Die US-Verkehrssicherheitsorganisation IIHS vergleicht die Fahrassistenten von BMW 5er, Mercedes E, Volvo S90 und den Tesla Model 3 und S. Das Ergebnis überrascht.
Arlington, Virginia – Ob Autos jemals autonom fahren werden (und dürfen)? Ist längst nicht geklärt. Ob überhaupt jeder Mensch vom Pilot zum Passagier werden möchte, ebensowenig. Nutzer aktueller Assistenzsysteme werden jedenfalls schnell vom Fahrer zum Aufpasser. Die coolsten Tricks moderner Kisten sind: Selbstständiges Lenken mit Hilfe des aktiven Spurhalteassistenten (LKAS). Und selbstständiges Losfahren und Abbremsen hinter dem vorausfahrenden Auto per adaptivem Tempomat (ACC). Kombiniert ermöglichen diese Assistenten Autonomie der Stufe zwei (von fünf), also eine Fahrunterstützung. Für mehr patzen die Systeme zu häufig. Was genau schief läuft? Unterschiedlich. Manche Systeme wirken insgesamt wenig selbstbewusst, stellen die Assistenz bei der kleinsten Schwierigkeit vollständig ein. Manche scheinen nervös, lassen das Auto zwischen den Leitlinien zappeln und für imaginäre Hindernisse bremsen. Und manche Fahrassistenten steuern die Fuhre mit grenzenloser Ruhe punktgenau in Richtung Hindernis. Wie groß der Unterschied zwischen einzelnen Herstellern und Modellen ist, zeigt ein Versuch der amerikanischen Non-Profit-Organisation IIHS (Insurance Institute for Highway Safety). Deren Vergleichstest mit BMW 5er („Driving Assistant Plus“), Mercedes E-Klasse („Drive Pilot“), Volvo S90 („Pilot Assist“) und den Tesla Model 3 und Model S („Autopilot“ Version 8,1 und 7,1) brachte einen klaren Sieger – den man eher nicht als den „Besten“ bezeichnen kann. Der ACC-Test: Wilder VolvoQuelle: Volvo Autos mit adaptivem Tempomat behalten das vorausfahrende Auto über Radarsensoren und Stereokameras im Blick und fahren im vom Fahrer gewählten Abstand (in Stufen justierbar) hinterher. Im Test schafften das sämtliche Modelle ohne Probleme. Das System soll außerdem auf stehende Fahrzeuge reagieren und sich gemütlich an die wartende Kolonne heranbremsen. Das beim Versuch genutzte aufblasbare Auto blieb unbeschadet, alle fünf Kandidaten kamen davor zum Stehen. Der Volvo agierte am risikofreudigsten, bremste erst 1,1 Sekunden vor dem erwarteten Aufprall und mutete den Passagiermägen damit am meisten zu (1,1 g Negativbeschleunigung im Vergleich zu 0,2 bis 0,3 g bei der Konkurrenz). Der Versuch mit einem lange durch den Verkehr verdeckten Hindernis brachte ein ähnliches Ergebnis. Abseits der Laborsituation auf dem abgesperrten Trainingsgelände übersah jedes der Versuchsautos mindestens einmal ein Fahrzeug – mit einer Ausnahme: Bei der Straßenrunde mit dem Model 3 musste der Tester kein einziges Mal selbst auf die Bremse springen. Dafür bremste der Stromer einmal sogar für einen Schatten. Der Spurhalte-Test: Dem Model 3 gehört die ShowDer Spurhalte-Assistent sucht über das Kamerasystem nach Leitlinien. Manche Modelle folgen laut IIHS bei langsamer Fahrt außerdem einem vorausfahrenden Auto. Ausgleichbewegungen auf gerader Straße bedeuten für den Lane-Keep-Assistant also meistens kein Problem, solange die Straßenmarkierungen sichtbar sind. Kniffeliger ist die Orientierung in stärkeren Kurven (erster Teil des Tests). Überhaupt wenn sie über einen Hügel führen, die Leitlinien also kurzzeitig nicht zu sehen sind (zweiter Teil des Tests). Quelle: Tesla Auf ebener Fläche manövrierten die Tesla am souveränsten durch die Kurven mit verschiedenen Radien. Das Model 3 blieb bei 18 Versuchen fehlerfrei, das Model S überkorrigierte in einem einzigen Umlauf. Die E-Klasse und der S90 blieben in 9 von 17 Fahrten fehlerfrei, der 5er kam selbstständig in 3 von 16 Versuchen zurecht. Die meisten missglückten Versuche von BMW-, Mercedes- und Volvo resultierten aus dem selbstständigen Abbruch durch das Assistenzsystem. Beim eigenständigen Steuern über die hügelige Sektion verlor der „Autopilot“ des Model 3 nur einmal die Spur. Der Mercedes verbuchte 15 fehlerfreie Fahrten bei 18 Versuchen. Die Assistenten der übrigen Modelle hatten ihre Mühe: Beim Volvo glückten 9 von 16 Versuchen, zweimal fuhr der S90 auf die Gegenspur. Der BMW vergab sämtliche der 14 Versuche. Das Model S blieb in 5 von 19 Versuchen in der Spur. Doch die große Tesla-Limousine lenkte an der höchsten Stelle der Kuppe häufig wild hin und her – wohl auf der Suche nach den Fahrbahnmarkierungen. Souverän heißt nicht immer gutQuelle: Daimler Das Fazit zum Test der Autonomiefunktionen? Kaum Fehler des Model 3, wenige Fehler des Model S. Aber: So einfach ist die Sache nicht. Die Studienautoren des IIHS stellen klar, dass die meisten aktuellen Fahrassistenten nicht ihr ganzes Können zeigen. Weil der souveränere Fahrassistent nicht unbedingt der bessere ist. "Techniker müssen Kompromisse eingehen“ erklärt Chief-Research-Officer David Zuby. „Ist die Funktionsweise der Assistenzsysteme zu limitiert, wirken sie rudimentär. Aber wenn das System zu kompetent wirkt, widmen Fahrer den Aktionen ihres Autos womöglich nicht mehr die nötige Aufmerksamkeit.“ Angesichts mehrerer tödlicher Unfälle mit aktivierten Assistenz-Programmen scheint das plausibel. Anderseits können Fahrassistenten bei richtigem Umgang damit das Unfallrisiko senken. Welche Herangehensweise der Hersteller die bessere, sichere Variante ist? Fest steht für den Versuchsleiter des IIHS nur: „Ein voll-autonomes Serienauto, das jederzeit überall fehlerfrei funktioniert, steht aktuell bei keinem Autohändler. Und so wird es auch noch einige Zeit lang bleiben. Man ist einfach noch nicht so weit." ***** In eigener Sache: Du willst regelmäßig die besten Auto-News lesen? Dann abonniere unseren wöchentlichen E-Mail-Newsletter oder täglichen Whatsapp-Newsletter (Mo-Fr). Es dauert nur 1 Minute. |