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Update | VW-Studie: Hardware-Nachrüstung bei Dieseln ist mechanisch möglich - Diesel-Nachrüstung: Zwischen Wille und Wirklichkeit

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Update: Ein VW-internes Papier zeigt, das die Abgasreinigung neuer VW-Modelle in einige alte Diesel passt. Eine Nachrüstung funktioniert trotzdem nicht, sagt VW.

Update (15.03., 16:15 Uhr): Eine Stellungnahme von VW haben wir am Ende des Artikels ergänzt

Wolfsburg – Teuer, aber nicht unmöglich. An der generellen Haltung zur Umrüstung von Dieseln aus dem VW-Konzern hat sich seit gestern nicht viel geändert. Dennoch dürfte die heutige Nachricht für neuen Ärger bei Kunden, VW-Händlern und Talk-Show-Repräsentanten sorgen.

Noch gestern sagte VW-Konzernboss Müller auf der Jahrespressekonferenz des Konzerns zu Hardware-Nachrüstungen bei alten Dieseln: die Marken des VW-Konzerns werden keine Umrüstung auf bessere Abgasnormen anbieten. Es bleibe für VW-Kunden bei Software-Updates innerhalb der ursprünglichen Normen. Diese Haltung ist deshalb interessant und für viele Kunden ärgerlich, weil Fahrern eines Euro-5-Diesels (Verkauf bis 2015) ab 2019 Fahrverbote in deutschen Innenstädten drohen.

Heute schreibt die aktuelle Ausgabe der Wochenzeitung „Die Zeit“: Eine Nachrüstung bei vielen Modellen im VW-Konzern sei sehr wohl realisierbar. Ein internes Papier des VW-Konzerns belege, dass sieben von zehn untersuchten Fahrzeugen mit Originalteilen umrüstbar seien.

Hardware-Nachrüstung für Diesel: Golf, Passat, Skoda Octavia und Audi A3

Dazu zählen zum Beispiel der VW Golf und der VW Passat, der Audi A3 sowie der Skoda Octavia. Die volumenstärksten Modelle also. Bei ihnen wäre die Technik „aus dem Baukasten im Unterboden einsetzbar“, zitiert die Zeitung das interne Papier. Für Autos wie Audi A4 und A5 sowie VW Polo müsste neu entwickelt werden. Bisher hatte VW angegeben, dass bei vielen Fahrzeugen Bauraum und Bauteile fehlen.

Auf Nachfrage der „Automobilwoche“ sagte ein VW-Sprecher, dass es sich bei dieser Angabe vermutlich um eine Analyse über die mechanische Einbaubarkeit handele. Die Technik passt also in die angegebenen Autos, aber sie müsste angepasst werden. Zudem fehlen die entsprechenden Kennfelder für die Steuergeräte der Euro-5-Motoren. Laut Volkswagen ist deshalb "eine akzeptable Produktreife der Hardware-Nachrüstung kurzfristig nicht darstellbar".

An der grundsätzlichen Debatte ändern beide Informationen (Müller, Zeit) nichts. Bereits im vergangenen Jahr hat MOTOR-TALK den Kostenaufwand einer solchen Umrüstung grob berechnet. Für einen VW Passat B7 2.0 TDI mit 140 PS sind alle Bauteile und Datenstände vorhanden. Allein die Mechanik kostet laut VW-Ersatzteilekatalog etwa 7.500 Euro. Hinzu kämen 1.200 Euro für den Umbau. Die Kosten für die Entwicklung einer neuen Steuergeräte-Software fällt weg – VW bot diesen Motor ab Werk optional mit der Abgasnorm Euro 6 an.

Selbst wenn VW die Listenpreise der Ersatzteile wohl nicht voll bezahlen müsste: die originale Implementierung von SCR-Systemen ist aufwändig. Hier müssten fast die gesamte Abgasanlage, Leitungen, Kabelbäume, Sensoren, Tank und möglicherweise sogar der Tacho angepasst werden. Diesen Aufwand will VW nicht bezahlen. Man rechnet dort mit einem Gesamtaufwand von rund 17 Milliarden Euro.

SCR-System vom Umrüster: VW kritisiert die Nachrüstung

Umrüster gehen einen anderen Weg. Sie messen den Stickoxid-Gehalt im Abgas und blasen verdampftes AdBlue in den Abgasstrang. Die Systeme sollen spontan genug arbeiten, um nicht in die Motorsteuerung eingreifen zu müssen. Der Kat wird in die vorhandene Abgasanlage eingesetzt.

Ein solches System will VW nicht anbieten. Müller kritisierte die Lösung mit dem nachträglich eingesetzten Bauteil deutlich: dadurch könnten sich die Fahreigenschaften massiv verschlechtern, deutet Müller bei einem VDA-Kongress vor knapp zwei Wochen an. „Die Kunden sind höchst kritisch bei Veränderungen der Fahreigenschaften“, zitierte die "Wirtschaftswoche" den VW-Chef. Komplettlösungen mit Werksanspruch bedürften einer Entwicklungszeit von zwei bis drei Jahren. Das sei damit keine schnelle Lösung und daher nicht sinnvoll, so der Standpunkt des Konzerns.

Insgesamt sinkt derzeit die Begeisterung für Nachrüstsysteme, da der notwendige Prozess der Anpassung auf jedes Fahrzeugmodell sowie die nötige Zertifizierung eben keine schnelle Lösung versprechen. Fahrverbote sind zwar prinzipiell erlaubt, wie das Bundesverwaltungsgericht feststellte. Es ordnete aber Verhältnismäßigkeit an.

Hamburg geht mit einem konkreten Beispiel voran und sperrt wenige 100 Meter Strecke für Euro-4-Diesel. Anlieger und Lieferanten mit einem Ziel in diesem Bereich bekommen Ausnahmegenehmigungen. Wenn alle Städte die Fahrverbote so weich und kleinteilig umsetzen, wird der Markt für Nachrüstlösungen wohl klein bleiben. Autofahrer werden dann schlicht nicht daran interessiert sein.

Update: Mechanisch machbar, praktisch nicht umzusetzen

Mittlerweile äußerte sich VW konkreter zum Bericht der „Zeit“. Auf Nachfrage von MOTOR-TALK sagte ein Sprecher, dass bisher unklar ist, um welches Papier es sich handele. Vermutlich gehe es um „die mechanische Einbaubarkeit von vorhandenen Plattformteilen der SCR-Abgasnachbehandlung“ in alte Diesel. Konkret also um die Integrierbarkeit von SCR-Katalysatoren und AdBlue-Tankeinheiten in Modelle, die ohne diese Technik konzipiert wurden.

Parallel dazu habe man eine Risikoanalyse des nachträglichen Einbaus durchgeführt. Das Ergebnis: „Eine akzeptable Produktreife der Hardware-Nachrüstung ist kurzfristig nicht darstellbar.“ Obwohl die Komponenten mechanisch in einige Autos passen, lassen sich die Fahrzeuge also nicht problemlos umrüsten.

VW habe sich zudem mit allen Umrüstern unterhalten, um die Machbarkeit zu prüfen. Dabei seien erhebliche Zweifel bei Kosten, Wirkung und Umsetzbarkeit entstanden. Die Prototypen nutzten zum Beispiel teure Originalteile, die von Hand modifiziert worden seien. Allein der Materialpreis übersteige bereits den anvisierten Verkaufspreis bekannter Nachrüstlösungen.

Die Prototypen würden außerdem, so VW, nicht die genannten Stickoxid-Ziele erreichen. Im Stadtverkehr stießen sie bei kalten Temperaturen mehr Schadstoffe aus als angegeben. Laut Messungen des ADAC werde der NOx-Ausstoß hier um ungefähr 50 Prozent reduziert. VW erreicht nach eigenen Angaben mit dem Software-Update eine Minderung von 25 bis 30 Prozent.

Der wichtigste Punkt: Die „von Zulieferern zur Verfügung gestellte Systeme zur Hardware-Nachrüstung machen aus einem EU5 Fahrzeug kein EU6 Fahrzeug.“ Sie wären demnach womöglich genauso von Fahrverboten betroffen wie ohne Umrüstung. Bisher würden außerdem Erprobung, Langzeittests und Zulassung fehlen – ein Prozess, der ungefähr zwei Jahre dauere.

Diesen Angaben zufolge wird es in absehbarer Zeit gar keine Umrüstsysteme für alte Diesel auf dem Markt geben.

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Avatar von SerialChilla
VW
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