Der VW Polo V läuft aus, der Opel Corsa E ist angezählt. Werden wir im Vergleichstest sentimental? Eher rational: Es könnten goldene Zeiten für preisbewusste Käufer sein.
Berlin – Es ist das letzte Duell zweier Großer bei den Kleinen: VW Polo und Opel Corsa werden in dieser Form nicht mehr lange existieren. Der Polo der fünften Generation stirbt eines natürlichen Todes. Er wurde 2014 zuletzt geliftet und wird Ende 2017 planmäßig vom neuen Modell abgelöst. Der Opel Corsa E kam 2014 neu und erlebt keine umfassende Modellpflege mehr. Marken-Neueigentümer PSA will möglichst bald einen Nachfolger mit französischer Technik auf den Markt bringen. Wir stellen die Dauerkonkurrenten ein letztes Mal gegenüber. Nicht aus sentimentalen, sondern aus rationalen Gründen: In der letzten Phase ihres Lebenszyklus könnten bei den ausgereiften Kleinwagen die Preise purzeln. Dem wirtschaftlichen Anspruch folgend wählten wir Benziner: Der Volkswagen Polo tritt als 1.0 Blue Motion Technology an, der Opel Corsa als 1.4 Turbo ecoFlex. Ein Dreizylinder mit 75 Ps gegen einen Vierzylinder-Turbo mit 100 PS? Wir ließen uns von der Preisliste leiten, nicht vom Datenblatt. Und da liegen dieser Volkswagen Polo Comfortline (Testwagenpreis 23.280 Euro) und dieser Opel Corsa Innovation (Testwagenpreis 21.350 Euro) durchaus auf einem vergleichbaren Level. Platzangebot | Abmessungen: Nach oben oder nach vorneQuelle: MOTOR-TALK Zum Modellwechsel 2014 wuchs der Opel Corsa nur geringfügig. Den VW Polo überragt er dennoch um knapp fünf Zentimeter. Außerdem ist der Rüsselsheimer breiter und höher. Logisch, dass mehr reinpasst. Die Rücksitze lassen sich beinahe plan umlegen, dann kann er 1.120 Liter einladen. Der VW schluckt maximal 952 Litern. Enger zusammen liegen Polo (280 Liter) und Corsa (285 Liter) beim regulären Kofferraum-Volumen. Im Alltag fällt das kaum auf. Die rund zwei Zentimeter Unterschied in der Fahrzeughöhe sehr wohl. Jedenfalls den Fond-Passagieren. Ihnen bietet der Opel deutlich mehr Kopffreiheit. Kleinere Mitfahrer werden sich in der zweiten Reihe des Polo wohler fühlen, die Rücksitze sind bequemer. Fahrer und Beifahrer hingegen hätten es im Wolfsburger gerne so gemütlich: Sie werden in den serienmäßigen Comfort-Line-Sitzen von einer mächtigen Wulst auf Höhe der Schulterblätter drangsaliert. Gewöhnung wollte sich selbst nach hunderten Test-Kilometern nicht so recht einstellen. Innenraum | Verarbeitung | Infotainment: Funktionalität oder ÜbersichtDer Rücken fühlte sich im Opel wohler, das Auge im Volkswagen. Einerseits wegen des etwas geringeren Hartplastik-Anteils. Andererseits weil der Polo aufgeräumter, durchdachter wirkt. Hauptgrund? Die Anordnung der Tasten. Im Corsa sitzen sie in kleinen, inselförmigen Gruppen rechts und links des Infotainment-Displays. Im Polo umrahmen sie für die acht wichtigsten Menü-Funktionen den Bildschirm. Zwei Drehregler dazu und fertig ist die übersichtliche Mittelkonsole. Quelle: MOTOR-TALK Doch wir verzeihen dem Opel seine Schwächen bei der Übersichtlichkeit. Hinter den Knöpfen verbergen sich mehr Funktionen als beim Konkurrenten: Beim Infotainment übertrumpft er den Test-Polo mit W-Lan-Hotspot und dem Opel Onstar-Dienst. Den Fernlicht-Assistent des Corsa lernten wir ebenso schnell zu schätzen. Er stellt bei entgegenkommenden Autos selbstständig auf Abblendlicht – und wieder zurück auf volle Strahlkraft. Nur wenn ihm Betonleitwänden die Sicht nehmen, überstrapaziert er Netzhaut und Geduld der Entgegenkommenden. Weitaus öfter leistete sich der Spurverlassenswarner Schwächen. Beide kommen über das Frontkamera-System (700 Euro Aufpreis) in den Opel Corsa. Auf Wunsch zeigt der Opel im Bordcomputer die Entfernung zum vorausfahrenden Auto in Sekunden. Nettes Gimmick, doch in den unergründlichen Tiefen des Systems nicht leicht zu finden. Genau wie viele andere Funktionen und Parameter. Die Bedienung über Elemente am Blinker-Hebel erschwert im Opel den Umgang mit dem Bordcomputer. Beim Volkswagen klappt das über das Multifunktionslenkrad (335 Euro Aufpreis) besser. Fahrwerk | Lenkung | Motor: Ungleiches DuellAußerdem können so die Hände am Steuer bleiben. Da lässt man sie gerne im Polo: Das Lenkrad liegt gut in der Hand, der Polo setzt die Befehle einigermaßen direkt und zielgenau um. Viel schlechter ist die Lenkung des Corsa nicht. Was stört, ist die Überempfindlichkeit um die Mittelstellung. Außerdem läuft der Corsa Spurrillen und Fahrbahnunebenheiten leichter nach als sein Konkurrent. Wer es mit dem Kleinwagen krachen lassen will, findet im Polo das etwas agilere, wendigere Auto. Quelle: MOTOR-TALK Die Kurve gehört knapp dem Volkswagen, die Gerade klar dem Corsa. Kein Wunder, der Vergleich ist nicht ganz fair. Der Polo leistet nur 75 PS aus 1,0 Litern Hubraum, der Corsa schöpft 100 PS aus seinem 1,4-Liter-Vierzylinder-Turbo. Aber: Preislich liegen unsere Testwagen trotzdem eng beeinander. Der Corsa kommt auf der Landstraße und der Bahn bestens zurecht. Die Leistung liegt zwischen 3.500 und 6.000 Umdrehungen konstant an, zwischen 1.850 und 3.500 Umdrehungen bringt das Aggregat 200 Nm auf. Daneben bietet das 6-Gang-Getriebe die höhere Spreizung. Im Polo-Motorraum sitzen ein Gang und ein Zylinder weniger. Seine 75 PS stehen erst bei vergleichsweise späten 6.200 Umdrehungen an. Zwischen 3.000 und 4.500 Umdrehungen stehen 95 Nm zur Verfügung. Offenbar wollte Volkswagen dem Dreizylinder mithilfe eines wuchtigeren Schwungrades mehr Laufruhe beibringen. Als Folge gestalten sich Hochschalten und Gaswegnahme nicht immer harmonisch – die Drehzahl fällt nur langsam ab, besonders im oberen Bereich. Das Weniger an Leistung und Hubraum wirkt sich an der Zapfsäule positiv aus, allerdings nicht viel. 4,8 Liter braucht der Polo laut Herstellerangabe, im Test kam etwas weniger als ein Liter hinzu. Für den Corsa gibt Opel 5,2 Liter an, in der Realität pendelte sich der Verbrauch bei rund 6 Litern ein. Bei langen Fahrten jenseits der 140 Km/h sind die Werte nicht zu halten. Gegen zahlreiche und schnelle Autobahn-Reisen spricht in beiden Fahrzeugen die Geräuschentwicklung im Innenraum. Der Corsa ist hier noch der Leisere. Fazit: Alt aber (vergleichsweise) günstigQuelle: MOTOR-TALK Mehr Platz, mehr Leistung, mehr Multi-Media-Gimmicks – zum geringeren Preis. Unser Testfahrzeug Opel Corsa 1,4 Turbo Innovation kam auf 21.350 Euro. Der abgebildete Volkswagen Polo 1.0 Blue Motion Technology Comfort Line kostet 23.280 Euro. Oder besser: Kostete, denn die fünfte Polo-Generation ist mittlerweile aus dem Konfigurator verschwunden. Bald wird dort der Nachfolger aufscheinen. Beim Händler sind die Brüder unseres Testwagens wohl noch einige Zeit erhältlich. Die Chancen stehen aktuell gut, einen neuen Polo zum reduzierten Verkaufspreis mitzunehmen. Auf mobile.de bewegt sich das Gros der gebrauchten VW Polo 1.0 Blue Motion Technologyim Bereich zwischen 9.000 und 13.000 Euro. Wer häufig auf der Autobahn oder zügig auf der Landstraße unterwegs sein will, sollte über die 1.0-TSI-Motorisierung nachdenken. Hier kommt der Dreizylinder mit Turbo-Unterstützung auf 95 PS. Wann genau der Corsa vom Nachfolger mit PSA-Unterbau abgelöst wird? Noch unklar, innerhalb der nächsten zwei Jahre dürfte er jedoch ausgedient haben. Auf mobile.de starten gebrauchte Opel Corsa 1.4 Turbo bei 11.000 Euro. Exemplare in der hier getesteten Ausstattungslinie Innovation sind ab rund 12.500 Euro erhältlich. Es lohnt sich, die Corsa-Preisliste im Auge zu behalten. Im Neuwagenbereich könnte der Basispreis stetig sinken, je näher der Zeitpunkt des Modellwechsels rückt. Auf dem Gebrauchtwagen-Markt ist ein größerer Preis-Sprung zu erwarten, sobald das Nachfolge-Modell tatsächlich da ist. Technische Daten Opel Corsa und VW Polo
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