Behörden gehen von manipulierter Software bei hunderttausenden Mercedes-Diesel aus - Zwangsrückruf. Daimler stimmte zu, beteuert aber: Alles sei legal. Die Hintergründe.
Quelle: dpa / Picture Alliance Stuttgart/Berlin - Nun also auch Daimler. Bekannt war, dass die Behörden dem Autobauer Manipulationen am Abgasreinigungssystem etlicher Dieselfahrzeuge vorwerfen. Nicht aber das Ausmaß: In 774.000 Autos sei laut den Ermittlern eine illegale Abschalteinrichtung verbaut. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will schnellstens Taten von Konzernchef Dieter Zetsche sehen, sprich: einen groß angelegten Rückruf. Dem stimmten die Stuttgarter zu - sehen darin jedoch kein Schuldeingeständnis. Handelte Daimler illegal? Das ist die entscheidende Frage in diesem Fall - aber längst nicht die einzige. Hier die Hintergründe zum möglichen Abgas-Skandal um Daimler. Worum genau geht es?Quelle: Daimler Mal wieder um illegale Abschalteinrichtungen in Dieselfahrzeugen. Diese reduziert die Abgasreinigung im Normalbetrieb auf der Straße, sorgt damit für einen erhöhten Ausstoß schädlicher Stickoxide. Wie zuvor bei Autos aus dem VW-Konzern haben die Regulierer in Daimler-Modellen spezielle Programmierungen entdeckt, die als unzulässig eingestuft wurden. Zunächst ging es nur um zwei Funktionen der Motorsteuerung in knapp 5.000 Exemplaren des Kleintransporters Mercedes-Benz Vito. Nun ist klar: Daimler muss europaweit rund 774.000 Diesel-Autos zurückrufen, 238.000 davon in Deutschland. Konkret sind das Mittelklasse-Modell C-Klasse sowie das SUV GLC betroffen, jeweils mit 220d-Aggregat. Was sagt Daimler dazu?Zu den jüngsten Entwicklungen aktuell nicht viel. Im Fall des Vito hatte der Autobauer allerdings nicht bestritten, dass es die kritisierten Funktionen in der Motorsteuerung gibt - wohl aber, dass sie illegal seien. "Die Funktionen sind Teil eines komplexen Abgasreinigungssystems, das eine robuste Abgasreinigung bei unterschiedlichen Fahrbedingungen und über die Nutzungsdauer eines Fahrzeugs sicherstellen soll. Für das Bestehen des maßgeblichen Test-Zyklus NEFZ sind die in Frage stehenden spezifischen Programmierungen nicht erforderlich", hatte Daimler da betont. Soll heißen: Die Programmierung habe nicht dazu gedient, die Fahrzeuge durch Tests zu mogeln. Werden jetzt also etliche Modelle in die Werkstatt gerufen?Ja. Das wäre allerdings sowieso der Fall gewesen. Daimler hatte schon vergangenes Jahr Software-Updates für etwa drei Millionen Diesel angekündigt. Dazu gehören der Vito und die meisten anderen aktuell betroffenen Dieselmodelle. Der gravierende Unterschied: Diese Aktion war nicht von der Behörde angeordnet, sondern eine freiwillige Zusage von Daimler. Bei den meisten betroffenen Autos steht die Nachbesserung zum aktuellen Zeitpunkt noch aus. Im aktuellen Fall geht es um einen Zwangsrückruf - verbunden mit der amtlichen Feststellung, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung verwendet worden ist. Legt Daimler Widerspruch gegen den KBA-Bescheid ein?Quelle: Daimler Der Autobauer kündigte es bereits im Falle des Vito an: Die unterschiedlichen Auffassungen der Legalität wurde man notfalls vor Gericht klären zu lassen: "Die Möglichkeit dazu ist ein Grundpfeiler der Rechtsstaatlichkeit. Uns geht es darum, Klarheit in einer überaus komplexen Sache zu erlangen." Als Absage an eine Kooperation mit den Behörden sieht Daimler das nicht. Einst hatte Zetsche höchstpersönlich betont, bei Daimler werde bei der Abgasreinigung nicht betrogen. Daimler ist auch nicht der erste Hersteller, der auf einen Zwangsrückruf vom KBA mit einem Widerspruch reagiert, wie das Verkehrsministerium auf Anfrage mitteilte. Allerdings: "Bisherige Widersprüche wurden von den Herstellern zurückgenommen." Ein konkretes Beispiel will das Ministerium nicht nennen. Und was unternimmt die Justiz?Der jüngste Vorwurf zog bislang keine rechtlichen Konsequenzen nach sich - noch ist die Frage nach der Legalität schließlich ungeklärt. Seit dem Frühjahr 2017 wegen des Verdachts des Betruges und der strafbaren Werbung gegen Daimler-Mitarbeiter. Daran hat sich nach dem KBA-Bescheid in Sachen Vito auch nichts geändert. Der Behörde zufolge ist das Modell schon vorher Gegenstand der Ermittlungen gewesen. In den USA hat Daimler schon länger Ärger wegen angeblicher Abgasmanipulation. Im Februar 2016 startete der bekannte Anwalt Steve Berman im Auftrag von Dieselbesitzern einen Rechtsstreit um angebliche Überschreitungen der Stickoxid-Grenzwerte - und rief damit die Umweltbehörde EPA auf den Plan. Im April 2016 schockte der Konzern seine Aktionäre dann mit einer Pflichtmitteilung: Das US-Justizministerium habe angeordnet, das Zustandekommen der offiziellen Abgaswerte in den Vereinigten Staaten intern und unter Einbeziehung der US-Aufseher unter die Lupe zu nehmen. Die Aktie ging vorübergehend auf Talfahrt, auch wenn Daimler alles daran setzte, dem Eindruck einer zweiten Abgas-Affäre im Stile des VW-Skandals entgegenzuwirken. Zum aktuellen Stand wollen sich weder die US-Justiz noch die EPA äußern. Bei Bermans Sammelklagen ging es hin und her - nachdem Daimler zunächst einen Punktsieg verbuchte und die erste Klage abgewiesen wurde, legte der Anwalt seine Vorwürfe rasch in abgewandelter Form erneut dem Richter vor. Das Verfahren beim Gericht in New Jersey geht weiter - Ausgang ungewiss. ***** In eigener Sache: Wir verschicken unsere besten News einmal am Tag (Montag bis Freitag) über Whatsapp und Insta. Klingt gut? Dann lies hier, wie Du Dich anmelden kannst. 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Quelle: dpa |