Jaguar XE SV Project 8 (2018) auf der Rennstrecke: Leistung, Preis
Jag-Hammer: Der britische Nordschleifen-Star
Es ist die schnellste Limo auf der Nordschleife, Jaguars stärkstes Serienmodell überhaupt. So fährt sich der 600 PS starke XE SV Project 8 auf der Rennstrecke.
Portimao – Kurz vom Gas, ruhig einlenken, und ab ins Nichts. Genauer: Relativ weit rechts ins Nichts. Über diese verdammte blinde Kuppe in der letzten Kurve. Der Jaguar wird leicht, er strebt über alle vier Räder nach außen. Der Selbsterhaltungstrieb zieht den rechten Fuß leicht nach oben. Immerhin: Das Bremspedal berührte er nicht. Adrenalin und Ehrgeiz sei Dank.
War der Einlenkpunkt korrekt? Zeigt sich erst, nachdem sich der XE SV Project 8 wieder stabilisiert hat. Die Augen suchen nach dem Scheitelpunkt. Nach diesen paar Zentimetern am Rand einer portugiesischen Rennstrecke. Sie zählen in diesem Moment mehr als sämtliche 20,8 Kilometer der Nürburgring-Nordschleife. Dort hält dieser Jag mit 7:21 Minuten den Rekord als schnellste Serienlimousine. Auch recht, Hauptsache hier in Portimao stimmt die Linie vor der langen Start-Ziel-Geraden.
600 PS aus 5,0-Litern
Dann bleibt genug Platz, um Jaguars stärkstes Serienfahrzeug laufen zu lassen. Heißt: Lenkung auf, Maximalbefehl an das Motor-Steuergerät. Es geht mit 600 PS, 700 Newtonmetern Drehmoment und Gott weiß wie vielen Dezibel die Tribünenmauer entlang. Jaguars Haustuner SVO zwängte einen 5,0-Liter-V8 samt Kompressor in den Motorraum des Mittelklassewagens. Das lässt den Briten nicht einmal Platz für eine rechtsgelenkte Version – nur wenn die Lenksäule von Links kommt, klappt das Tetris-Spiel mit den schärfsten Komponenten aus dem Teileregal.Der Drehzahlmesser zeigt knapp 7.000 Umdrehungen, ein Zupfen am rechten Schaltpaddle schickt das Getriebe in den fünften Gang. Man registriert ein Sprotzen, doch kein Erbarmen. Bei jedem der 0,2 Sekunden kurzen Schaltvorgänge geht ein Ruck durchs Auto - als würde der Project 8 mit kräftigen Tritten in Richtung der ersten Kurve befördert.
Vier Türen. Zwei Sitze. Ein Druckpunkt
Der Bremspunkt kommt schneller als erwartet. Hart aufs Pedal, die Zangen mit sechs (vorne) und vier (hinten) Kolben schnappen sich die rund 400 Millimeter großen Carbon-Keramik-Bremsscheiben. Vierpunkt-Gurte von Sabelt halten den Fahrer im Schalensitz. Beides ist Bestandteil des Track-Pakets. So wie der Überrollbügel und die Feuerlöschanlage hinter uns. In der zahmeren Straßenvariante gibt es dort eine Rückbank mit zwei stark taillierten Sitzplätzen. Zum Halsmuskel-Workout für bis zu vier Personen – die Bremsanlage ist schließlich die gleiche.
Gefühlt bewegt man sich stets unterhalb des Limits der Stopper. Den aberwitzig späten Tritt aufs Pedal perfektioniert man in ein paar Runden nicht, an den Druckpunkt gewöhnt man sich dagegen schnell. Dass dieser - unabhängig von der Beanspruchung - konstant bleibt, war den Ingenieuren bei der Abstimmung wichtig. Selbst wer früher nicht als beidbeiniger Knipser beim Schulfußball (oder als Kart-Talent) galt, kann versuchsweise mit dem linken Fuß auf die Bremse springen.
Allradantrieb. Manchmal
Am Ende der ersten Sektion bliebt das Pedal unberührt. Es geht um Schwung für die Gegengerade – und eine saubere, weite Linie am Kurvenausgang. Den sieht man erst spät, wie so oft auf dieser Strecke. Streckenneulinge wie ich provozieren mit späten Korrekturen in den ersten Runden Heckausbrüche. Einen übersteuernden XE SV kann man – wenn Platz und Lenkeinschlag ausreichen - per Tritt aufs Gas gerade richten. Standardmäßig werden im schärfsten Fahrmodus ausschließlich die Hinterräder angetrieben. Verlieren sie die Haftung, bindet das elektronische Mitteldifferenzial den vorderen Teil des Allradsystems mit ein. Maximal kommen 30 Prozent der Antriebskraft bei den vorderen Antriebswellen an.
Wir sind ohne Stabilitätsprogramm unterwegs, im Track-Modus kann es vollständig deaktiviert werden. Ansonsten lässt das System moderate Schräglaufwinkel zu, springt spät als Helfer ein. In Dynamic und Komfort arbeitet es früher, doch zurückhaltender. Dann verrät nur das wild flimmernde ESP-Symbol beim Herausbeschleunigen, dass der Gaseinsatz zu früh kam.
Schwergewichtskämpfer
Richtig Geduld braucht es am Eingang der nun folgenden langsamsten Stelle der Strecke. Einer engen Linkskurve im zweiten Gang. Dem einzigen Punkt, an dem man der Jaguar-Limousine ihr Gewicht anmerkt. Die Ingenieure hielten den Wert mittels Türen aus Aluminium sowie Frontschürzen und Motorhaube aus Carbon möglichst gering – relativ gesehen. Für ein Fahrzeug mit Allrad und schwerem V8 im Motorraum sind ab 1.750 Kilogramm akzeptabel. Schade nur, dass sich die Zentrifugalkraft dafür nicht interessiert.
In den folgenden hügeligen Passagen wirkt das opulente Track-Tool richtig agil, dreht manchmal leicht ein, wenn der Fahrer lupft. Liegt wohl an der Abstimmung von Lenkung und Fahrwerk. Der XE SV Project 8 folgt dem kleinsten Impuls am mit Rauleder überzogenen Volant. Die Bilstein-Dämpfer mit Eibach-Federn erlauben der Karosse wenig Rollbewegung.
Die Mehrheit der Aufhängungskomponenten sind Eigenanfertigungen der Jaguar-Land-Rover-Sport-Abteilung. Das merkt man am großen Ganzen, der 24 Millimeter breiteren Spur mitsamt der notwendigen Änderungen an der Karosse. Und an Feinheiten, etwa dem Negativsturz (minus 2 Grad) der Vorderräder. So schräg zielen sie bei keinem anderen XE-Modell unter den Kotflügel. Die Techniker hatten bei der Auslegung etwas Spielraum: Der stärkste Jag steht auf 20 Zoll-Semislicks von Michelin (Sport Cup 2), in Straßen wie in Rennstrecken-Variante.
Zwei Varianten erhältlich
Hauptunterschied der beiden Varianten, abseits des Interieurs: Die Karosseriesteifigkeit soll beim Modell mit Track-Pack dank zusätzlicher Streben um 27 Prozent höher sein. Außerdem lassen sich Frontsplitter und Heckspoiler beim Rennstrecken-Modell justieren. Per Schraubenschlüssel, nicht auf Tastendruck.
Wir fliegen im XE SV Project 8 über eine kleine Kuppe in den letzten Teil der Strecke. In einem entspannteren Moment könnte man von hier aus wohl jenen Berggipfel ausmachen, auf den wir zuvor die Straßenvariante des Project 8 scheuchten. Auf der buckeligen Strecke fühlte man jede Unebenheit, plumpste allerdings nicht hinein. Mit Wellen kommt das Auto besser zurecht als Jaguars zweisitziger F-Type SVR mit gleichgroßem Aggregat.
Nur 300 Exemplare
Auf der Rennstrecke profitieren wir in den letzten Kurven von den Nehmerqualitäten der höhenverstellbaren Federbeine: Höhere Curbs lassen sich in die Linie integrieren, bringen kaum Unruhe ins Auto. Einmal noch geht es durch die haarige letzte Passage hinaus auf Start-Ziel. Nicht ganz perfekt, doch ohne groben Schnitzer. Kein Hersteller will seinen Neuwagen in der Boxenmauer detonieren sehen. Bei diesem Auto wäre die Sache besonders prekär, der "Walk of Shame" zum Produktverantwortlichen richtig bitter: Die Sport-Limo entsteht in Handarbeit. Die ersten Kunden wollen ihr Modell in den nächsten Wochen entgegennehmen. Rechtzeitig für ihren Auftritt beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Als statische Helden des Zuschauer-Parkplatzes, nicht als Herausforderer im GT-Feld.
Gleichzeitig sind längst nicht sämtliche der 300 geplanten Exemplare vergriffen. Für etwas mehr als 50 Prozent der ab 182.000 Euro teuren Jags liegt eine Vorbestellung vor, bislang wollte die Mehrheit ein Track-Modell. Unsere Prognose: Die übrigen Project-8-Modelle werden Käufer finden. Sportfahrer, die auf dem Trackday die Porsche GT3 ärgern wollen. Sammler, die sich einen Rekordhalter in der Garage wünschen. Oder Landstraßen-Glüher, denen die üblichen potenten Zweisitzer zu kapriziös und gängige Sportlimousinen zu kompromissbehaftet erscheinen.
Technische Daten Jaguar XE SV Project 8
- Modell: Jaguar XE SV Project 8
- Motor: 5,0-Liter-V8 mit Kompressor-Aufladung
- Getriebe: Achtgang-Wandlerautomatik mit Schaltwippen
- Antrieb: Allradantrieb mit elektronisch gesteuertem Mitteldifferenzial
- Leistung: 600 PS bei 6.500 Umdrehungen
- Drehmoment: 700 Nm bei 3.500 bis 5.000 Umdrehungen
- Verbrauch: 11,0 l/100 km
- CO2: 254 g/km
- 0 – 100 km/h: 3,7 s
- Höchstgeschwindigkeit: 321 km/h
- Radstand: 2,835 m
- Leergewicht (EU): ab 1.750 kg
- Kofferraum: rund 450 Liter
- Grundpreis: ab 182.000 EUR
- Marktstart: Mitte Juni 2018
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Angesichts des enormen Aufwandes, der hier betrieben wurde, und der stark einschränken Alltagstauglichkeit, ist die Rundenzeit des Civic Type R umso beeindruckender.
Die zeit ist echt beachtlich, denn wenn ich mich recht erinnere ist er damit genauso schnell wie ein 997er GT2 RS Porsche (?).
Schön, dass Jaguar sich so etwas traut!
Optisch und technisch rundum gelungen. Würde ich mittlerweile jedem deutschen "Premium"erzeugnis vorziehen (wenn ich im Lotto gewonnen hätte).
Technisch und fahrdynamisch wahrscheinlich toll.
Aber wenn ich soviel Geld in ein Auto stecke, dann möchte ich auch sehen, dass da ein Sportauto steht.
Nein, der schaut ja aus wie ein Toyota Corolla - danke, für mich nicht.
Wer etwas Scharfes für"Poser" sucht, muss halt zum SVR F- Type greifen. Da kann keiner wehklagen, dass er damit optisch zu kurz kommt 😆
Das war wichtig zu wissen. Puh, hätte ich ja fast verpasst. 😆 😉
4 Türen, 2 Plätze und unpraktisch trotz Limousine Karosserie. Völlig unnötige Idee wenn es nur um die Zeit den schnellste Limo aus den Nürburgring zu knacken geht.
Das Auto ist meiner Meinung nach keine Limo mehr, ab der Moment die hinteren Sitzplätze verschwinden.
Keiner zwingt dich das Track Pack zu nehmen. 😉
182.000€ sind aber schon ein Wort.
Da kann man sich einen M4 CS kaufen und hat noch Geld übrig, um sich einen passabel ausgestatteten XF Shooting Brake für den Alltag daneben in die Garage zu stellen.
Oder einen 911 GT3 und für den Alltag gibt's noch nen Golf Variant dazu..
Oder eine Giulia Quadrifoglio und für den Alltag noch nen Porsche Panamera.. 😱
Oder oder..
Sei's drum, wird schon seine Käufer finden.
Der Wagen gefällt mir durchaus - doch ich meine, wie schon von anderen geschrieben wurde, für den Preis gibt es Interessanteres... 😉
Wenn der schon so gnadenlos auf "Track" getrimmt ist, ja sogar die hintere Sitzbank rausgeworfen wurde, warum kommt man dann immer noch auf knapp 1,8 Tonnen? Nur an Motor und Allrad kann es ja wohl nicht liegen oder?
Ein Insignia Grand Sport wiegt problemlos 1800kg+ mit Zweiliter Motörchen. Mit all den kleinen technischen Extras hier und da, einem großen V8 vorne drin und einem stabilen Allradsystem und Co das auch diese Leistung verkraftet im Trackeinsatz ist dieses Gewicht für einen Mittelklassewagen absolut normal heutzutage.
Mein ehemaliger S5 Sportback hat mit 3.0er auch schon seine 1830kg auf den Rippen gehabt. Mit den paar Einsparungen die man heutzutage mit all den Regeln noch tätigen kann wird man den unmöglich Straßenzugelassen viel leichter kriegen.
Die Rückbank wiegt für gewöhnlich so gut wie nichts. Der Fahrer-/Beifahrersitz wiegen teilweise recht viel.
Sobald etwas nach Tuning aussieht, bin ich raus.
(Nicht das ich mir den leisten könnte...)