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"1200" oder ein Jahr mit dem Phaeton
Liebe Phaeton-fahrende Gemeinde,
nach einer ganzen Weile wollte ich mal nicht um technische Unterstützung bitten, sondern einfach mit meinen Erfahrungen im ersten Jahr (und ein bissl was) für Phaeton-lastigen Lesestoff sorgen. Wer mag, kann und darf gerne was dazu schreiben, aber es ist keine explizite oder versteckte Frage nach Meinung oder Beistand enthalten. Mal was anderes - und nein, ganz ernst mein ich nicht alles, was ich so schreib... ;-)
Also wie geht's mir nach jetzt einem Jahr mit dem VW 3D, dem Dicken, dem "braunen Wal" (er ist Cairo Grey, innen schwarz), die "Blunz'n" (Wienerisch für "Blutwurst" wird eher selten als Spitzname für irgendwas Leichtes, Graziles verwendet) oder was er sonst noch an mehr oder weniger liebevollen Kosenamen erhalten hat, je nachdem ob er mich gerade mit Freude oder Gram erfüllt hat. Und beides hat er ausreichend, wobei sich das Verhältnis über die Zeit stark verändert hat.
Zur Erinnerung; seit letztem Jahr Februar fahr ich einen 2005 (GP0) 3.0 Diesel mit anfangs 162.000km, bis jetzt sinds ca. 176.000 geworden, als Alltagswagen. Ich hab ihn von einem lieben Freund übernommen, der ihn davor 10 Jahre gefahren und gepflegt hat, deswegen gab es auch einen Vertrauensvorschuß in den Wagen.
Mein Anforderungsprofil; naturgemäß ist ein Phaeton als Innenstadt-Eckenflitzer, der in jede noch so kleine Parklücke hineinfindet, eine krasse Fehlbesetzung, und das muss er bei mir auch nicht. Ich möchte vielmehr 300 km mit dem Wagen am Stück fahren, danach ohne Erschöpfungszustände einen Arbeitstag voller Meetings verbringen, und danach wieder heimfahren können, ohne das sich sofort ein Burn-Out einstellt. Das mach ich nämlich öfter.
Dabei geht's dann auch nicht darum, einen Porsche bei 220 zu zeigen, dass er noch in Reichweite meiner Lichthupe ist, sondern bei 150 den Tempomat rein, Musik hören oder mit den mitfahrenden Kollegen sprechen, manchmal ein Telefonat führen - und sich nicht um Spurrillen oder Bodenwellen kümmern. Klar, manchmal rutscht mir der Fuß in Überholung-Situation auch der Fuß aus, um aus Gründen der Verkehrssicherheit etwas schneller den gerade Überholten hinter mir zu lassen - da sollt mich dann grad auch nicht ein Sicherheitsorgan in Ausübung seiner Kontrolltätigkeit vor's Radar bekommen, aber meist bin ich brav. Meine paar Strafzettel waren dann auch eher übersehene 100er-Beschänkungen auf der Autobahn, als 170 im Stadtgebiet. Na, ihr wisst, was ich meine...
Folgerichtig hat meiner auch 17"er, ist nicht tiefergelegt oder sonstwie modifiziert und auch meist in der zweiten Stufe von links unterwegs. Ganz weich geht auch nicht, aber das passt grad für mich.
Mir gefällt auch sehr gut die schlichte, fast unauffällige Optik, dafür ist der Wagen auch kein Objekt emotionsgeladener Begierde (dafür hab ich meine(n) Engländer) sondern ja, mein vernünftiges Alltagsauto. Und das ist er auch - das Anforderungsprofil erfüllt er nahezu perfekt, in dem Szenario hat er eine Realreichweite von ca. 1000km und einen Verbrauch von unter 8 Liter - das passt. Wenn man bedenkt, dass der Wagen mittlerweile 17 Jahre alt ist und immer noch voll (na, fast) einsatzfähig lt. meinem Profil ist, ist das nicht schlecht. Das angefügte Bild und die Überschrift zeigt ihn zwar schon in einem Moment des Optimismus, aber das ist trotzem nicht schlecht. Ganz und gar nicht.
Durchwachsene Erfahrungen hab ich allerdings in manchen Gruppen ausserhalb dieses Forums gemacht, wo es vorwiegend darum geht, rundum abgedunkelte W12 zu Chiptunen sowie mit Koppelstangen die Distanz zwischen Strasse, Bodenplatte, 24" Felgen und Radkästen zu minimieren - die montierten Diskonter-Reifen lassen auf die Qualität und Sachkenntnis der durchgeführten Maßnahmen schliessen, sowie auf das Budget für durchzuführende Wartungstätigkeiten. Aber es ist wohl nicht Rost oder Unfälle, die den Bestand minimieren, sondern halt solche Schandtaten. Und damit hab ich meine Meinung dazu auch kundgetan. ;-)
Durchwachsen war hingegen auch meine Anfahrtszeit - nach einer langen Standzeit von 8 Monaten war die Komfort-Batterie hinüber, und es standen einige Erfahrungen in's Haus, wie zickig ein Auto sein kann, dass mit Elektronik so vollgestopft ist wie unsere Gurken. Noch dazu, wenn noch keine Erfahrung vorhanden ist, wie man da ran geht. Die lokalen VW-Werkstätten waren auch keine Hilfe als Kompetenzträger, und ohne dieses Forum hier würde ich wahrscheinlich heut nicht mehr (Spoiler-Alarm: einigermassen glücklich) Phaeton fahren. VW-Fan werd ich hingegen nicht - die Kombination aus weitgehender Inkompetenz mit irrealen Preisen ist nahezu - na, bleiben wir freundlich und schweigen wir hier.
Aber einen riesen Dank an dieses Forum und im speziellen an unseren Georg hier, der mir mit Rat und noch mehr Tat zur Seite gestanden hat. Ich kann ihn uneingeschränkt empfehlen, er und seine Jungs wissen, wie mit unseren Autos umzugehen ist. Damit ist der Alltagsbetrieb mit all seinen Eigenheiten eines Phaetons ein vergnügen.
Und Eigenheiten haben sie, unsere Lieblinge; ich denke, der Begriff "overengineered" trifft's recht gut. Ein paar durfte ich auch kennen lernen; Türen, die nicht aufgehen (einmal der Seilzug, einmal das Steuergerät), eine Thermo-Verglasung, die Garagensender als auch Satellitenempfang für's Navi blockieren, Empfangsverstärker im Innenraum und dazu generell eine Fantastilliarde an Steuergeräten, die meisten an sensiblen Plätzen, wo sie gut überflutet werden können.
Allerdings ist die Qualität des Wagens an sich fantastsch - zumindest meines (unverbastelten) und gut gewarteten GP0. Und damit sind die Kosten auch im realistischen Bereich, bis, betrieblich genutzt, eher im ausgesprochen günstigen Bereich. Wertverlust kann man naturgemäß vergessen, und eine Getriebspülung kostet halt was, aber auch nicht mehr als ein Service bei einem neuen Golf.
Also wie geht's mir jetzt; nach einigen notwendigen Dingen, die zu tun waren, sehr gut - er ist absolut bedenkenlos alltagstauglich. Gut, das mit dem Navi muss ich noch irgendwie lösen, naturgemäß macht mir das Dieselfahrverbot in deutschen INnenstädten wenig Freude, aber das ist halt so. Der - mittlerweile erreichten - Zuverlässigkeit des Phaeton macht das natürlich keinen Abbruch.
Oh - ich seh gerade, dass der Sermon schon viel zu lange geworden ist, sorry. Aber abschliessend - ein großartiges Auto mit Eigenheiten, die viel Fach- und Expertenwissen erfordern. Aber mit dieser Gruppe hier und Hilfe der Experten kann man sich an dem Wagen wirklich erfreuen!
Also nochmal vielen Dank für freundliche Worte, nette Kontakte und kompetenten Rat von Euch allen, und viel Spass mit dem Phaeton,
Euer Günther
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2 Antworten
Sehr schön geschrieben Günther!
Ja, unser Phaeton (hab meinen leider verkauft und ich vermisse ihn sehr) ist die Reminiszenz schlechthin an vergangene Tage. Die Tage wo ein Ingenieur, ein genialer Techniker, einer Firma wie VW die Richtung und das Qualitätsziel vorgeben konnte und nicht die stets präsenten „ich weiß nicht was, aber Studieren muss ich, nehm ich BWL“ - Purchase- alles ist zu teuer Herren stets die billigste Lösung durchwinken, wo hemdsärmelige Mechaniker noch was bewegen konnten, wo das Streben nach Perfektion noch erlaubt war und gefördert wurde. Dazu das hochmotivierte Team in der GMD, die mit so viel Herzblut dabei war ihre Babys auf die Welt zu bringen; all das erzeugt bei mir immer noch diese Aura automobiler Glückseligkeit, die ich auch bei Deiner Schwärmerei vermute
Ich erlaube mir hier ein Zitat niederzuschreiben, das einem Verkaufskatalog des Phaeton entstammt:
„Eine Oase in der Welt des Automobils
Ein Phaeton hat bereits vor seiner ersten Fahrt eine lange, ereignisreiche Reise hinter sich. Er entsteht nicht auf herkömmliche Art, sondern in einer gläsernen Manufaktur. Nur drei Roboter sind an seiner Montage beteiligt, ansonsten einzig und allein die Hände perfekt ausgebildeter Fachleute. Und es herrscht völlige Ruhe. Lautlos bewegen sich die Fahrzeuge auf hellem kanadischen Ahorn- und dunklem geräucherten Eichenparkett von einer Station zur nächsten. Das klingt nicht nur nach einem Künstleratelier, Automobilliebhaber werden uns Recht geben: Es ist eines. Viel zu eindrucksvoll und besonders, als dass es verborgen bleiben sollte. Deshalb findet die Montage komplett hinter Glas statt. Transparent, offen und lichtdurchflutet. Das ist buchstäblich einzigartig auf der Welt. Es ist die einzig mögliche Art, einen Phaeton zu bauen.“
Dem ist absolut nichts hinzuzufügen!
Viel Spaß weiterhin!
Grüße
Zitat:
@berlinrobbi schrieb am 6. Juni 2022 um 19:35:00 Uhr:
Sehr schön geschrieben Günther!
Dazu das hochmotivierte Team in der GMD, die mit so viel Herzblut dabei war ihre Babys auf die Welt zu bringen; all das erzeugt bei mir immer noch diese Aura automobiler Glückseligkeit, die ich auch bei Deiner Schwärmerei vermute
Vielen Dank, Robbi - und ja, ich bin mit dem Wagen sehr glücklich, nach wie vor. Der Phaeton ist der Abschluss dessen, was vor nahezu 100 Jahren mit dem "Autobahnkurier" begonnen hat, wenn auch damals von einer anderen Marke. Aber die Idee, einen Wagen konsequent auf komfortables Reisen auszurichten, hat der Phaeton zu Ende gedacht.
Wie wir alle wissen, sind die Zeiten der großen Autobahngleiter vorbei, und Benzinbrüder wie wir sind eine aussterbende Rasse - vielleicht beides sogar mit einer gewissen Berechtigung, das mag ich gar nicht abstreiten. Der Phaeton war eine sehr schöne Geschichte im letzten Kapitel dieses Buches, was jetzt noch kommt, sind Autos wie Smartphones und Features wie Apps, die man per Download installieren kann. Ich mag das nicht weiter kommentieren oder bewerten, nur; für mich persönlich ist das nix.
Ich werde weiterhin so verantwortungsvoll und vor allem so wenig wie möglich fahren, aber wenn es denn sein muss, soll es so angenehm wie möglich sein.
Liebe Grüße,
G.