• Online: 3.414

Mercedes-AMG Project One auf der IAA: Hypercar, Premiere - Effizient wie ein Toyota-Hybrid - aber mit 1.000 PS

verfasst am

Mercedes-AMG packt endlich sein Geschenk zum 50. Jubiläum aus. Das Hypercar Project One steht als Showcar auf der IAA. Allein der Turbo hat mehr PS als ein Kleinwagen.

Mercedes-AMG Project One: Mit diesem Hypercar präsentiert Daimler Formel-1-Technik für die Straße Mercedes-AMG Project One: Mit diesem Hypercar präsentiert Daimler Formel-1-Technik für die Straße Quelle: sb-Medien | Stefan Baldauf

Frankfurt – Eigentlich geht das mit den Geburtstagsgeschenken so: Erst sieht man die Verpackung, dann den Inhalt. Bei AMG geht das anders. Die Sportabteilung von Mercedes hat sich zum 50. Jubiläum einen Hypersportwagen geschenkt - und erstmal nur verraten, wie er funktioniert. Am Vorabend der IAA fällt endlich das Tuch. Noch immer enthüllt es kein Serienmodell. Doch das Showcar dürfte schon sehr nah am Serienauto sein.

Wenn man den Project One ein Serienauto nennen darf. Mercedes behauptet, das Design sei von der Formel 1 inspiriert. Doch eigentlich sieht der Project One aus wie ein Le-Mans-Prototyp. Die Fahrerkabine rückt weit nach vorn, vor den mittschiffs platzierten Motor. Eine "Hai-Finne" zieht sich von der Lufthutze auf dem Dach nach hinten. Das soll die Querführung in schnellen Kurven verbessern und bildet quasi eine Einheit mit der Heckscheibe. Sie gibt den Blick frei auf etwas, das mit Motor offenbar nicht mehr ausreichend beschrieben ist. Mercedes-AMG nennt es "Power-Unit".

Der Project One von Mercedes-AMG leistet mehr als 1.000 PS und soll 2019 auf den Markt kommen Der Project One von Mercedes-AMG leistet mehr als 1.000 PS und soll 2019 auf den Markt kommen Quelle: Daimler

Mercedes Project One Showcar für die IAA 2017

Die Power Unit ist im Prinzip bekannt. AMG hat mit dem Mercedes-Formel-1-Team zusammengearbeitet und mit den Formel-1-Profis aus der Motorenentwicklung. Ein Großteil des Antriebsstrangs des Project One stammt direkt aus der Formel 1. Aber: im Straßenauto wird er komplizierter. Die Ingenieure kombinieren einen Turbobenziner mit insgesamt vier Elektromotoren, die unterschiedliche Aufgaben übernehmen.

Zwei davon sitzen an der Vorderachse und verteilen dort ihre Kraft von je 120 kW (163 PS) per Torque Vectoring an die Räder. Beim Bremsen sollen sie bis zu 80 Prozent der frei werdenden Energie zurück in den Akku speisen. Einen dritten, ebenfalls 120 kW starken Motor, schraubt Mercedes direkt an den Verbrenner und verbindet ihn über einen Stirnradantrieb mit der Kurbelwelle. Dort bringt er zusätzlichen Vortrieb.

Jedes Teil am Project One erfüllt eine Funktion - das verspricht Mercedes-AMG für das neue Hypercar Jedes Teil am Project One erfüllt eine Funktion - das verspricht Mercedes-AMG für das neue Hypercar Quelle: Daimler

Mercedes-AMG Project One: Ein E-Motor für den Turbo

E-Motor Nummer vier bringt den Turbolader auf Touren. Die Techniker trennen Abgas- und Verdichterseite und platzieren die Turbinen jeweils dort, wo sie am effektivsten arbeiten können. Also auf Abgas- und Ansaugseite. Eine Welle verbindet sie, auf ihr sitzt der Elektromotor.

Der Motor leistet 90 kW (122 PS) und kann die Verdichterturbine je nach Betriebszustand mit 100.000 Umdrehungen antreiben. AMG verspricht ein besseres Ansprechverhalten als bei einem V8-Saugmotor. Turboloch? Gibt es nicht. Daneben kann der E-Motor auf der Turbowelle überschüssige Energie aus dem Abgasstrom in die Batterie speisen oder dem E-Motor am Verbrenner zuführen.

Apropos Verbrenner. Der mag klein sein, spielt aber trotzdem eine zentrale Rolle im Project One. Der 1,6-Liter-V6 stammt direkt aus dem Formel-1-Rennwagen von Mercedes-AMG Petronas. Vier oben liegende Nockenwellen werden über Stirnräder angetrieben. Mechanische Ventilfedern werden durch pneumatische ersetzt. Lohn des Aufwands: Der Motor dreht bis 11.000 U/min. Im F1-Auto kann er mehr, doch der Project One soll normalen Super-Plus-Kraftstoff vertragen. Und länger halten als das F1-Aggregat.

Mercedes-AMG Project One: Achtgang-Automatik und voll variabler Allradantrieb Mercedes-AMG Project One: Achtgang-Automatik und voll variabler Allradantrieb Quelle: Daimler

AMG Hypercar: Mit fünf Motoren auf 1.000 PS

Mercedes-AMG verspricht einen thermischen Wirkungsgrad von mehr als 40 Prozent für den Strang aus V6-Motor mit halb-elektrischem Turbolader (MGU-H oder „Motor Generator Unit Heat“) und Elektromotor an der Kurbelwelle („Motor Generator Unit Kinetic“, MGU-K). Einmalig? AMG spricht von einem „bisher unerreichten Spitzenwert“ in einem Serienfahrzeug. Und hat dabei offenbar Toyota übersehen. Deren neuer 2,5-Liter-Benziner kommt in einem Hybrid auf 41 Prozent.

Gut, ein RAV4-Hybrid fischt in etwas anderen Gewässern. Der Project One soll auf eine Systemleistung von mehr als 740 kW kommen. Oder, das klingt etwas eindrucksvoller: mehr als 1.000 PS. Rund drei Viertel davon fallen über die Hinterachse her, 240 kW gehen ausschließlich nach vorn. Wie viel Drehmoment der Strang bereitstellt, verrät AMG nicht, es dürfte reichlich sein. Sortiert wird das Ganze von einem eigens entwickelten automatisierten Achtgang-Schaltgetriebe.

Im rein elektrischen Modus wird der Project One zum Fronttriebler. Im „Volle-Attacke-Modus“ schickt das System die Leistung je nach Bedarf an die Räder. Grundsätzlich wirkt das Gaspedal als Schaltstratege: Vorsichtiges Anfahren aktiviert nur die E-Motoren an der Vorderachse, kurze Zwischensprints unterstützt der E-Motor auf der Kurbelwelle. Höhere Drehzahlen setzen mehr Leistung frei.

Das Cockpit des Mercedes-AMG Project One: zwei Monitore und ein Lenkrad mit vielen bunten Knöpfen Das Cockpit des Mercedes-AMG Project One: zwei Monitore und ein Lenkrad mit vielen bunten Knöpfen Quelle: Daimler

Mercedes-AMG Project One: 0-200 km/h in unter 6 Sekunden

Lohn des Aufwands: Mit voller Leistung und Launch Control sprintet der Project One in unter sechs Sekunden – auf Tempo 200. Feierabend ist erst bei 350 km/h. Reichlich kinetische Energie, die direkt rekuperiert wird, wenn der Fahrer vom Fahrpedal geht. Wer ausschließlich elektrisch fährt, soll 25 Kilometer weit kommen.

Viele Menschen werden sich keine Gedanken darum machen müssen. Mercedes-AMG will nur 275 Autos bauen. Ende 2018 soll die Produktion des Serienmodells starten, ab 2019 kommt er zu den Kunden. Vermutlich werden einige Exemplare ein warmes Plätzchen in einer klimatisierten Sammlergarage finden. Neben einem Aston Martin und einem McLaren-F1-Nachfolger vielleicht. Die beiden britischen Marken basteln aktuell an ihren eigenen Hypercars.

Technische Daten Project One

  • Antrieb Hinterachse: 1,6-Liter-V6 und Elektromotor
  • Leistung Hinterachse: > 670 PS (500 kW)
  • Antrieb Vorderachse: Zwei Elektromotoren
  • Leistung Vorderachse: 2 mal 120 kW (2x163 PS)
  • System-Leistung: > 740 kW (> 1.000 PS)
  • Antrieb: Allradantrieb, vollvariabel
  • Getriebe: AMG automatisiertes 8-Gang-Schaltgetriebe
  • Elektrische Reichweite: 25 km
  • 0-200 km/h: < 6 s
  • Höchstgeschwindigkeit: > 350 km/h
  • Marktstart: vorauss. 2019
  • Preis: ca. 2,3 Mio Euro (exkl. Steuern)
Avatar von HeikoMT
137
Hat Dir der Artikel gefallen? 9 von 14 fanden den Artikel lesenswert.
Diesen Artikel teilen:
137 Kommentare: