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Funktionsweise Allradantrieb beim aktuellen Vitara

Suzuki
Themenstarteram 27. September 2016 um 12:28

Wie ist beim Suzuki Vitara der Allradantrieb aufgebaut?

Gibt es ein Mittendifferenzial was bei Allradantrieb die Drehzahldifferenz zwischen Vorder- und Hinterachse beim Kurven fahren ausgleicht?

Ich weiß, dass ein Problem beim Jimny ist, weil er eben kein Mittendifferenzial hat.

Wie läuft die Kraftverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse (variabel oder fest)?

Und welche Achse wird standartmäßig angetrieben?

Netter Gruß Clive

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11 Antworten

Moin,

der Vitara hat den Allrad des SX4 S-Cross übernommen. Die Vorderachse wird direkt angetrieben, die Hinterachse bei Schlupf mittels Lamellenkupplung beteiligt. Gleiches Funktionsprinzip wie bspw. beim Nissan Qashqai, die Kupplung kann bei niedrigen Geschwindigkeiten manuell gesperrt werden.

Ist mit dem Jimny nicht vergleichbar (und leider auch nicht mit dem Allrad des Grand Vitara), sondern der heutzutage übliche Hang-On-Allrad für Fronttriebler - fährt auch die meiste Zeit als solcher. Sperrwirkung tritt nur bei Drehzahlunterschieden oder spontanem Gaseinsatz auf, Lenkeinschlag reduziert in aller Regel die maximale Sperrwirkung.

Gruß

Derk

Themenstarteram 29. September 2016 um 9:55

Hallo Derk,

erst mal recht herzlichen Dank für deine Antwort.

Der Jimny ist sicher ein geiler Geländegänger, aber der Allrad nicht für die Straße zu gebrauchen.

Ich sage da nur fehlendes Zentraldiffenrenzial mit allen Folgen.

Und der standartmäßige Heckantrieb ist auf der Straße im Winter auch nicht der Bringer.

Da ist das sicher beim Vitara besser gelöst.

Was eben blöde ist, ist wenn an jeder Achse ein Rad durchdreht stehst du.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine elektronische Achssperre (Bremseingiff) die Welt kosten würde.

Ich brauche einen Allradler der auch mal im (richtigen) Winter meinen Garten erreicht. Und dort geht es über einen Havarieweg der DB mit eingebauten Steigungen.

Ich hatte mir im Vorfeld auch den Mitsubishi Pajero angesehen. Der hat alles vom sperrbaren Zentraldifferenzial bis zur Achssperre hinten.

Nur als ich dann nach der KFZ- Steuer (580 €/a) geschaut habe, bekam ich Schnappatmung.

Netter Gruß Clive

Immer gerne...

Zitat:

@C.Cussler schrieb am 29. September 2016 um 11:55:36 Uhr:

Der Jimny ist sicher ein geiler Geländegänger, aber der Allrad nicht für die Straße zu gebrauchen.

Ich sage da nur fehlendes Zentraldiffenrenzial mit allen Folgen.

Und der standartmäßige Heckantrieb ist auf der Straße im Winter auch nicht der Bringer.

Ich weiß - ich hatte einen ;).

Zitat:

@C.Cussler schrieb am 29. September 2016 um 11:55:36 Uhr:

Was eben blöde ist, ist wenn an jeder Achse ein Rad durchdreht stehst du.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine elektronische Achssperre (Bremseingiff) die Welt kosten würde.

Traktionskontrolle ist vorhanden, das ist nichts Anderes als die "elektronische Differentialsperre". Ohne gibt es an sich keinen Allradler mehr. Wobei das Problem beim Jimny dasselbe war - dreht an jeder Achse ein Rad durch, war's das - mit dem Unterschied, dass dies durch die bessere Verschränkung seltener vorkommt.

Solange noch ein Weg im Gelände erkennbar ist, reichen Systeme wie das im Vitara an sich aus - ein Freelander I kann auch nicht mehr, und auch dem hat man noch gute Geländetauglichkeit unterstellt. Das Fahrverhalten ändert sich allerdings, während man im Jimny dank Untersetzung und flexiblem Fahrwerk die Dinge noch langsam angehen konnte, ist beim Vitara die einzig zielführende Fahrweise, das Gaspedal nach unten zu nageln um den Allradantrieb und die Traktionskontrolle im Regelbereich zu halten. Ist materialmordender, funktioniert aber auch - und eben mit weniger Nachdenken ;).

Den Pajero-Allrad im Suzuki-Format gab es in Form des Pajero Pinin - dürfte Dir aber zu alt sein?

Gruß

Derk

Themenstarteram 30. September 2016 um 10:00

Zitat:

...

Traktionskontrolle ist vorhanden, das ist nichts Anderes als die "elektronische Differentialsperre". Ohne gibt es an sich keinen Allradler mehr. Wobei das Problem beim Jimny dasselbe war - dreht an jeder Achse ein Rad durch, war's das - mit dem Unterschied, dass dies durch die bessere Verschränkung seltener vorkommt. ....

Den Pajero-Allrad im Suzuki-Format gab es in Form des Pajero Pinin - dürfte Dir aber zu alt sein?

Gruß

Derk

Hallo Derk,

erst mal vielen Dank für deine nette ausführliche Art. Ich finde, so sollte Motortalk funktionieren.

Zum Thema Traktionskontrolle noch ein Gedanken.

Die Steuerung zwischen den Achsen ist ja bei allen Allradlern mit wenigen Ausnahmen gegeben.

Was ich nicht verstehe ist, dass man wenn ein Rad an einer Achse durchdreht und man stellt das schon über den ABS Sensor fest, dieses Rad nicht automatisch anbremst.

Damit könnte man auch bei 3 "frei drehenden" Rädern problemlos erreichen, dass das 4. Rad das den Kraftschluss herstellen kann, tatsächlich die notwendige Leistung erhält.

Ich meine, vielleicht gibt es da auch Produkthaftungsgründe. Ein angetriebenes Rad führt unweigerlich zu einem Giermoment.

Mit dem Pajero Pinin werde ich mir mal anschauen.

Leider sterben die Allradler der alten Schule aus, oder werden über die KFZ- Steuer Tod gemacht. Ich finde es wahnsinnig schade das Suzuki aus dem Vitara einen Großstadt- Dandy gemacht hat.

Früher stand Suzuki für einfach, bodenständige Technik mit günstigen Preise. Aber günstig ist auch bei Suzuki schon ne lange Weile nicht mehr.

Netter Gruß Clive

 

Zitat:

@C.Cussler schrieb am 30. September 2016 um 12:00:27 Uhr:

Was ich nicht verstehe ist, dass man wenn ein Rad an einer Achse durchdreht und man stellt das schon über den ABS Sensor fest, dieses Rad nicht automatisch anbremst.

Damit könnte man auch bei 3 "frei drehenden" Rädern problemlos erreichen, dass das 4. Rad das den Kraftschluss herstellen kann, tatsächlich die notwendige Leistung erhält.

Doch, genau das macht man - nur so einfach ist es mechanisch nicht. Der Raddrehzahlsensor ist ein Impulsgeber, je höher dessen Auflösung ist, desto genauer kann der Raddrehwinkel aufgelöst werden. Für eine Unterscheidung, ob ein Rad wirklich mehr Drehzahl macht als es sollte, muss das aber ein paar Impulse aufnehmen, bzw. der zeitliche Verlauf betrachtet werden. Die Werbung verspricht meistens etwas von "schon 7 Grad Differenz können erkannt werden", tatsächlich liegt die Reaktionszeit aktuell in der Größenordnung von etwa einer Viertelumdrehung, weil man eben mehr als einen Impuls braucht. Viel genauer wird es auch nicht, denn es kann ja durchaus eine Abweichung durch den Untergrund entstehen, die "richtig" ist und nicht durch Bremse oder Mitteldiffsperre gekontert werden soll. Das Soll-Drehzahlverhältnis wird durch den Lenkwinkel (ebenfalls mit begrenzter Auflösung) vorgegeben, es wird aber bspw. nicht der Einfederzustand mit berücksichtigt, der ebenfalls Einfluss auf die zurückgelegte Wegstrecke (und damit die Drehzahlen) der einzelnen Räder hat.

Weiterhin gibt es Einschränkungen, die sich aus der Kombination von Mitteldifferentialsperre und Traktionskontrolle ergeben - ist die Mitteldiffsperre drin (bzw. die Lamellenkupplung geschlossen), kann man vier einzelne Räder nicht mehr unabhängig voneinander abbremsen, sondern nur noch achsweise (Bremswirkung auf beide Räder einer Achse bremst dann das gesamte Fahrzeug, im Gegensatz zu einem offenen Mitteldifferential, welches dann Kraft zur anderen Achse lenken würde - bspw. wie beim ersten Mercedes ML). Das ist auch ein Grund der Popularität der Hang-On-Lösungen: Man kann sie einfach mit ESP und ABS, also dem unabhängigen Abbremsen einzelner Räder kombinieren, da im ESP- und ABS-Regelfall einfach die Kupplung nach hinten offen gelassen wird.

Zuletzt noch die Einschränkung, dass die Radbremse nur intervallartig angesprochen werden kann, da nach jedem Abbremsen die Drehzahldifferenz zwangsweise geändert wird, und erst durch erneutes Anlaufen getestet werden muss, ob wieder/noch Bremsbedarf besteht - ist ein Regelkreis, der benötigt Eingangsgrößen, um etwas regeln zu können. Sich kontinuierlich an einem Rad aus dem Dreck zu ziehen geht mit dieser Technik nur bis zu einem bestimmten Grad - solange der Schlamm nicht zu tief, und die Steigung nicht zu hoch ist, gegen zu hohen Gegenhalt kommt das kurzzeitige Abbremsen nicht an. Für mehr bedarf es echter Differentialsperren, welche aber auch wiederum Radschlupf nicht verhindern, sondern bei Kurvenfahrt sogar fördern...

Wenn's neuer als der Pinin sein soll - der letzte Grand Vitara hatte ebenfalls einen "echten" permanenten Allrad, dort fehlt allerdings die Abschaltmöglichkeit der Vorderachse, die der Mitsubishi-Allrad noch bot (Achtung: Nur die GDI-Versionen des Pajero Pinin haben den vollwertigen Allradantrieb, der MPI hat "nur" einen normalen Allrad ohne Untersetzung).

Das "Problem" der althergebrachten Suzukis war/ist schlichtweg: Es kauft sie keiner mehr. Die Anzahl derer, die die Geländequalitäten tatsächlich brauchen sinkt, und für gelegentliche Nutzung reichen die aktuellen Allrad-Lösungen halt aus, selbst wenn sie so langsam arbeiten wie bspw. im Honda CR-V.

Gruß

Derk

Themenstarteram 30. September 2016 um 10:44

Wow... ist ein Ausdruck höchster Bewunderung.

Erst mal Danke für die schnelle Antwort.

Und deine super interessant lange Erklärung lässt mir so manchen Zusammenhang klar werden.

Du scheinst sehr tief in der Materie zu stecken.

Es stimmt natürlich, dass heute kaum noch jemand Bedarf an echten Geländewagen anmeldet.

Noch mal ne Verständnisfrage, gibt es eigentlich Fahrzeuge für "Normalos" bei denen zum einen das Mittendifferenzial und zum anderen beide Achsdifferenziale mechanisch sperrbar sind.

Ich hoffe mal die Frage ist nicht dumm... aber es soll ja keine dummen Fragen geben.

Ich meine der Weg zu meinem Garten ist auch im Winter noch erkennbar, wenn nicht gerade 50 cm Schnee liegen, somit hoffe ich mal, dass die Massen konformen Lösungen passen.

Netter Gruß fürs Wochenende

Clive

Zitat:

@C.Cussler schrieb am 30. September 2016 um 12:44:37 Uhr:

Du scheinst sehr tief in der Materie zu stecken.

Berufskrankheit - allerdings nicht im Automotive-Bereich ;).

Zitat:

@C.Cussler schrieb am 30. September 2016 um 12:44:37 Uhr:

Noch mal ne Verständnisfrage, gibt es eigentlich Fahrzeuge für "Normalos" bei denen zum einen das Mittendifferenzial und zum anderen beide Achsdifferenziale mechanisch sperrbar sind.

Das volle Sperrenpaket (vorne, hinten, mitte) ist aktuell ab Werk nur bei Jeep Wrangler Rubicon und Mercedes G-Modell erhältlich. Eine Hinterachssperre findet sich in manchen Aufpreislisten, alternativ gibt es Drittanbieter-Lösungen, meistens nur für solche Fahrzeuge mit Starrachse hinten (weil dafür das Differential aufgemacht werden muss, und das geht bei der Starrachse am einfachsten). Zusätzlich zu den manuellen Sperren gibt es auch automatische (Detroit Locker, Lockright, etc.), werden gerne in SJ und Jimny gefahren, kann aber auch mal ungewollter Weise auf der Straße sperren. Eine Besonderheit war noch Jeeps Quadra Drive im Grand Cherokee WJ, mit automatischen Achssperren (also nicht über Bremseneingriff, sondern ähnlich wie die Lamellenkupplung als Mitteldifferential).

Zwingend erforderlich ist das auch für's Gelände meiner Meinung nach nicht - gehört alles nicht zur Serienausstattung eines SJ, Jimny, Terrano, Frontera, Discovery - und selbst der Defender hat bestenfalls eine Traktionskontrolle ab Werk, aber keine Achssperren. Dennoch kommt man damit im Gelände weit, bzw. in den meisten Fällen eher der Fahrer an seine Grenzen als das Fahrzeug ;).

Aktuell versucht Jeep mit dem Renegade Trailhawk noch im Vitara-Format die Geländetauglichkeit aufrecht zu erhalten. Eine echte Untersetzung fehlt dabei aber, der kurze erste Gang der Automatik muss es richten (wobei "kurz" in dem Fall bedeutet: So lang wie die Straßenübersetzung des Grand Vitara). Die Geländeprogramme der Allradsteuerung sind auch irgendwo Augenwischerei, aber so ungefähr auf dem Niveau des Land Rover Freelander schlägt er sich. Der Grand Vitara hat aber die besseren Anlagen (Untersetzung, Allrad, Fahrwerksausführung, Verschränkung), wurde nur leider 2015 eingestellt.

Zum Toyota RAV gibt es noch einen schönen Allrad-Vergleich der unterschiedlichen Generationen, da ist von manuell sperrbarem Mitteldifferential über Traktionskontrolle bei permanentem Allrad bis zur Hang-On-Lösung der Hinterachse alles dabei. Ist leider leicht akademischer Natur, da die Simulation auf dem Rollenbrett weniger den Allradantrieb bewertet, als vielmehr die Qualität der Traktionskontrolle. Daraus kann man auf das Verhalten auf glatter Straße schließen, aber nicht auf's Gelände.

Gruß

Derk

Themenstarteram 4. Oktober 2016 um 12:43

Recht herzlichen Dank, so eine ausführliche und auch noch zielführende Antwort zu bekommen ist für mich ein echter Glücksfall

Netter Gruß

Clive

Was mir aber noch einfällt.

Warte doch mal, bis so richtig Schnee liegt und leihe dir einen vom Händler deines Vertrauens. So kannst du am besten Feststellen, ob er den Weg packt.

Themenstarteram 17. Oktober 2016 um 11:55

Zitat:

@Fa_bi schrieb am 7. Oktober 2016 um 08:57:06 Uhr:

Was mir aber noch einfällt.

Warte doch mal, bis so richtig Schnee liegt und leihe dir einen vom Händler deines Vertrauens. So kannst du am besten Feststellen, ob er den Weg packt.

Da ist wohl was wahres dran.

Dann kann er (der Händler) auch gleich sein Bergebesteck prüfen, wenn er so was haben sollte und das Ding im Schnee stecken bleibt :D

Normal sollte er das aber schaffen denke ich. Ggf müsste man statt Winterreifen dann sowas wie General Grabber fahren, aber ansonsten..

(Von Hankook gibt es ein Modell Namens Dynapro, welches es mit einer Zulassung bis 200 Km/h gibt)

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