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6 Monate Regel nach Haftpflicht Schaden

Themenstarteram 21. Juni 2023 um 5:27

Hallo,

wir haben einen Schaden an einem Fahrzeug, welcher theoretisch einen wirtschaftlichen Totalschaden darstellt. Da es aber nur Plaste und ein leichter Blechschaden ist, möchten wir das kostengünstig in Stand setzen. Die Möglichkeiten haben wir über befreundete Lacker etc.

Nun meine Frage. Da es sich um einen wirtschaftlichen Totalschaden handelt, hat mir dir gegnerische Partei bzw. die Versicherung, lediglich den Wiederbeschaffungswert - Restwert überweisen. Der liegt unterhalb der Reparaturkosten. Bei einer fiktiven Abrechnung hat man ja theoretisch das Recht auf diese. Somit ergibt sich derzeit eine Differenz von ca. 1.000€.

Mir wurde nun erklärt, dass Differenz erst erstattet wird, wenn das Auto weiterhin 6 Monate in unserem Besitz bleibt und im verkehrstauglichen Zustand ist. Aber wer und wie wird nachgewiesen? Und sind das wirklich die einzigen Voraussetzungen?

Ich verstehe diese ganze Regel nicht so ganz und wir haben etwas Sorge, dass wir nach einem halben Jahr auf dem Geld sitzen bleiben.

Vielleicht kann mir das einer für "Dummies" erklären? Ich finde das alles etwas absurd. Ein entstandener Schaden ist dem Geschädigten ja grundsätzlich erstmal zu ersetzen. Dieser ist beziffert. Ich verstehe nicht, was diese 6-Monats Hürde soll.

Danke und viele Grüße :-)

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53 Antworten

so ist das "Juristisch" geregelt:

Um die Frage nach der im Einzelfall zulässigen Abrechnungsvariante zu beantworten, sind stets die Bruttowerte der Reparaturkosten zuzüglich merkantilem Minderwert dem Wiederbeschaffungswert bzw. dem Wiederbeschaffungsaufwand (= Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) gegenüberzustellen. Die Nettowerte sind lediglich dann in Ansatz zu bringen, wenn der Geschädigte zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Grundsätzlich kann der Geschädigte auf den geringeren Wiederbeschaffungsaufwand verwiesen werden. Wenn jedoch ein besonderes „Integritätsinteresse“ vorliegt, greifen zugunsten des Geschädigten verschiedene Ausnahmen, welche nachfolgend im Rahmen der vom BGH entwickelten vier „Fallgruppen“ dargestellt werden:

Erste Stufe:

Reparaturkosten unter dem Wiederbeschaffungsaufwand

Liegen die Reparaturkosten unter dem Wiederbeschaffungsaufwand, hat der Geschädigte Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.1991, AZ: VI ZR 67/91). Die Mehrwertsteuer wird ersetzt, sofern sie angefallen ist.

Zweite Stufe:

Reparaturkosten zwischen Wiederbeschaffungsaufwand und Wiederbeschaffungswert

1) Fiktive Abrechnung bei Weiternutzung

Der Geschädigte hat Anspruch auf die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten ohne Abzug des Restwertes, wenn er das Fahrzeug tatsächlich verkehrssicher reparieren lässt und mindestens sechs Monate weiter nutzt, wobei die Qualität der Reparatur keine Rolle spielt (BGH, Urteile vom 29.04.2003, AZ: VI ZR 393/02; vom 23.05.2006, AZ: VI ZR 192/05 und vom 29.04.2008, AZ: VI ZR 220/07).

2) Fiktive Abrechnung bei Weiterveräußerung

Der Geschädigte erhält den Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert, da durch die Veräußerung des Fahrzeugs der Restwert in entsprechender Höhe ausgeglichen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 07.06.2005, AZ: VI ZR 192/04).

3) Konkrete Abrechnung

Lässt der Geschädigte sein Fahrzeug vollständig reparieren, erhält er die Reparaturkosten (brutto) erstattet, ohne dass es auf die Weiternutzung des Fahrzeugs ankommt (BGH, Urteil vom 23.11.2010, AZ: VI ZR 35/10).

Dritte Stufe:

Reparaturkosten zuzüglich Wertminderung bis 130 % des Wiederbeschaffungswertes

1) Grundsatz

Der Geschädigte kann Reparaturkosten, die zuzüglich einer etwaigen merkantilen Wertminderung bis zu 30 % über dem Wiederbeschaffungswert liegen, nur verlangen, wenn er sein Fahrzeug vollständig (in einem Umfang, wie ihn der Sachverständige zur Grundlage seiner Schadenschätzung gemacht hat) und fachgerecht reparieren lässt (vgl. BGH, Urteil vom 15.02.2005, AZ: VI ZR 70/04) und er das Fahrzeug mindestens sechs Monate weiter nutzt. Anderenfalls ist der Anspruch auf den Wiederbeschaffungsaufwand beschränkt (vgl. BGH, Urteil vom 15.02.2005, AZ: VI ZR 172/04).

2) Werkstatt- und Prognoserisiko

Entscheidend ist die Prognose im Gutachten eines Kfz-Sachverständigen. Der Reparaturauftrag darf erteilt werden, wenn die prognostizierten Reparaturkosten unter 130 % liegen. Liegen dann die tatsächlichen Reparaturkosten unfallbedingt höher, trägt der Versicherer grundsätzlich das Prognoserisiko. Bei Kostenvoranschlägen trägt das Prognoserisiko allerdings der Reparaturbetrieb.

3) Reparatur mit Gebrauchtteilen

Im Einzelfall ist eine Reparatur mit Gebrauchtteilen zulässig, wenn dies zu einer fachgerechten und den Vorgaben des Gutachtens entsprechenden Wiederherstellung führt (vgl. BGH, Urteile vom 02.06.2015, AZ: VI ZR 387/14 und vom 14.12.2010, AZ: VI ZR 231/09). Entspricht die Reparatur jedoch nicht den Vorgaben des Gutachtens, ist nur der Wiederbeschaffungsaufwand zu erstatten, daher empfiehlt sich stets eine Alternativ-Kalkulation durch den Sachverständigen.

4) Rabatte unzulässig

Werden vom Reparaturbetrieb nicht näher begründete Rabatte eingeräumt, wird dies von der Rechtsprechung nicht anerkannt (vgl. BGH, Urteil vom 08.02.2011, AZ: VI ZR 79/10).

Vierte Stufe:

Reparaturkosten über 130 % des Wiederbeschaffungswertes

1) Grundsatz

Liegen die im Gutachten kalkulierten Kosten der Reparatur eines Fahrzeugs mehr als 30 % über dem Wiederbeschaffungswert, so ist die Instandsetzung in aller Regel wirtschaftlich unvernünftig. Lässt der Geschädigte sein Fahrzeug dennoch reparieren, so können die Kosten nicht in einen wirtschaftlich vernünftigen Teil (bis 130 % des Wiederbeschaffungswertes) und einen vom Geschädigten selbst zu tragenden wirtschaftlich unvernünftigen Teil aufgespalten werden. In diesem Fall hat der Geschädigte nur Anspruch in Höhe des Wiederbeschaffungsaufwandes im Rahmen der Totalschadenabrechnung (vgl. BGH, Urteile vom 15.10.1991, AZ: VI ZR 67/91 und vom 08.12.2009, AZ: VI ZR 119/09).

2) Bei Kostenunterschreitung

Hier kommt es auf den konkreten Grund für die Reduzierung der Reparaturkosten (inkl. etwaiger Wertminderung) auf unter 130 % des Wiederbeschaffungswertes an. Unter der Voraussetzung, dass die Reparatur des Fahrzeuges fachgerecht und vollständig durchgeführt wurde, dürfte eine Kostenreduzierung aufgrund objektiver Umstände zulässig sein. Hierzu zählen z.B. niedrigere Stundenverrechnungssätze in einer anderen Region oder in einer freien Werkstatt, anerkannte Instandsetzungsalternativen, zeitwertgerechte Reparatur mit Gebrauchtteilen (Achtung: über diese Konstellationen wurden vom BGH bislang noch nicht konkret entschieden, hier sollte im Vorfeld eine Alternativkalkulation des Gutachters eingeholt werden). Unzulässig sind jedenfalls Pauschalpreisvereinbarungen, Sonderkonditionen, pauschale Preisnachlässe, ein vom Gutachten abweichender Reparaturweg etc.

Praxistipp

Liegen die kalkulierten Reparaturkosten beispielsweise unter Verwendung des Stundenverrechnungssatzes einer fabrikatsgebundenen Werkstatt und bei Verwendung von Neuteilen oberhalb der 130 %-Grenze und beabsichtigt der Geschädigte gleichwohl eine Reparatur des Fahrzeuges, sollte er immer durch den Sachverständigen prüfen lassen, ob bei Verwendung gebrauchter Teile die Reparatur im Rahmen der 130 %-Grenze möglich ist. Der Sachverständige sollte in diesen Fällen eine verbindliche Alternativkalkulation fertigen.

https://www.autohaus.de/.../...monate-weitergenutzt-werden-2779164?...

Um nach einem Crash fiktiv abrechnen zu können, darf der Geschädigte sein Fahrzeug frühestens nach sechs Monaten weiter veräußern – sonst droht ein Verstoß gegen das Bereicherungsverbot.

Themenstarteram 21. Juni 2023 um 6:43

Das hatte ich bereits gelesen.

Mir stellt sich eher die Frage welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um den Differenzbetrag zu erhalten....

Das Auto noch besitzen würde ich sagen und dann die Versicherung auffordern das zu bezahlen, evtl. eine Kopie von Teil 1.

Eigentlich ist die Auszahlung des RW direkt zahlungsfälllg und man müsste die Differenz zur Totalschadensabrechnung erstatten, wenn man innerhalb eines halben Jahres doch verkaufen würde. Mit einem Verkauf in dieser Frist dokumentiert man, dass man keinen Weiternutzungswillen hatte. Die Versicherungen drehen in diesem Punkt die Rechtslage dreist um.

Themenstarteram 21. Juni 2023 um 7:00

Zitat:

@berlin-paul schrieb am 21. Juni 2023 um 08:58:18 Uhr:

Eigentlich ist die Auszahlung des RW direkt zahlungsfälllg und man müsste die Differenz zur Totalschadensabrechnung erstatten, wenn man innerhalb eines halben Jahres doch verkaufen würde. Mit einem Verkauf in dieser Frist dokumentiert man, dass man keinen Weiternutzungswillen hatte. Die Versicherungen drehen in diesem Punkt die Rechtslage dreist um.

Klingt nach gängiger Praxis....

Also hätte ich eigentlich die kompletten Reparaturkosten bekommen müssen?

Ja, ohne 19% USt.. Wenn man sich selbst drum bemüht, vergisst man gerne auch noch die anderen Positionen.

Themenstarteram 21. Juni 2023 um 10:04

Ist die Frage ob ich jetzt noch einen Anwalt einschalte, bevor es hinterher Probleme gibt

Wird keiner annehmen wollen. Es ist für den Anwalt mehr Arbeit als wenn du ihn von Anfang an beauftragst. Und er bekäme für die Restarbeit nur einen Bruchteil der Vergütung (vom Gegner) dafür.

Themenstarteram 21. Juni 2023 um 10:30

Sowas muss man erstmal alles wissen....unglaublich. Hätte nicht gedacht, dass das so ein Heckmeck gibt

Wenn die 6 Monate rum sind würde ich an deiner Stelle die Differenz nachfordern. FLür den nächsten "Bums" bist du dann besser vorbereitet.

Hast Du dein Vorhaben der Versicherung mitgeteilt?

Kurze Info an die VS, dass Du das Fahrzeug verkehrssicher reparierst und es mindestens 6 Monate in deinem Besitz bleibt, inkl. Aufforderung den Restwert zu überweisen.

Bei Bedarf kannst Du das der VS nach 6 Monaten belegen.

Themenstarteram 21. Juni 2023 um 10:52

Zitat:

@Cokefreak schrieb am 21. Juni 2023 um 12:44:35 Uhr:

Hast Du dein Vorhaben der Versicherung mitgeteilt?

Kurze Info an die VS, dass Du das Fahrzeug verkehrssicher reparierst und es mindestens 6 Monate in deinem Besitz bleibt, inkl. Aufforderung den Restwert zu überweisen.

Bei Bedarf kannst Du das der VS nach 6 Monaten belegen.

Das Fahrzeug ist verkehrssicher und wird weiter bewegt. Tatsächlich habe ich das so der Versicherung noch nicht gezielt mitgeteilt.

Themenstarteram 21. Juni 2023 um 11:04

Bei fiktiver Abrechnung, wenn der Reparaturaufwand zwischen Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) und Wiederbeschaffungswert liegt: der Geschädigte hat Anspruch auf die vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten netto ohne Abzug des Restwertes, wenn er das Fahrzeug mindestens sechs Monate weiter nutzt und falls erforderlich bis zur Verkehrssicherheit reparieren lässt (BGH, Urteil v. 29.04.2003, Az. VI ZR 393/02; Urteil v. 23.05.2006, Az. VI ZR 192/05; Urteil v. 29.04.2008, Az. VI ZR 220/07).

Der BGH hat mit Beschluss vom 18.09.2008, Az. VI ZB 22/08, und vom 26.05.2009, Az. VI ZB 71/08, festgestellt: „Die Sechsmonatsfrist stellt keine zusätzliche Anspruchsvoraussetzung dar. Sie hat lediglich beweismäßige Bedeutung. Wird das beschädigte Fahrzeug sechs Monate nach dem Unfall weiter benutzt, so ist dies im Regelfall ein ausreichendes Indiz, um das Integritätsinteresse (das Interesse auf Erhalt und Reparatur des vertrauten Fahrzeugs) des Geschädigten; eine weiter gehende Bedeutung hinsichtlich der Fälligkeit des Anspruchs kommt der Frist nicht zu.“

Der Anspruch des Geschädigten ist damit schon vor Ablauf der sechs Monate fällig. Fälligkeit bezeichnet den Zeitpunkt, von dem an der Gläubiger die Leistung verlangen kann. Verlangt der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, tritt die Fälligkeit in der Regel sofort im Zeitpunkt der Rechtsgutverletzung ein.

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Da steht es eigentlich ganz eindeutig....Die Versicherung muss sofort zahlen.

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