Eine australische Stadt soll "Anti-Drift-Spray" auf die Straßen sprühen. Der Effekt: Reifenschaden bei wilder Fahrerei. Was ist dran? Und: ist das in Deutschland denkbar?
Quelle: dpa / Picture Alliance Hume/Australien –Jede Nacht wird es laut im beschaulichen Hume. Die Stadt gilt als Australiens Drift-Metropole. Hoonen und heizen auf öffentlichen Straßen - was die Auto-Fans lieben, passt der Verwaltung gar nicht. Mit einer viel beachteten Maßnahme will sie die Hinterachsen in die Spur zwingen: einem Anti-Drift-Spray, aufgetragen auf der Fahrbahn. Die Wirkungsweise scheint radikal, die Zusammensetzung unklar, die Anwendungsorte geheim. Ergebnis: Vor dem Spray fürchten sich aktuell nicht nur die Drifter. Bei Drift: ReifenschadenQuelle: dpa / Picture Alliance Wie ein Spray die Drifter stoppen soll, wenn es die Polizei nicht kann? Es nimmt ihnen die Grundlage, nämlich die Reifen. “Ist eine Straße mit dem Spray behandelt, können die Reifen viel schlechter zum Durchdrehen gebracht werden. Wer es doch versucht, verringert die Lebensdauer seines Reifens drastisch, hat schnell einen Reifenschaden”, erklärt die Stadtverwaltung den Effekt des Sprays gegenüber dem australischen Newsportal "The Age". Klare Ansage also: brave Bürger kriegen keine platten Reifen. Wer dagegen den Pneu ans Limit bringt, fährt auf der Felge nach Hause. Welche Wunder-Tinktur das auf welcher Basis erreicht, verraten die Verantwortlichen nicht. Damit lassen sich berechtigte Fragen schwer beantworten. Wie etwa die eines Highway-Patrol-Offiziers im Interview mit dem "Bendigo Advertiser": Wie schnell vernichte die Substanz den Reifen? Beim ersten Driftversuch oder erst später? Und: Wie hauche der Reifen sein Leben aus? Für die Sicherheit nicht unerheblich, ob der Reifen urplötzlich mit einem lauten Knall abtritt oder langsam und absehbar verendet. Kann es auch Nicht-Drifter erwischen?Autofahrer aus dem ganzen Land bringen in Onlineforen weitere Punkte ins Gespräch: Bei Notbremsungen kämen auch die Pneus von Nicht-Driftern an die Haftgrenze. Ein anderer meint, die Substanz agiere abhängig von der Reifentemperatur. Beim Driften kommen Reifen zwangsläufig auf Temperatur. Doch in der australischen Hitze könnten auch lammfromme Fahrer mit aufgeheizten Rädern auf behandelten Asphalt treffen. Kein schöner Gedanke. Das Beste wäre wohl, gar nicht erst auf das Spray zu treffen, sondern woanders entlangzufahren. In der Praxis schwer möglich, denn die Stadtverwaltung verrät nicht, wo genau gesprüht wurde. Behandelt seien neuralgische Treffpunkte von Driftern und Hoonigans. Dort soll das Spray nun rund 10 bis 15 Jahre lang seine Arbeit verrichten. Danach muss nachbehandelt werden. Fazit: Da ging wohl die Kommunikation danebenQuelle: dpa / Picture Alliance Zu den vielen Fragen der Australier kommt eine aus Deutschland: Sind hierzulande bald die Straßen mit Anti-Drift-Spray überzogen? Zerfetzte Hinterreifen an 3er BMW oder Mercedes AMG, die sich auf Felgen zur Werkstatt schleppen? Unwahrscheinlich. Weil dem Kraftfahrt-Bundesamt das Spray zu riskant ist? Eher, weil es die Substanz in der skizzierten Form gar nicht zu geben scheint. Die Stadtverwaltung von Hume kommunizierte ihre Bemühungen wohl etwas ungeschickt, die lokalen Medien bauschten das Thema dann auf. Tatsächlich könnte es sich um nichts anderes handeln als eine griffige Schicht über dem Asphalt. Später durchdrehende Räder und eine verringerte Lebensdauer, wenn der Reifen durchdreht - ganz ohne Chemie-Attacke auf den Reifengummi. Mehr Grip würde viele Drifter tatsächlich von Szene-Hotspots fernhalten. Weil missglückte Querfahr-Versuche weder Auto noch Fahrer adeln. Ob die städtische Drift-Kultur an der Maßnahme zugrunde geht, wird somit von der Potenz der Autos abhängen. Denkbar auch, dass irgendwann die Dragracer übernehmen. Fans von Beschleunigungsrennen würden sich über den griffigen Untergrund sicher freuen. |