Ducati Scrambler 1100: Fahrbericht, erster Test
Eine Scrambler zwischen Scrambler und Monster
Ducatis Scrambler 1100 wirkt mehr wie ein Naked Bike als eine 800er-Scrambler. In dem Retro-Bike arbeitet der luftgekühlte Zweiventiler aus der alten Monster 1100 Evo.
Von Ralf Schütze
Der erste Augenschein trügt nicht: Die Ducati Scrambler 1100 sieht im Vergleich zur kleineren Schwester Scrambler 800 deutlich wuchtiger aus. Und sie ist es auch von der Papierform her: Der Radstand wuchs um 69 auf 1.514 Millimeter, Sitzhöhe und -breite um 20 auf 810 Millimeter bzw. um 43 auf 265 Millimeter. Außerdem misst die Scrambler 1100 50 Millimeter mehr Breite (895 mm) als die Scrambler 800.
Mit diesem größeren Motorrad können endlich auch Biker über 1,85 Meter Körpergröße entspannt durch die Gegend cruisen. Und: Die schicke Retro-Italienerin ist nicht einfach eine größere Scrambler 800. In dem Allround-Motorrad werkelt der alte 1,1-Liter-V2, den Ducati trotz veralterter Zweiventil-Technik reanimiert hat. Auch deshalb ähnelt der Charakter der großen Scrambler eher dem der nackten Marken-Ikone Monster. Somit ist die neue 1100er ein Mittelding aus Scrambler 800 und Monster 1200 – und zwar ein sehr gelungenes.
Ducati hat seinen altbewährten, luftgekühlten Zweiventil-Motor aus der Monster 1100 Evo auf Euro 4 getrimmt. Die Spitzenleistung sank dadurch zwar von bis zu 100 auf 86 PS gesunken, doch der Fahrspaß ist geblieben. Der 1,1-Liter-V2 meldet sich lautstark zum Dienst. Er brabbelt und pladdert, wie es Fans des klassischen L-Twin aus Borgo Panigale mögen.
Vor allem bergab im Schiebebetrieb poltert er vor sich hin, dass es eine wahre Freude ist. Fast drängt sich die Frage auf: Wer soll sich noch für die Zubehör-Aufpufftöpfe von Termignoni interessieren, wenn bereits die Serie so gut klingt? Druckvoll genug, aber dennoch samtweich drückt der V2 seine Kraft auf die Kette.Der Drehmoment-Verlauf mit maximal 88 Newtonmeter passt perfekt zum vielseitigen Charakter der Scrambler 1100: Von 4.500 bis 6.500 /min wirkt fast die maximale Schubkraft aufs Hinterrad. In Links-Rechts-Kombinationen hinterlässt auch der serienmäßige Pirelli MT 60 RS einen überzeugenden Eindruck.
Endlich groß und stark genug
Seit 2015 wurde die Scrambler mit 46.000 verkauften Motorrädern zu Ducatis meistverkaufter Baureihe. Trotz ihrer Schwächen: Zwar waren die Scrambler der Neuzeit vielseitig und agil, aber mit maximal 73 PS zu schwach für sportliche Fahrer, zu klein für große Fahrer – oder beides.
In den drei Versionen Standard, Special und Sport kostet die Scrambler 1100 seit Mitte April 12.990, 14. 290 oder maximal 14.990 Euro. Das sind stolze Preise für ein 86-PS-Bike. Somit tritt die Ducati Scrambler nun endlich in Konkurrenz zu schlagkräftigen Wettbewerbern wie BMW R nineT (110 PS, 15.350 Euro) oder Triumph Thruxton R (97 PS, 14.800 Euro). Zu diesem Zweck soll sie besonders vielseitig sein: ein wenig Retro, ein Hauch Enduro, ein bisschen Streetfighter – eben von allem etwas.
Das Erfolgsrezept der Ur-Scrambler blieb allen drei 1100er-Varianten weitgehend erhalten. Höhergelegter Auspuff, längere Federwege, ein bequemer breiter Lenker und je nach Modellvariante Stollenreifen. Damit entpuppt sich die Scrambler 1100 als so vielseitig, wie man es von einer Scrambler erwartet. Und sie sieht dabei so cool aus, wie man es von einem Lifestyle-Bike erwartet.Beispiel Instrumente: Zwar werden die wichtigsten Infos digital angezeigt, aber ein klassisches Rundinstrument beschränkt sich dabei aufs Wesentliche. Unter anderem Tempo, Gang, Drehzahl, Tankfüllstand und der ausgewählte von drei Fahrmodi, die die Scrambler 1100 ab Werk bietet: Active, Journey und City – alle drei mit Einfluss auf Leistung und Abstimmung der Traktionskontrolle DTC.
Ebenfalls sehr wichtig für ein Retro-Bike: die Materialauswahl. Projektleiter Rocco Canosa betont stolz, dass nur fünf wesentliche Teile an der Scrambler 1100 aus Kunststoff bestehen: die Airbox, der Sitz-Unterbau, das Elektronikgehäuse und bei der Standardversion das vordere und hintere Schutzblech. Ansonsten unterstützen Aluminium und ähnlich edle Werkstoffe den Premium-Eindruck der Ducati.
Das sieht man, und das fühlt man auch – etwa beim Betasten der aufwendig geformten Schalen am 15-Liter-Tank, die sich als auffallend kühle, eloxierte Alu-Teile entpuppen. Gefrästes Leichtmetall ziert die Zahnriemen-Abdeckungen des 90 Grad-V2 und hinten ist das gebürstete Finish der Zweiarmschwinge ein Hingucker.
Die Retro-Linie überzeugt, der Preis nicht
Leider weichen einige Details vom insgesamt hochwertigen Eindruck ab. Zum Beispiel können die Schalter am Lenker nicht mit dem Retro-Flair mithalten, das die Scrambler 1100 insgesamt bietet. Eine extrem schmucklose Gabelbrücke liegt stets im Blickfeld des Scrambler-Fahrers. Wie man das stimmiger hinbekommt, macht BMW bei der R nineT vor. Ebenfalls fragwürdig: Die vordere Bremsleitung ist geradezu tollkühn verlegt. In hohem Bogen verläuft sie über dem Zentralinstrument. Dies soll vielleicht nostalgisch an die Gaszüge alter Ducati Scrambler erinnern.
Und wie fährt sie nun? Zwar fühlt sich das Fahrwerk zunächst sehr straff an, vor allem kurze Wellen in Kurven bringen Nervosität ins Fahrwerk. Aber das lässt sich leicht korrigieren, denn die serienmäßige Upside-Down-Gabel der Ducati Scrambler 1100 ist voll und das hintere Kayaba-Federbein in Vorspannung und Zugstufendämpfung einstellbar.
Die Brembo-Bremsen packen bissig und gut dosierbar zu. Nur der Kniewinkel ist für Menschen über 1,90 Meter etwas eng. Der Rest passt. Der breite Lenker macht aus der entspannt zu fahrenden Scrambler 1100 ein Präzisionswerkzeug, auch in engsten Kurven. Die Lenkergeometrie verleitet dazu, die Ellbogen auszufahren. Diese Streetfighter-hafte Haltung passt zum Charakter der Scrambler 1100: ausreichend agil für flotte Stadtfahrten, stabil und wendig auf der Landstraße, Highspeed-fest bis 160 km/h auf der Autobahn.Trotzdem stellt sich die Frage: Sind mehr Ausstattung, größere Dimensionen und 13 Extra-PS den deutlichen Aufpreis zur Scrambler 800 wert? Die Kleine gibt‘s ab 8.790 Euro, die 1100er beginnt erst 4.200 Euro darüber. Wer sich auf der 800er-Scrambler anatomisch wohlfühlt und Wert legt auf hohe Agilität, der kann sich die Mehrinvestition getrost sparen. Wer jedoch ein deutlich größeres und erwachseneres Motorrad sucht, erhält bei entsprechendem Budget mit der Ducati Scrambler 1100 einen überzeugenden Retro-Allrounder. Mehr Motorrad aller bei der Scrambler 800, mehr Lifestyle als bei einer Monster.
Ducati Scrambler 1100 Special: Technische Daten
- Motor: Viertakt-V2-Motor im 90 Grad-Winkel, zwei Ventile pro Zylinder, luftgekühlt, Hubraum 1.079 ccm, Leistung 63 kW (86 PS) bei 7.500/min (alternativ für Klasse A2-Führerschein: 35 kW/48 PS), Drehmoment 88 Nm bei 4.750/min, Sechsganggetriebe, Kette.
- Fahrwerk: Stahl-Gitterrohrrahmen, vorn voll einstellbare Upside-down-Telegabel von Marzocchi mit 45 mm Tauchrohrdurchmesser, hinten Kayaba-Zentralfederbein verstellbar in Vorspannung und Zugstufendämpfung, vorn Doppel-Scheibenbremse 320 mm mit radial montierten Vierkolben-Bremssätteln, hinten eine Scheibenbremse gelocht 245 mm, Bosch Kurven-ABS.
- Maße und Gewichte: Radstand 1.514 mm, Sitzhöhe 810 mm, Gewicht fahrfertig 211 kg, Tankinhalt 15 Liter.
- Messwerte: Höchstgeschwindigkeit k.A., Beschleunigung 0 – 100 km/h: k.A., Normverbrauch kombiniert: 5,0 l/100 km.
- Preis: 14.290 Euro (plus 305 Euro Liefernebenkosten)
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Gott sei Dank denkt jemand mal an die 140 kg schweren Jungs die über 1,85 sind, die kamen mit den 73 PS ja kaum eine Hofeinfahrt hoch....
Nicht schlecht, aber auch nicht wirklich geil.
Da würden mich die beiden Konkurrenten Thruxton und RnineT mehr reizen.
Die letzte luftgekühlte zweiventilige Mostro 1100 wäre meine Wahl bei Ducati.
Gibt's leider nicht mehr neu zu kaufen. Und die Scrambler ist hübsch, hat mehr Federweg...
Alles prima, nur dass Euro 4 ihr 14 PS klaut, dass ist weniger der Hit.
Ich bleibe meine Scrambler 800 treu und stelle mir höchstens noch die SuperSport dazu in die Garage.
Du meinst so Leute wie Hulk Hogan? 😆😆😆😆
Das ist ja mal ein schönes Motorrad!
Gefällt mir sehr gut, schön alt von der Optik her aber trotzdem ein altertümlicher Motor, das dürften Autobauer gerne auch mal machen!
Nett, aber teuer.
Ich empfehle den Blick zu Yamaha. Da gibt es ähnliches viel günstiger!
Wenn günstiger alles wäre, dann würden hier viel mehr China Hobel fahren.
jemand der eine Duc will fährt keinen Reiskocher 😉
Jedem das seine.
Aber: teurer ist nicht immer besser.
Die XSR 900 bietet z.B. schlappe 116 PS.
Das wäre mir wichtig, um besagte Hofeinfahrt hochzukommen!😆
Die XSR700 von Yamaha ist auch viel günstiger als die Ducati Scrambler 800. Allerdings auch nicht so spaßig, weil bei weitem nicht so emotional zu fahren.
Hübsch.
Aber mir wären auch die Triumph bzw. die BMW lieber- die Duc wirkt nachgemacht und ich finde, dieses Design passt nicht zu der Marke. Ob der Markt die Maschine annimmt und man ein großes Stück vom Kuchen bekommt, wird sich zeigen. Duc-Fans gibt es ja genug.
Musste über die "tollkühn" verlegte Bremsleitung lachen, mit diesem Begriff verbinde ich eher andere Sachen :-)
Das hab ich mir auch gedacht., rein optisch ist nicht mehr viel Ducati übrig.
"Und wie fährt sie nun? Zwar fühlt sich das Fahrwerk zunächst sehr straff an, vor allem kurze Wellen in Kurven bringen Nervosität ins Fahrwerk."
Was mir häufig, micht nur bei MT , auffällt:
Wenn man denn schon den Anschein erweckt oder tatsächlich selbst gefahren ist, warum kann man dann nicht auch ein paar Messwerte aufnehmen. 0-100 km/h k.a.? Soll Geräte oder APPs geben, die nicht so teuer sind, die das selber stoppen. Man könnte auch den Tacho mit ner Action Cam filmen und nachher die Zeiten ermitteln, etc...
Paar eigene Fotos wären auch nicht schlecht, oder man soll sich so aussagen wie oben kursive eingefügt schenken...
Gruß
Eis
Der Preis ist ja wohl ein Witz: nix dran, uralte Technik, aber fast 15.000 €. Da ist ja ein Polo mit 90 PS zum selben Kurs fast geschenkt.