Volvo greift mit dem ersten Kompakt-SUV XC40 die süddeutsche Premium-Konkurrenz an. Wir haben den Schweden als starken T5 AWD mit dem BMW X1 xDrive25i verglichen.
Berlin – Volvo dringt immer tiefer in Bereiche ein, die traditionell von den deutschen Premiumherstellern beherrscht werden. Eben kam der XC40 hinzu, Volvos erstes SUV in der Kompaktklasse. Und das erste Auto auf Basis des Baukastens für künftige kleine Volvo wie den nächsten V40. Klein ist allerdings relativ. Zum Marktstart gab es den XC40 nur mit großen Motoren, kleinere kamen erst kürzlich dazu. Wir testeten den T5 AWD mit 247 PS und Allradantrieb. Zum standesgemäßen Vergleich tritt er gegen den BMW X1 xDrive25i mit kaum weniger Leistung an. Unvernünftig stark sind beide Benziner, sie versprechen Souveränität und leider auch Durst. Karosserie | Platzangebot | Abmessungen Umgeklappt entsteht im Volvo dafür ein topfebener Ladeboden. Das kann der BMW nicht so gut. Die flach gelegten Lehnen steigen leicht an, es bleibt sogar eine kleine Kante. Elektrisch lassen sich die Rücklehnen beider Autos umkippen – gegen Aufpreis natürlich. Auf der Rückbank stoßen die Passagiere in beiden Autos nicht mit den Knien an die Vorderlehnen. Beide Hersteller bauen die Motoren quer unter die Haube. Das spart vorne Platz, der sich hinten auszahlt. In der Breite fällt der XC40 jedoch zurück. Die Polster reichen nicht vollständig an die Türen, sie werden seitlich von Hartplastik abgelöst. Das stört bei voller Besetzung außen sitzende Passagiere. In der Mitte stört der Kardantunnel, er ist höher als beim BMW. Weiterer Vorteil im X1: Die Sitzbank lässt sich um rund 10 Zentimeter verschieben, die Lehnen sind in der Neigung variabel. Die Sitzverstellung kostet zwar 390 Euro, doch im Volvo bekommt man nicht mal gegen Geld so viel Variabilität. Das Raumgefühl im Volvo leidet zudem unter der steil nach hinten ansteigenden Fensterlinie. Im BMW X1 sitzt man im Vergleich luftig, die Rundumsicht ist prima, auch vom Fahrerplatz aus. Der wirkt ansonsten beengt. Die Sportsitze gefielen uns nicht. Sie wirken selbst für einen schlanken Fahrer mit 1,75 Metern eine halbe Nummer zu klein. Außerdem polstert BMW sie zu hart. Dadurch drückt die Beinauflagen-Verlängerung an den Oberschenkeln. Also: Die 490 Euro für die Sportsitze kann man sich sparen. Innenraum | Verarbeitung | Materialien Blöd: Ausgerechnet das Zierteil unter dem Infotainment-Bildschirm knarzt. Dort legt man die Hand ab, wenn man den Touchscreen bedient. Muss man zum Glück nicht, der Dreh-Drück-Steller auf dem Mitteltunnel funktioniert besser. Peinlich: Bei einem blinden Knopf in der Beifahrertür war die Blende herausgebrochen. Das sollte nicht so leicht passieren. Solche Patzer leistet Volvo sich nicht. Hartplastik startet am Armaturenbrett aber knapp unter dem Alu-Dekor. Das Bedienteil in der Mittelkonsole ist damit ebenfalls eingefasst. In der Tür wirken nur die Taschen günstig, der Rest ist weich oder angenehm anzufassen. An vielen Stellen bringt Volvo Filz an. Nicht üblich, aber recht nett. Die roten Ledersitze gefielen uns gut. Die Polsterung ist angenehm, nicht zu straff, nicht zu weich. Hinten reicht das Leder jedoch nicht bis zur Außenhaut. Die Rückbank sitzt auf einer harten Konsole aus Kunststoff, die recht weit in den Innenraum reicht. Das fühlt sich nicht Premium an und schränkt die nutzbare Breite ein. Infotainment | Radio | Bedienung Das BMW-System navigiert dagegen zügig und ohne Verzögerung. Der Funktionsumfang ist riesig, vom Musik-Streaming (auch ohne Handy) über Parkapps und Services, bietet BMW fast alles, was man sich wünscht. Bis auf Android Auto, das Google-System lässt BMW nicht rein. Dafür läuft Apple Carpay kabellos. Einen Tick voraus ist BMW Volvo auch bei der Sprachsteuerung. Sie funktioniert intuitiver und versteht besser. BMW verlangt allerdings deutlich mehr für das Infotainment-Paket. Schon in die Basis baut Volvo den 9-Zoll-Touchscreen, bei BMW gibt es nur 6,5 Zoll ohne Touch. Das Navigationssystem dafür kostet fast 1.300 Euro, bei Volvo bekommt man für 1.450 Euro zum Navi noch eine Soundanlage von Harman Kardon. Die Standards Apple Carplay und Android kosten 450 Euro zusätzlich. Bei BMW gibt es Carplay für 300 Euro – im 3-Jahres-Abo. Ein Harman-Kardon-System gibt es für 790 Euro. Mit großem Bildschirm (8,8 Zoll) gibt es die Navigation Plus inklusive Head-up-Display für 2.890 Euro. Assistenzsysteme | Sicherheit Alle weiteren Assistenten lässt BMW sich bezahlen. Der „Driving Assistant“ mit City-Notbremse für Fußgänger, Spurverlassenswarnung und Fernlichtassistent kostet 650 Euro. Für insgesamt 1.400 Euro gibt es dazu noch einen Abstandstempomaten inklusive Stauassistent. Zwischen 0 und 60 km/h lenkt der X1 so auf der Autobahn mit. Bei Volvo heißt das Intellisafe Pro und kostet 1.600 Euro. Damit hilft der Volvo bis 130 km/h beim Lenken und fährt im Stau. Funktional gehören beide System nicht zum Besten auf dem Markt. Der BMW unterstützt nur. Alleine gelassen steuert er zu nah an Spurbegrenzungen und pendelt auf der Fahrbahn hin und her. Volvos System kann sogar nerven. „Pilot Assist“ zerrt und zuppelt in manchen Situationen so am Lenkrad, dass man als Fahrer dagegen arbeitet. Beim erst kürzlich vorgestellten Volvo V60 soll das System besser lenken, verspricht Volvo. Antrieb | Motor | Getriebe | Fahrleistungen Beide SUVs sind zwar schwer, doch sie gehen fröhlich nach vorne. Der Volvo wirkt eine Spur kräftiger, man vermisst im BMW aber absolut nichts. Der Turbo im BMW macht etwas weniger Lärm, der Volvo klingt etwas rauer. Vor allem bei Vollgas wirkt der X1 größer, weil er eine tiefere Stimme hat. Im Eco-Modus fanden wir die Gasannahme im XC40 eine Spur zu träge. Klar, das soll sparen, animiert aber so eher dazu, zu viel Gas zu geben. Wer sparen will, sollte schlicht etwas anderes fahren. Auf dem Arbeitsweg durch dichten Stadtverkehr landet man mit beiden SUV satt im zweistelligen Verbrauchs-Bereich. Auf einer klassischen Pendel-Strecke mit Stadtverkehr, Landstraße und eher niedrigem Autobahntempo, nahm der Volvo 8,9 Litern, bei wenig Verkehr. Das ist zu viel für dieses Profil. Der BMW erreichte bei vergleichbarer Fahrt weniger als acht Liter. Im Testschnitt mit insgesamt hohem Stadtverkehr-Anteil standen am Ende 10,6 Liter auf der Uhr, der Volvo war mit 11,2 Litern durstiger. Fahrwerk | Getriebe | Lenkung | Fahrverhalten Im BMW arbeiten Dämpfer und Federn harmonischer. Der X1 federt kontrollierter über schlechten Asphalt. Auf Autobahn und Landstraße wirkt er trotz größerer Härte komfortabler. Bei Querfugen rollt er allerdings recht laut ab. Und im Sport-Modus fängt er an zu hoppeln und zu kippeln. Das Achtgang-Getriebe von Aisin im BMW schaltet nicht so sanft und zielsicher wie die ZF-Box in Modellen mit Hinterradantrieb. Es sortiert die Gänge nicht immer harmonisch und schaltet im Kick-down zu langsam. Die Achtgang-Automatik im XC40 arbeitet unauffälliger mit weniger Schaltrucken und besserer Gangwahl. Schnell schaltet sie jedoch auch nicht. Insgesamt jammern wir auf hohem Niveau, denn beide Wandler arbeiten solide. Ausstattung | Preis | Kosten Kleine Vorteile, die dem X1 am Ende nichts nützen. Wer beide SUVs ähnlich ausstattet, zahlt etwas mehr für den BMW. Unser üppig bestückter Testwagen kostete 3.000 Euro mehr als der ebenso gestopfte Volvo. Günstig sind beide nicht. Mehr als 50.000 Euro sind viel Geld für ein Kompakt-SUV. Doch wer die Basisbenziner nimmt, kann viel Geld sparen. Sportler sind beide ohnehin nicht. Beim X1 hätte das außerdem den Vorteil einer aktuelleren Abgasnorm. Der Dreizylinder im 18i ist bereits nach Euro 6d-Temp zertifiziert, der 25i wird erst noch umgestellt und ist aktuell nicht konfigurierbar. Er soll laut BMW jedoch bald wieder verfügbar sein, dann mit Euro 6d-Temp. Bei Volvo erfüllen schon alle Motoren die ab September 2019 verpflichtende Norm. MOTOR-TALK-Tipp: Zwei SUV für zwei ZielgruppenDer BMW X1 gewinnt unseren Vergleich denkbar knapp. Das liegt vor allem am deutlichen Platzvorteil und am ausgewogeneren Fahrwerk. Der X1 ist – gemäß Klischee – das sportlichere Auto, der XC40 das sicherere. Mit etwas Feintuning am Fahrwerk und am Pilot Assist könnte der Volvo diesen Vergleich gewinnen. Nichts, was sich bei einem Facelift nicht beheben ließe. An den knapperen Platzverhältnissen lässt sich allerdings nichts ändern. Technische Daten BMW X1 und Volvo XC40
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