Viele neue Elektroautos, neues Dacia-SUV, neuer Clio 2019 und in jedem Markt nur noch eine Billigmarke - Lada oder Dacia: Renault hat die Strategie bis 2022 vorgestellt.
Paris - Carlos Ghosn, Weltbürger mit brasilianisch-französisch-libanesischen Wurzeln, gilt in der Autobranche als Phänomen. Leitete er doch jahrelang mit Renault und Nissan parallel zwei der größten Autokonzerne der Welt. Im vergangenen Jahr sicherte sich Ghosn über Nissan noch die Herrschaft über Mitsubishi Motors, auch der russische Hersteller Avtovaz gehört zur Gruppe. Ghosn wirkt oft wie ein Abziehbild von Napoleon: klein, impulsiv, unerbittlich. Er sagte einmal, er könne seinen Job niemandem empfehlen. Nach Absatzzahlen hat die von Ghosn geschmiedete Allianz mittlerweile Toyota und General Motors überholt. Mit einer gewissen Spannung erwartete die Autoszene daher die Vorstellung des strategischen Planes der „Groupe Renault“, also des europäischen Herzstücks der Renault-Nissan-Allianz. Renault: Elektrifizierung und AutonomieQuelle: dpa/Picture AllianceFinanziell sind die Ziele ehrgeizig: Zum Ende des Planes will Renault jährlich mehr als 70 Milliarden Euro umsetzen, die operative Marge auf über 7 Prozent steigern und die weltweiten Verkaufszahlen auf mehr als 5 Millionen Fahrzeuge pro Jahr steigern. Das gilt für die Marken Renault, Dacia und Avtovaz (Lada). 10 Milliarden Euro sollen in Forschung und Entwicklung investiert werden. Dafür brauchen die Franzosen vor allem neue Modelle – Modelle, die auch nach 2020 attraktiv sind. Insgesamt will Renault bis Ende 2022 21 neue Modelle weltweit einführen. Drei davon sind komplett neu, bei 18 handelt es sich um Modellwechsel. Acht davon sollen SUV sein. Die Marke Renault ist das Rückgrat des angestrebten Wachstums. In Europa soll Renault eine „ongoing product story“ erzählen. Das bedeutet: Man glaubt, in den richtigen Segmenten vertreten zu sein. Bestseller wird wohl der Kleinwagen Clio bleiben. Er soll 2019 erneuert werden und erhält dann autonome Funktionen nach Level 2 sowie eine elektrifizierte Antriebsoption. Die größeren Modelle ab Mégane aufwärts sollen „Top-Autonomie“ erhalten, ebenso die SUV. Das dürfte autonome Fahrfunktionen nach Level 3 bedeuten. Auch ein neuer Kangoo ist fest eingeplant. Elektroautos: China erobernBei rein elektrischen Fahrzeugen sieht Renault sich als Marktführer in Europa und will das bleiben. Die Planer kalkulieren: Ab 2020 sollen Elektroautos sich für Privatkunden rechnen und sukzessive erschwinglicher werden als der Besitz eines Verbrenners. Acht neue Elektroautos plant Renault, darunter sollen fünf komplett neue und drei erneuerte Modelle sein. Zusätzlich plant Renault 12 elektrifizierte Modelle, in Europa steht dann 60 Prozent des Sortiments unter Strom. Dann will Renault mit den neuen Modellen 80 Prozent des E-Auto-Marktes abdecken. Aktuell sieht man sich bei 30 Prozent. Bisher operiert Renault bei den Stromern nach eigenen Angaben kostendeckend, aber noch nicht wirklich profitabel. Das soll sich ändern, mit einem ambitionierten Vorhaben: Im umkämpften Elektro-Markt China will Renault, wie schon in Europa, Marktführer bei E-Autos werden. Parallel will man in Brasilien, Iran oder Indien den Markt beherrschen, solange es dort noch nicht viel Konkurrenz gibt. Vorgesehen sind sieben neue Modelle, davon drei Elektroautos, in China. Außerdem vier neue Modelle (davon 1 Elektroauto) in Indien und vier neue Modelle im Iran. Quelle: Renault Auf den in Frankreich traditionellen Diesel setzt der Stab von Carlos Ghosn offenbar nicht mehr. Bis 2022 will Renault daher sein Angebot an Dieselfahrzeugen um die Hälfte reduzieren. Billigmarken: Nur noch eine pro MarktNeben der Elektromobilität sieht Renault seine weltweit erfolgreiche Billigauto-Strategie als wichtigen Pfeiler für neues Wachstum. Diese Strategie will der Konzern konsolidieren. Das könnte für die russische Marke Lada das Aus in Europa bedeuten: Ein Doppelangebot von Lada und Dacia in denselben Märkten soll es bald nicht mehr geben. Ein Grund dafür: Die Autos werden sich in Zukunft stark ähneln. 80 Prozent des Angebots von Lada, Renault und Dacia sollen auf gemeinsame Plattformen der Renault-Nissan-Allianz umziehen. Explizit will Renault Modelle für Südamerika, Indien und andere Schwellenmärkte auf globale Plattformen von Renault und Nissan stellen. 2016 seien es etwas mehr als 20 Prozent gewesen. 100 Prozent der nicht sichtbaren Teile sollen schon 2019 aus dem Allianz-Baukasten stammen. Das soll die Kosten im Einkauf um 20 Prozent senken. Konkret bedeutet das beispielsweise: Die Dacia-Bestseller Logan und Sandero werden komplett erneuert. Auf Basis des neuen Duster soll ein größeres C-SUV entstehen. Indien erhält neue Ableger des erfolgreichen Billigautos Kwid. In Russland (Avtovaz/Lada) will Renault ebenfalls stark investieren. Und: das in Europa starke Nutzfahrzeug-Sortiment soll schon bald weltweit ausgerollt werden. Vernetzung und japanische TugendenVon der globalen Allianz mit Nissan und Mitsubishi will Renault über die Plattform-Strategie hinaus profitieren. So soll weltweit die japanische Produktionsphilosophie „Monozukuri“ eingeführt werden. Diesen Ansatz, der unter anderem konstante Innovation und das Streben nach Perfektion beinhaltet, machte einst Toyota weltberühmt. Renault will dadurch Einsparungen in Höhe von 4,2 Milliarden Euro erzielen. Quelle: Renault Beim Zukunftsthema Vernetzung und Autonomie hat Nissan derzeit einen Vorsprung. Den sollen die Japaner mit den übrigen Marken der Allianz teilen. 100 Prozent der Renault-Fahrzeuge in Schlüsselmärkten wie Europa und China sollen bis 2022 vernetzt sein, 15 Modelle sollen autonome Fähigkeiten besitzen. 2022 will Renault außerdem über einen eigenen Fahrdienst mit autonomen Autos verfügen. Vieles, das Carlos Ghosn der Renault-Gruppe verordnet, klingt gewohnt. Mehr Elektroautos, mehr Autonomie, gemeinsame Plattformstrategie – das erzählen alle Automanager. Aber: Bei der Elektromobilität hat Renault einen großen Vorsprung vor künftigen Wettbewerbern wie Volkswagen oder PSA. Das gleiche gilt für das Thema Billigauto: Als einziger Konzern der Welt ist Renault hier in so unterschiedlichen Märkten wie Westeuropa und Indien erfolgreich. Und: die Allianz mit Nissan und Mitsubishi bietet den Franzosen Zugriff auf japanische Tugenden, zum Beispiel im Bereich Produktionsprozesse und Qualitätsmanagement. Über die Kooperation mit Daimler besteht auch eine Verbindung nach Deutschland. Man fragt sich nur, wer dieses extrem komplexe Netzwerk künftig steuern wird. Selbst ein Carlos Ghosn wird irgendwann in Ruhestand gehen. |