Der Ford Sierra galt als biederes Rentnerauto. Mit dem 2,9i-Cosworth-Motor vom Scorpio wird der Wagen zum zornigen Lustgreis. Wir haben uns einen Umbau angesehen.
Von Haiko Prengel Berlin – Es gibt Menschen, die mögen Autos ohne jegliches Charisma. Klaus Kucharczyk zum Beispiel. Sein Ford Sierra rollt auf öden Stahlfelgen mit Radkappen, die Sitze sind mit beige-braunem Stoff bezogen, auf der Hutablage liegt eine umhäkelte Klopapierrolle. „Das ist genau das, was ich wollte“, sagt Kucharczyk über seinen Ford Sierra. „Der soll aussehen wie eine Rentnerschleuder!“ Doch man sollte bei diesem Sierra nicht zu schnell urteilen. Auch wenn ihm ein doppelstöckiger Spoiler wie am Sierra XR4i fehlt oder der Riesenflügel des Sierra RS Cosworth: Dieser Berliner Youngtimer, Baujahr 1990, hat es faustdick unter der Motorhaube. Die Lufthutzen darauf deuten es schon vorsichtig an. Genau wie die dezente Tieferlegung. Kennern geht spätestens bei der Kennzeichen-Kombination ein Licht auf: „BOA“ - so lautete der Codename für den 2,9i-Cosworth-Motor, den Ford Anfang der Neunziger im Ford Scorpio 24 V verbaute. Markenzeichen: Ein kraftvolles DOHC-Aggregat mit satten 195 PS und 275 Newtonmetern Drehmoment. Ford Sierra mit 24-Ventil-Umbau: Nur 65.000 km gelaufen Schon sein allererstes Auto war ein Ford Sierra. „Und das Auto musste ziemlich viel mitmachen“, erinnert sich Kucharczyk, der aus der Nähe von Ludwigslust stammt. 120 PS hatte der Wagen, ziemlich viel für ein Anfängerauto. Dazu kamen Schaltgetriebe und Hinterradantrieb – die Folgen waren klar: „Damit bin ich gedriftet ohne Ende.“ Sein Ur-Sierra hielt immerhin bis 2007 durch, dann folgte ein Ford Scorpio. Den zweiten Sierra aus Wuppertal hatte er sich kurz nach dem ersten gekauft. Abgesehen vom Geld mangelte es auch an Zeit zum Schrauben, deshalb stand der Wagen für längere Zeit auseinandergenommen in der Schrauberhalle. Als die finanzielle Lage sich besserte und mehr Muße da war, begann Kucharczyk, seinen Sierra nach eigenen Vorstellungen umfangreich umzubauen. Ford Sierra Tuning: Größere Bremsen und Tieferlegung
An der Karosserie musste nichts gemacht werden – sehr untypisch für den Sierra, von denen viele andere Exemplare wegrosteten. Schweller, Längsträger, Radläufe – neuralgische Stellen gab es viele. Der bordeaux-rote Wagen aus Wuppertal war sauber, was der peniblen Vorsorge des Vorbesitzers zu verdanken ist. „Der hat das Auto im Winter abgemeldet“, sagt Kucharczyk. Sein wichtigster Eingriff beim Tuning galt dem Motorraum. Der originale Motor, als 2,9 12V (145 PS) auch kein Leisetreter, kam raus und wurde durch den 2,9i Cosworth aus einem geschlachteten Scorpio 24V ersetzt. Mit 225 km/h ist dessen Spitzen angegeben, aber der Sierra ist das leichtere Auto und deshalb schneller. Neulich machte Kucharczyk den Bleifuß-Test auf der Autobahn. „Mein Navi zeigte 236 km/h an.“ In England sind solche Sierra-Umbauten auf Cosworth-Motoren sehr beliebt, dann allerdings meist mit Schaltgetriebe. Der letzte Mittelklasse-Ford mit Hinterradantrieb Den Ford Sierra von Klaus Kucharczyk wird man nun öfter auf der Straße sehen – und wenn der Berliner aufs Gaspedal drückt, in der Regel von hinten. Noch sei er dabei, „Erfahrungs-Kilometer“ zu sammeln, sagt der 35-Jährige. Eine erste große Ausfahrt zu einem Ford-Sierra-Treffen im Ruhrgebiet hat sein Auto aber schon erfolgreich absolviert. Nur Driften tut er mit seinem alten Ford nicht mehr, sein unscheinbarer Ghia ist ein Automatik. Ganz Rentner-Auto eben. Auf den ersten Blick. Ford Sierra bei mobile.de finden Technische Daten Ford Sierra 2,9i 24V (1990)
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