Die Firma Icon baut zeitgemäße Performance in alte Autos. Beulen und Rost am Blech sind bei den "Derelicts" gewollt, doch bei diesem 49er Mercury fließt Strom darunter.
Berlin/Las Vegas – Manche Autofans sind schizophren. Sie sind fasziniert vom Neuen, können sich vom Alten aber nicht trennen. Oder finden das Neue schlicht nicht schön. Also packen sie moderne Technik in alte Hüllen. Beispiel: Die Firma Icon aus Los Angeles. Gegründet als Spezialist für Toyota-Land-Cruiser-Umbauten, konzentriert sich das Unternehmen inzwischen darauf, Oldtimer mit zeitgemäßer Performance zu bauen. Die Spezialität des Ehepaars Johnathan und Jamie Ward sind sogenannte „Derelicts“. Äußerlich und im Innenraum quasi unrestaurierte Autos mit modernen Motoren – meistens großvolumige V8-Benziner – und zeitgemäßer Fahrwerkstechnik. Ihr jüngstes Stück, das jetzt auf der Sema 2018 in Las Vegas präsentiert wurde, ist ein Klassiker der Lowrider- und Topchop-Kultur, ein Mercury Coupé von 1949. Mercury Coupé von 1949 mit Akkus von TeslaQuelle: ICON Doch statt das Dach tiefer zu legen und einen bollernden V8 einzubauen, hat Icon die geschundene Karosserie mit ihrem ermatteten Lack im Originalzustand belassen. Dafür aber tief in die Technik eingegriffen. Wo früher ein Flathead-V8 mit 4,2 Litern Hubraum (und etwa 110 PS) gurgelte, steckt ein Block, der formal an einen V8 erinnert, aber aus ganz anderer Technik besteht. Dieser 49er Mercury fährt rein elektrisch. Das Gehäuse in V8-Form beherbergt allerdings nicht den Elektromotor, sondern Steuerungselektronik und einen Teil des Akkupacks aus einem Tesla mit 85-kWh-Batterie. Die restlichen Zellen verteilte Icon „strategisch“ im Rest des Fahrzeugs. Ziel war eine möglichst gute Gewichtsverteilung. Die Reichweite soll zwischen 150 und 200 Meilen liegen (240 bis 320 Kilometer), dank Schnelllader sollen die Batterien in 1,5 Stunden gefüllt werden. Der elektrische Antriebsstrang stammt von der Firma Stealth EV, die auf Elektroumbauten spezialisiert ist. Hier kommt ein Doppelelektromotor mit fester Übersetzung zum Einsatz, der im Getriebetunnel unterkommt und die Hinterräder antreibt. Er mobilisiert etwas mehr als 400 PS und stellt ein Drehmoment von gut 637 Newtonmetern bereit. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 193 km/h (120 mph). Fahrwerk mit Einzelradaufhängung und Brembo-BremsenQuelle: ICON Weil das alles ein bisschen viel gewesen wäre für ein Fahrwerk von 1949, hat Icon ein komplett neues Chassis für den 49er Mercury entwickelt. Die Räder sind einzeln aufgehängt. Gefedert wird mit Schraubenfedern, gebremst mit Brembo-Bremsen. Äußerliche Hinweise auf die moderne Technik gibt es fast nicht. Einzig im Cockpit verrät sich der Mercury. Die analogen Instrumente wurden durch ein Display mit Chromrand und Digital-Anzeigen im Retrostil ersetzt. Käuflich ist der 49er Mercury nicht. Er wurde von einem langjährigen Kunden in Auftrag gegeben. Doch wem der Sinn nach einem ähnlichen Mercury-Stromer oder einem alten Oldsmobile-Kombi mit Elektroantrieb steht, den wird Icon sicher nicht abweisen. Ein gut gefülltes Bankkonto ist Voraussetzung. Für weniger als 250.000 Dollar (rund 220.000 Euro) gibt es kein Derelict. Je nach Aufwand kann der Spaß aber auch nah an die Millionen-Grenze reichen. |