Den Ferrari 512 S Modulo kannte nach dem Genfer Salon 1970 jeder. Wegen der futuristischen Form. Und einem Mythos: Der 557-PS-Wagen sei nicht lenkbar. Aber stimmt das?
Modena/New York – Auf dem Genfer Autosalon von 1970 staubte man nicht ohne Weiteres die Aufmerksamkeit des Fachpublikums ab. Auf der damaligen Messe debütierten heutige Klassiker wie der erste Range Rover und die Coupés Citroen SM und Alfa Romeo Montreal. Allesamt heute Ikonen und damals praktisch serienreif. Und doch verbindet das kollektive Gedächtnis mit Genf 1970 ein anderes Modell. Diesen Ferrari-Prototypen: Der 512 S Modulo sah aus, als würde er jeden Moment zum Flug ins Weltall abheben. Tatsächlich hätte dieser Mr. Spock unter den Ferrari-Supersportwagen nicht einmal um den Messestand fahren können. Das wussten Presse und Besucher damals auch, und kannten sogar den genauen technischen Hintergrund. Oder glaubten es zumindest. Nun brachte Milliardär und Rennstall-Besitzer James Glickenhaus den 512 S Modulo doch zum Fahren – und widerlegte die alten Mythen. 22 Design-Preise für das Ufo Kurzzeitig dachte Ferrari sogar an eine baldige Serienfertigung, doch spätestens die erste Ölkrise 1973 beendete das Vorhaben. Ob man den Einstieg über eine nach vorne schiebbare Kuppel überhaupt in der Serie übernehmen hätte können? Ob sich Ferrari-Kunden in eine 93,5 Zentimeter flache Flunder gelegt hätten (von Sitzen konnte man laut Zeitzeugen nicht sprechen)? Der Mythos vom unlenkbaren Supersportler Nun scheint klar: Im Grunde stimmte an der Story nicht einmal das Aggregat. Das für den Modulo genutzte Chassis war zunächst als Ersatzteil für die namensgebenden 512S-Rennwagen vorgesehen. Doch später entstand ein 612S-CanAm-Rennwagen darauf – praktisch das Sechzigerjahre-Äquivalent zu heutigen Le-Mans-Prototypen. Dessen V12-Aggregate kamen mit bis zu 6,3 Litern Hubraum und noch mehr Leistung als die 512S-Rennmaschine. Den Überblick zur Modulo-Historie postete der aktuelle Besitzer James Glickenhaus unter mehrere in den USA erschienene Artikel zum Fahrzeug. Keine InnereienIm Grunde blickten Messebesucher und Design-Juroren also durch die 24 Öffnungen in der Heckklappe auf das falsche Aggregat? Wie es aussieht, blickten sie lediglich auf die Hülle eines Aggregates. Laut Glickenhaus hatte Sparfuchs Enzo Ferrari die Innereien von Motor und Getriebe entnehmen lassen, ehe man das Chassis zu Pininfarina lieferte. „Das Lenkungs-Problem war immer ein Mythos“, schreibt der ehemalige Hollywood-Regisseur. Die Steuerung sei „just fine“. Doch mit leergeräumtem Block sei das Modell eben nie aus eigener Kraft gefahren. Bis vor wenigen Tagen. In sozialen Netzwerken postete Glickenhaus ein Video, das den 512 S Modulo bei einer Testfahrt auf öffentlicher Straße zeigt. Im Heck steckt nunmehr der (laut Nomenklatur) korrekte 5,0-Liter-Zwölfzylinder aus dem 512 S, das leere 612-CanAm-Aggregat flog raus. Als nächstes soll das einstige Show-Car nun sogar eine reguläre Straßenzulassung erhalten. Wenn das weniger als einen Meter hohe Ufo schon auf den Automobil- und Design-Ausstellungen der 70er-Jahre so viel Aufmerksamkeit erhielt - wie wird der Modulo dann erst im SUV-Zeitalter zwischen all den aufgebockten Hochbeinern auffallen? Video: Ferrari 512S Modulo Pininfarina
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