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Nachrüstung und Prämien: Regierung verhandelt am Abend - Darum geht es beim Diesel-Paket

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In Berlin ringt die Koalition heute Abend um eine Lösung im Diesel-Streit. Wir beantworten die wichtigsten Fragen und stellen die Lösungsansätze der Politik vor.

Die Regierung steht unter hohem Druck, heute eine Einigung zu erzielen. Daran muss sich auch die Autoindustrie beteiligen Die Regierung steht unter hohem Druck, heute eine Einigung zu erzielen. Daran muss sich auch die Autoindustrie beteiligen Quelle: dpa/Picture Alliance

Berlin - Millionen Besitzer älterer Diesel sind seit Monaten im Ungewissen: Kommen sie als Anwohner, Pendler oder Handwerker noch überall in die Innenstädte? Was sind vor wenigen Jahren gekaufte Diesel noch wert? Können Anwohner an stark befahrenen Straßen mit dicker Luft bald aufatmen? Nach mehreren Urteilen und langem Streit will die Koalition am Montagabend ein Paket mit Lösungen schnüren - und vielen vertrackten Details. Vermutlich will die Politik einen Mix aus Hardware-Nachrüstungen und Umtauschprämien vorstellen.

Warum besteht Handlungsbedarf?

Nach wie vor werden in vielen deutschen Städten Grenzwerte für Luftschadstoffe überschritten. Im Fokus stehen gesundheitsschädliche Stickoxide. Dafür sind Abgase aus Dieselwagen ein Hauptverursacher. Im Visier sind vor allem die 3,1 Millionen älteren Diesel der Schadstoffnorm Euro 4 sowie weitere 5,5 Millionen Diesel der neueren Norm Euro 5. Politik, Autoindustrie und Verbraucherschützer wollen Fahrverbote unbedingt verhindern.

Die Bundesregierung hat deswegen erneut Verhandlungen aufgenommen. Mehr als ein Jahr nach einem ersten Diesel-Gipfel mit den Herstellern ist der Druck gestiegen. Ein Gericht hatte Anfang September großflächige Fahrverbote für die City von Frankfurt am Main von 2019 an angeordnet. Am 28. Oktober ist in Hessen Landtagswahl. Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und sein grüner Koalitionspartner machen deswegen in Berlin Dampf.

Die Deutsche Umwelthilfe, die geklagt hatte, rechnet mit weiteren Erfolgen vor Gericht. In Berlin wird ein Urteil für den 9. Oktober erwartet. Folgen dürften Bonn, Darmstadt, Köln, Dortmund, Gelsenkirchen, Essen, Mainz und Wiesbaden. In Hamburg sind schon zwei Straßenabschnitte für ältere Diesel gesperrt. In Stuttgart ist 2019 ein großflächiges Einfahrverbot geplant. Auch die EU-Kommission will Deutschland per Klage beim Europäischen Gerichtshof zur Einhaltung der Grenzwerte zwingen, die schon seit 2010 verbindlich sind.

Um welche Städte geht es?

Im vergangenen Jahr überschritten laut Umweltbundesamt 65 Städte den Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2) pro Kubikmeter Luft, nachdem es 2016 noch 90 waren. Am höchsten war die Belastung in München (78 Mikrogramm), Stuttgart (73) und Köln (62). Der Bund hat ein Milliarden-Förderprogramm für Kommunen aufgelegt - etwa für attraktivere Nahverkehrsangebote oder Nachrüstungen bei Bussen und Müllwagen. Außerdem sollen 6,3 Millionen Autos neue Abgas-Software bekommen - darunter sind 2,5 Millionen VW, aus denen illegale Software entfernt werden muss. Diese Maßnahmen reichen vor allem der SPD nicht aus.

Besonders im Blick sollten bei dem geplanten Paket wohl 14 Städte stehen, in denen die Belastung mehr als 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft beträgt. Daneben wurden für andere betroffene Städte spezielle Lösungen angestrebt, unter anderem für Frankfurt.

Was sind die wichtigsten Punkte in dem Paket?

Hauptbestandteil sollten neue Umtauschprämien sein. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sprach nach Verhandlungen mit VW, BMW und Daimler schon von "sehr attraktiven2 Bedingungen. Sie sollen ein Lockmittel sein, damit mehr Besitzer ihre Diesel der Normen Euro 4 und 5 durch neue oder gebrauchte Wagen der Norm 6 ersetzen.

Offen war zunächst, in welchen Städten Autobesitzer mit speziellen neuen Angeboten rechnen können. Und auf welche Weise Pendler aus dem Umland mit einbezogen werden.

Eine neue Idee sind Prämien allerdings nicht. Schon nach dem Dieselgipfel 2017 hatte die Branche solche Angebote gemacht. Mehr als 200.000 Kunden nahmen sie in Anspruch, wie eine Bilanz im Juli ergab. Die Aktion habe aber nicht gereicht, heißt es in der Bundesregierung.

Deswegen sollen weitere Prämien von mehreren Tausend Euro und günstige Leasingraten nachgelegt werden. Die SPD warnt, dass sich trotzdem nicht jeder einen neuen Wagen leisten könne. Die Frage ist auch, was Prämien bewirken - zumal Kunden schon im normalen Geschäft mit hohen Rabatten geködert werden. Wichtig sei "maximale Transparenz", sagt Marion Jungbluth, Expertin des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Am besten wäre, wenn jeder selbst berechnen könnte, was ihm als Prämie zusteht, und es nicht in Verhandlungen mit dem Verkäufer womöglich zu Verrechnungen komme.

Was sind die großen Knackpunkte?

Bis zuletzt gerungen wurde um den zweiten zentralen Punkt des Pakets, auf dem vor allem die SPD bestand, ebenso der wahlkämpfende Hesse Bouffier: Hardware-Nachrüstungen, also der Einbau von moderner Abgastechnik in ältere Diesel. Merkel hatte sich nach dem Urteil zu Frankfurt dafür geöffnet. Minister Scheuer beharrte auf rechtlichen, technischen und finanziellen Bedenken - da werde in "altes Wagenmaterial" investiert, umsetzbar wäre dies auch erst 2020. Die Hersteller warnen vor Aufwand, Spritmehrverbrauch und Kosten.

EIn Hauptproblem war in den Verhandlungen die Frage, wer für solche Eingriffe ins Fahrzeug haftet. Die Autobauer sowie die Anbieter von Nachrüstsystemen lehnten dem Vernehmen nach Garantien ab. Die Hersteller sperrten sich auch dagegen, für die kompletten Kosten aufzukommen. Im Gespräch war eine Übernahme von 80 Prozent.

Die Regierung pochte aber auf 100 Prozent. Zudem machte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) klar, dass es kein weiteres Steuergeld geben soll. Verhandelt wurde wie bei den Prämien auch darüber, in welchen Städten plus Umland solche Nachrüstmöglichkeiten angeboten werden könnten.

Was will die Industrie?

Die Betriebsratschefs von VW, Daimler und BMW sprachen sich gegen pauschale Hardware-Nachrüstungen aus. "Wir sind gegen eine Lösung, die einseitig deutsche Hersteller benachteiligen und Arbeitsplätze gefährden würde", warnten Bernd Osterloh (VW), Michael Brecht (Daimler) und Manfred Schoch (BMW) in der "Bild"-Zeitung (Montag). Sie favorisierten Umtauschprämieren, um alte Diesel von der Straße zu holen. Ausländische Marken, die beim Diesel einen Marktanteil von gut einem Viertel (26,5 Prozent) haben, wollen vorerst nicht zu technischen Nachrüstungen beitragen.

Dieselkäufe rückläufig

Private Autokäufer in Deutschland kehren dem Selbstzünder zunehmend den Rücken. Noch 2012 habe der Anteil der Dieselkäufe unter Privatkunden bei 34 Prozent gelegen. In den ersten acht Monaten des laufenden Jahres seien es noch 19,3 Prozent gewesen, sagte Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Instituts an der Universität Essen-Duisburg, am Montag.

Bereits im vergangenen Jahr war der Anteil auf 22,1 Prozent gesackt. Ein Großteil der Dieselbesitzer, die mit Fahrverboten rechnen müssten, werde sich kaum wieder für einen Diesel entscheiden. Im Gesamtmarkt hatten 32,2 Prozent der Neuzulassungen einen Dieselmotor, während es 2012 noch 48,2 Prozent waren.

Gleichzeitig hätten die deutschen Autobauer einen "überproportional großen Anteil" an den Diesel-Neuzulassungen im Land - zwischen Januar und August 2018 kamen demnach 78,4 Prozent der Diesel-Neuwagen von deutschen Herstellern. Klarer Marktführer mit einem Anteil von mehr als 40 Prozent an den Diesel-Neuwagen sei der Volkswagen-Konzern, so Dudenhöffer.

 

Quelle: dpa

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