kontrolliert und Kerzen neu frischer sprit.Ein bisschen durchgedreht voher ohne Zündkerzen,einmal gedreht am Schlüssel und die 1.6SR Maschine mit 68ps schnurrte . Natürlich habe ich Verteiler und Kontakte sowie Steuerkette kontrolliert. Ob die heutigen Motoren auch noch so laufen nach 15 Jahren standzeit?
Wieso eigentlich Zwischengas? Synchronisiert war das Getriebe nach meiner Erinnerung...
Schönes Teil, den mit den schmalen Lampen und eben als Kiemencoupe hab ich aber selbst ende der 70er kaummehr gesehen. Eigentlich garnicht.
Vor der Goetheschule stand noch lange ein SR Coupe einer Lehererin, sonst viele Limos, auch die meines Vaters, und der Caravan meiner Tante. Der mir und meiner Cousine noch eine ganze Weile als Spielplatz diente, als er ausgemustert war.
Ich hatte den 1,1 mit 45 PS als 4Türer in Arktisweiß und 45PS und BJ 1971. Die Stabilisatoren und Gürtelreifen waren Extras. Toller Kofferraum gegenüber meines vorigen VW Käfers. Habe ihn später für einen Manta A GTE in Zahlung gegeben der dann einem Ascona weichen mußte.
Das Coupé war mein erstes Auto, gebraucht gekauft, Baujahr 1971, irgendwas um die 2.000 DM, gute 100.000 km, in grasgrün, wurde wohl schon mal neu lackiert.
Motor unkaputtbar, aber die Karosserie, rostete schneller als ich damals gucken konnte.
Sogar der Tank wurde getauscht, weil am Rosten und die Spritzufuhr blockierte.
Vorne rechts im Kotflügel, das Rostloch wurde mit einer Plastiktüte gestopft um die Wassereindringung
in den Fussraum einzudämmen...oben auf dem Kotflügel warf der Lack blasen.....der Rost frass ihn auf.
Schade, ein wunderschönes Coupé, habe noch einige Fotos davon und schöne Erinnerungen
an mein erstes Auto 😊
Hatte einen `69 er Coupe und ein `71 er. War das Anfängerauto Anfang der `80 er. Billig zu bekommen, mit paar Handgriffen zu reparieren.
Mal unabh. zum Inhalt.
Zuerst der Artikel
https://www.motor-talk.de/.../...sa-schlaegt-den-vw-polo-t6179616.html
Und jetzt das hier.
Sind das vorgezogene Nachrufe auf eine Marke die demnächst.....?!?
Hatte mein Opa auch, steht hinter dem Deutz