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Opel - Rückblick und Ausblick einer Marke - Die schwarze Serie von Rüsselsheim

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„Opel ist kein Autohersteller mehr, Opel ist ein Industriedrama“, schreibt Sven Clausen in der Financial Times. Wie in einem Chandler-Krimi weiß man am Ende nicht, wer der Mörder war.

Auch Chandlers Titel der "Schwarzen Serie" könnten passen: Erst „Der lange Abschied“ und dann: „Tote schlafen fest“? Einen lässigen Privatermittler Philip Marlowe sucht man im Rüsselsheimer Drama aber vergebens, der hinter seiner Kippe hervorknurrt: „In dieser Stadt gibt es zu viel Waffen und zu wenig Hirn.“

Opel-Mitarbeiter: Kurve zeigt nach unten Opel-Mitarbeiter: Kurve zeigt nach unten Für Spannung ist gesorgt, allein schon durch permanentes Meinungsfeuerwerk. Dr. Helmut Becker vom Münchner Institut für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation (IWK) schießt mit scharfen Prognosen: In fünf Jahren wird es Opel in der heutigen Form nicht mehr geben, sagt der Volkswirt. Der Duisburger Experte Ferdinand Dudenhöffer erwartet eine ähnlich mörderische Strategie: Mitarbeiter rausschmeißen, Werke schließen und hoffen, dass es zum Überleben reicht.

 

Opel und GM: Eine 83-jährige Geschichte

Leider ist Opel kein Krimi. Opel ist nicht mal einfach Opel, sondern eine General-Motors-Tochter – und das seit 1929. Damals waren die Rüsselsheimer mit 44 Prozent Marktanteil der größte Autohersteller in Deutschland. Ein attraktiver Partner für die Amerikaner also. Die Opel-Familie konnte durchsetzen, dass Opel als eigenständige Marke mit eigener Modellpolitik erhalten blieb. Das zahlte sich lange aus: 1938 war die Marke mit dem Blitz dank eines Anteils von 46,6 Prozent am Gesamtexport der wichtigste Devisenbringer für die nationalsozialistische Regierung.

Zu diesem Zeitpunkt blickte die Adam Opel AG schon auf eine 72-jährige Firmengeschichte zurück. Die „Gesellschaft zur Vorbereitung des Deutschen Volkswagens mbH“ war gerade mal ein Jahr alt und noch weit von einer Serienproduktion entfernt.

Die goldenen 60er Jahre

Opel Kadett A, Reklame Opel Kadett A, Reklame Auch nach dem Krieg ging die Opel-Erfolgsgeschichte weiter. Opel, das war der blechgewordene Aufstieg im Wirtschaftswunder, die Motorisierung einer wachsenden Mittelschicht.

Ab 1962, dem 100. Firmenjubiläum, grüßte Opel von ganz oben: Mit dem neuen Kadett hatte man den VW Käfer auf einen Schlag zu Alteisen degradiert. Der Kadett bot mehr Platz, bessere Sicht, einen kultivierteren Motor mit Wasserkühlung und eine funktionierende Heizung.

Dazu bot der Kadett noch bessere Fahrleistungen bei niedrigerem Verbrauch. Er wurde ab 1962 im neu errichteten Werk Bochum gebaut, 1966 eröffnete Opel zusätzlich das Werk Kaiserslautern. 1964 lief der fünfmillionste Opel vom Band, und schon im Herbst 1971 der zehnmillionste. 1972 zog Opel mit 20,4 Prozent Marktanteil an Volkswagen vorbei.

Die deutsche GM-Tochter war zu dieser Zeit eine echte Gelddruckmaschine. Dieser Erfolg war, so komisch es klingt, der Anfang vom Ende der Glücksträhne. Denn er machte träge; in Detroit verstand man nicht, warum es nach der Ölkrise Sinn gemacht hätte, in sparsame Dieselmotoren und neue Ideen wie Frontantrieb oder Kleinwagen zu investieren.

Opel wird abgehängt

Und so fuhr die Konkurrenz auf die Überholspur: Volkswagen modernisierte seine Modellpalette ab 1973 mit dem Passat, 1974 mit dem Golf und 1975 dem Polo. Auf einmal sah das Opel-Portfolio ziemlich alt aus. Auch Ford leitete 1976 mit dem ersten Fiesta das Kleinwagen-Zeitalter mit Frontantrieb und quer eingebauten Motoren ein.

Opel Kadett D Montage, 1979 Opel Kadett D Montage, 1979 Opel antwortete erst 1979 mit dem Kadett D. Der Corsa als erster moderner Kleinwagen der Marke folgte erst 1982. Der Schaden war angerichtet: Anfang der 1980er sackte Opels Marktanteil wieder auf das Niveau von 1959 ab. Als hätte es die Blütezeit der 60er Jahre nicht gegeben.

In den kommenden Jahren pendelte sich der Marktanteil bei etwa 15 Prozent ein, und GM zog Schlüsse: Kosten sparen, Segmente aufgeben. 1993 erhielt der Senator keinen Nachfolger, das gleiche Schicksal ereilte 2003 seinen Plattform-Bruder Omega: Opel verzichtete auf die gehobene Klasse.

 

López-Effekt, GM-Effekt?

Anfang der 1990er: Die deutsche Einheit und der Einzug von Mikrochips in die Industrieproduktion machten Kostenreduzierung zum Motto der Stunde. Die gefährlichste Waffe der Autoindustrie hieß José Ignacio López de Arriortúa. Der Manager krempelte Opel komplett um, indem er den Beschaffungsmarkt konsequent in Entwicklung und Produktion einbezog. So erreichte López Milliardeneinsparungen. Das gleiche tat er ab 1993 bei Volkswagen, bevor Vorwürfe der Industriespionage die deutsche Karriere des Managers beendeten.

F. Beickler (1982-86), H. Herke (86-89) F. Beickler (1982-86), H. Herke (86-89) Deutschlands Autoindustrie durchlitt den López-Effekt: Im Fahrwasser des erfolgreichen Sanierers konnte es sich kaum ein Einkäufer leisten, hinter López‘ Sparerfolgen zurückzustehen. Kein Aufsichtsrat war bereit, nach dem Abgang des Spaniers wieder höhere Beschaffungskosten zu akzeptieren. So erpressten Opel und VW ihre Zulieferer an den Rand des qualitativ Akzeptablen und darüber hinaus.

Mit Folgen für die Qualität: Opel, der Zuverlässige? Der Slogan verschwand in der Versenkung, und Opel aus der Gewinnzone. Waren die Autos zuvor vielleicht etwas zu vernünftig und zu wenig emotional, gab es nun immer weniger vernünftige Gründe für ein Auto aus Rüsselsheim.

Davon hat sich Opel bis heute nicht erholt. Seit 2000 beschäftigt Opel den sechsten Firmenchef und häufte in jedem Jahr Verluste an. Und bis zum Finanzcrash 2008 verspürte GM wenig Bereitschaft, ausreichend in bessere, modernere, emotionalere Autos zu investieren.

So blieb vieles Stückwerk: Die innovativen Vans Zafira und Meriva trugen sich mit halbherzig modernisierter Antriebstechnik. Der Transporter Arena (1997-2001) war ein Renault-Zukauf, der Geländewagen Frontera (1991-2003) ein Isuzu. Die Sportwagen Speedster (2000-2005) und GT (2007-2009) litten unter dem schwachen Image.

Opel-Marktanteile, 1950-2011 Opel-Marktanteile, 1950-2011 Streichkonzert in O-moll

Die Folge: Der Marktanteil sank, und rote Bilanzen wurden zur Regel. 2004 streicht GM in Europa 12.000 Arbeitsplätze. 2008 bittet Opel den Staat um Bürgschaften.

2009 markiert eine Stunde Null für Opel: GM, nach Insolvenz dank Teilverstaatlichung (die USA halten 60,8 %, Kanada 11,7 %) wieder auf Kurs, entscheidet sich in letzter Minute gegen einen Opel-Verkauf. Stattdessen wird seitdem versucht, die Marke wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Und das bedeutet bei Opel: Mitarbeiter entlassen, Modelloffensive. Unter dem neuen Opel-Chef Nick Reilly wurden 8.000 Arbeitsplätze gestrichen und das Werk Antwerpen geschlossen.

Inzwischen sind Reilly und auch sein Nachfolger Stracke bereits Rüsselsheimer Industriegeschichte. Industriegeschichte wird ab 2017 auch die Opel-Produktion in Bochum sein, und der neue Chef Thomas Sedran wird aller Wahrscheinlichkeit nach eine Übergangslösung bleiben.

Wagen wir einen Ausblick?

Karl-Friedrich Stracke (4/2011-7/2012) Karl-Friedrich Stracke (4/2011-7/2012) Will General Motors am Plan einer Opel-Sanierung festhalten? Und wenn ja, wie teuer darf es werden? Klar ist, dass diese Sanierung Milliarden kosten wird - in Zeiten, in denen niemand mit einer schnellen Erholung der europäischen Automärkte rechnet. Ein klares Wort aus Detroit wäre für Opel sicher hilfreich: An den jüngsten Absatzrückgängen ist das negative Schlagzeilengewitter rund um den Opel-Blitz nicht unschuldig.

Dabei hat Opel etwas, das man nicht kaufen kann und das nicht alle haben: Ein Wir-Gefühl, eine Seele. Die kann man z. B. in den Kurven des neuen Astra GTC sehen, oder zwischen den Zeilen hören, wenn Opel-Fahrwerksingenieure referieren. Mit Händen greifen kann man diese Seele. In den Kantinen von Rüsselsheim, Bochum und Eisenach. Wer das abwickelt, dem ist nicht zu helfen – ob darüber Opel stehen muss, ist eine andere Frage.

 

Fotos: © GM Company;

Titelbild und Grafik Marktanteile: Foto © Frank Hering, mit freundlicher Genehmigung von Chromjuwelen.com

 

Quelle: MOTOR-TALK

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