Unfallflucht: Verkehrsgerichtstag diskutiert Straftatbestand
Unfallflucht bald nur noch Ordnungswidrigkeit?
Fahrerflucht ist eine Straftat. Auch bei nur geringem Sachschaden. Der einflussreiche Verkehrsgerichtstag will dies nun diskutieren. Reicht eine Meldepflicht?
Goslar - Hunderttausende Verkehrsteilnehmer in Deutschland werden jedes Jahr nach Unfällen zu Straftätern, weil sie die Unfallstelle vorzeitig verlassen. Nach Paragraf 142 des Strafgesetzbuchs machen sie sich des unerlaubten Entfernens vom Unfallort schuldig. Auf eine solche Unfallflucht stehen Geld- oder Freiheitsstrafe - und zwar nicht nur, wenn es Verletzte oder gar Tote gab.
Auch bei Blechschäden drohen Strafe und Fahrverbot, selbst wenn der Verursacher sich später meldet und den Schaden ausgleicht. Verkehrsjuristen halten diese Vorschrift in ihrer jetzigen Form für überholt. Beim Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar wird deshalb über eine Reform diskutiert.
Das Statistische Bundesamt erfasst nur Fälle von Unfallflucht nach Personenschaden. 2016 haben sich demnach 26.720 Verkehrsteilnehmer des Entfernens vom Unfallort schuldig gemacht. Wenn Fluchten nach Parkremplern und anderen Blechschäden dazugerechnet werden, ist die Zahl nach Schätzungen um ein Vielfaches höher. Der Auto Club Europa (ACE) geht von rund 500.000 Fällen pro Jahr aus.
Ein "juristisches Unding"
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) nennt den Unfallflucht-Paragrafen ein "juristisches Unding". Die Strafandrohung diene nur dem Schutz zivilrechtlicher Ansprüche der Geschädigten, sagt Rechtsanwalt Andreas Krämer von der DAV-Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht. Zudem sieht der DAV das rechtsstaatliche Prinzip verletzt, dass niemand sich selbst belasten muss. Besser wäre aus Sicht der Verkehrsanwälte eine gesetzliche Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Meldung eines Schadensfalls bei Unfällen. Ein Verstoß dagegen wäre eine Ordnungswidrigkeit, die mit Bußgeld geahndet werden kann.
"Wer sich entfernt, um für den angerichteten Schaden nicht einstehen zu müssen, verhält sich rücksichtslos", sagt ADAC-Verkehrsjurist Markus Schäpe. Geschädigte müssten geschützt werden. Dafür sei das Strafrecht aber nur bedingt geeignet. "Wenn man es mit dem Opferschutz ernst nimmt, muss eine nachträgliche Meldemöglichkeit geschaffen werden, die weder strafrechtlich noch versicherungsrechtlich nachteilige Folgen für den Unfallverursacher hat." Dann würden sich vermutlich mehr Unfallverursacher nachträglich melden. Eine solche Deregulierung bei geringeren Sachschäden würde auch Polizei und Justiz entlasten.Unfallflucht soll strafbar bleiben, fordert der Automobilclub von Deutschland (AvD). Doch sollte es künftig keine Strafe mehr geben, wenn nur Sachschaden eingetreten ist und der Verursacher sich nachträglich meldet. Ähnlich sieht es der ACE: Nur wenn der Unfall überhaupt nicht gemeldet wird, sollte Unfallflucht strafbar bleiben. Ansonsten solle Verursachern eine "goldene Brücke" gebaut werden. Wer einen Schaden per Telefon oder nachträglich binnen 48 Stunden meldet, solle straffrei bleiben.
Welche Position haben die Polizei-Gewerkschaften?
Der Unfallflucht-Paragraf sei noch immer zeitgemäß, sagt der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Arnold Plickert. "Wer aber unverzüglich den Unfall bei der Polizei anzeigt, alle relevanten Daten zur Verfügung stellt und sich dann nach einem leichten Schadensfall entfernt, sollte nicht unbedingt bestraft werden müssen." Eine Einstufung als Ordnungswidrigkeit reiche aus.
Dieter Müller von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DpolG) sieht im Straftatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort "eine bewährte Vorschrift, die zum Ermitteln zahlreicher Straftäter geführt hat, die als Straftäter nicht erwischt werden und für den angerichteten Schaden zivilrechtlich nicht herhalten wollten". "Ein etwaiger Reformbedarf sollte erst einmal erforscht werden.""Wenn nicht das Damoklesschwert der Strafe droht, fahren die Leute einfach weiter", glaubt der frühere Generalbundesanwalt Kay Nehm. "Das würde unserer Rechtsordnung nicht gut tun." Man solle deshalb am Grundprinzip festhalten, "dass Unfallbeteiligte, soweit es sich um einen nennenswerten Schaden handelt, am Unfallort bleiben müssen, um die Aufklärung zu ermöglichen". Verursachern weniger bedeutender Schäden sollten die Chance bekommen, "straffrei zu bleiben, wenn sie sich später melden und die Verantwortung übernehmen".
Einflussreiches Juristentreffen
Der Verkehrsgerichtstag findet in dieser Woche zum 56. Mal statt. Auf dem Treffen debattieren Verkehrsrechtler aktuelle Themen. Neben dem Straftatbestand Unfallflucht wird in diesem Jahr über die Höhe von Bußgeldern oder den Zusammenhang von Cannabis-Konsum und Fahruntüchtigkeit beraten.
Empfehlungen des Verkehrsgerichtstags finden regelmäßig Eingang in neue oder überarbeitete verkehrsrechtliche Gesetze und Verordnungen.
Quelle: dpa
Das Gesetz in der bisherigen Form hat sich bestens bewährt - wirklichen Änderungsbedarf sehe ich daher nicht.
Die spinnen!
Hier im Forum macht sich eine breite Masse dafür stark, dass eine zentrale Datenbank über die Kilometerstände eines Autos gemacht wird. Ziel: ich will keinen Schaden haben durch Betrug am Tacho.
Und auf der anderen Seite wird Unfallflucht (also Schaden anrichten und dann verschwinden) legalisiert. Fakt ist: der Täter steigt aus, versichert sich, dass keine schaut und klebt dann vielleicht einen Zettel ans Fenster auf dem eine falsche Adresse steht.
Schöne heile Welt!
Ich bin absolut dagegen!
Es spricht nichts dagegen die Polizei zu rufen und den Unfall zu melden. Die können einen nach Aufnahme dann ja entlassen. Das hier führt nur zu mehr Geschädigten, die darauf sitzen bleiben.
Dieser Vorschlag wird ihnen präsentiert von den Versicherern. Kauft mehr Vollkasko.
@Hyperbel
Eben. Zumal Unfallflucht grundsätzlich eine Vorsatztat ist.
Ist normalerweisse nicht, bei "nur" Materialschaden -> unerlaubtes entfernen vom Unfallort
und Unfall mit Personenschaden -> Fahrerflucht
ich denke schon das man hier unterteilen sollte, ein kleiner Parkrämpler ist ja nicht so dramatisch und ich denke schon das es da reicht wenn man die Kontaktdaten hinterlässt, zumindest nach einer gewissen wartezeit.
Was machst aber wenn Du gegen ein geparktes Fahrzeug fährst an einer Mehrfamilienhaussiedlung mit 10-20 Parteien pro Haus? Wo meldest Du Dich dann? Wer ist der Besitzer?
Mit Glück wird er von jemand anderem drauf aufmerksam gemacht dessen Wohnung zur Straße rausgeht - wahrscheinlich aber nicht, da die Leute sich in den Dingern gar nicht gegenseitig kennen.
Und was wenn derjenige im Urlaub ist? Wie lange soll man da (womöglich bei Minusgraden und ohne eigenen legalen Stellplatz) warten und den restlichen Verkehr blockieren?
Und die Polizei kannst auch nicht rufen, die stellen Dir gleich nen Extra-Gebührenbescheid aus wenn der Schaden zu gering ist.
Eine Meldung im Rahmen von maximal 48 Stunden bei der Polizei und Hinterlassen einer Notiz mit korrekten Daten am Fahrzeug sollten da wirklich ausreichen sein. Wenn das nicht gemacht wird müsste die Strafe aber umso höher ausfallen.
Tja, kommt davon wenn die Versicherer bei jeder Kleinigkeit entweder die Beiträge rabiat erhöhen oder gleich kündigen. Da ist die Hemmschwelle zur Vermeidung dieses Hick-Hacks, leider auf Kosten anderer, in ziemlicher Bodennähe, ergo ist auch die Zahl der Fahrerfluchtfälle erschreckend hoch.
Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Und hierzulande ist es schon recht windig.
Früher hatten die Herrscher (z.B. im antiken Rom) die Arena, in der sie belustigt wurden. Reicht heute nicht mehr aus, da muss man schon die gesamte Bevölkerung gegeneinander aufhetzen - und nachher hat man "von nichts gewusst".
Woher nimmst Du diese Weisheit? Selbst geklöppelt?
Es gibt zu diesem Thema im deutschen Strafrecht nur einen einzigen Paragraphen: § 142 StGB
https://dejure.org/gesetze/StGB/142.html
Fahrerflucht mit mind. einem Jahr Haftstrafe wäre mmn. sehr angebracht 😊
Wo hast du denn den Unsinn mit dem Gebührenbescheid her. Wenn der Fall eintritt und man kann den Geschädigten selbst nicht ermitteln ist der einzig richtige Weg, die Polizei zu rufen. Und die kommt auch, zumindest in NRW. Wird jeden Tag zigmal gemacht. Und da ist nix mit Gebühren.
Es gibt sicherlich auch Leute, die erstmal abhauen und DANN SPÄTER sich nicht mehr trauen zur Polizei zu gehen, weil sie Angst vor einer Anzeige haben. Oder es gibt andere Gründe, z. B. eine alkoholisierte Fahrt.
Im Endeffekt beschleunigt eine solche Regulierung den Vorgang und hilft Leuten, die ein schlechtes Gewissen bekommen.
Wer nur das Schlechte im Menschen sieht, der sieht das natürlich genau anders. 🙁
Wie dem auch sei, ich entscheide das ohnehin nicht.
Das macht die Mischung aus Sauferei und Fahren auch nicht besser.
Mich wundert nichts mehr. Es wird ja auch diskutiert den Mordparagraphen zu lockern.
Ich sehe hier keinen Handlungsbedarf!
Wer schon wie ich vom einkaufen zurück kam und die gesamte Fahrertür im inneren des Autos wiederfindet...
Keiner hat es gesehen, keine Kameras, keine Meldung bei der Polizei und diese auch noch sagt:
"Wegen sowas kommen wir nicht, sie können ins Revier kommen und gegen Unbekannt Anzeige erstatten, aber ich kann Ihnen jetzt schon sagen, dass das lediglich verschwendete Zeit für Sie und Uns ist."
Genau so war der Wortlaut!
Frechheit!
Fahrerflucht sollte sogar noch härter bestraft werden!
Zur Abschreckung und sensibilisierung.
Der Schaden war für mich als Geselle im 1 Jahr damals unbezahlbar!
Musste es selber reparieren und ewig mit einer knarzenden, undichten und anders farbigen Tür umher fahren...