Zum ersten Mal fährt ein Serienfahrzeug autonom: Bei Stau und zähfließendem Verkehr übernimmt der Audi A8 das Steuer. Wir haben Autonomiestufe drei ausprobiert.
Düsseldorf – Audi übernimmt Verantwortung. Wenn der neue A8 im autonomen Modus einen Unfall verschuldet, dann haftet der Hersteller. Nicht aus Nächstenliebe, sondern weil er muss: Die Limousine ist das weltweit erste Fahrzeug, das autonom fährt. Ganz ohne Zutun des Fahrers. Sie erfüllt das sogenannte Autonomielevel drei. Herstellerhaftung ist dafür Voraussetzung. Autonomie ab Anfang 2018Quelle: Audi Gefühlt können das schon viele Modelle. Die Kombination aus Abstandstempomat und Spurassistent wirkt, als fahre das Auto selbstständig. Einige Fahrzeuge wechseln sogar automatisiert ihre Fahrspur. Die Einschränkung: Der Fahrer ist verantwortlich, wenn etwas schiefgeht. Sensoren überwachen, ob der Pilot aufmerksam ist. Stellt die Software Ablenkung fest, schaltet sie ab. Mehr kann und darf kein derzeit erhältliches Auto. Das liegt an der Gesetzgebung. Die UN-Regelung R 79 für Lenkanlagen schreibt vor, dass nur bei langsamer Fahrt ein Computer steuern darf. Die Grenze liegt bei 10 km/h. Das erlaubt automatisiertes Einparken, viel mehr aber nicht. Eingriffe bei schnelleren Manövern gelten nur als unterstützend. Die Grenze soll nun steigen. Bald dürfen Steuergeräte bis Tempo 130 Lenkrad und Pedale übernehmen. Audi rechnet mit einer überarbeiteten Regelung Anfang 2018. Ab dann lässt sich die autonome Fahrfunktion im Konfigurator ankreuzen. Prototypen sind bereits mit einer Sondergenehmigung unterwegs. Wir fuhren mit. Der Audi A8 fährt autonom auf der AutobahnQuelle: Audi Die Versuchsfahrzeuge mit Serientechnik zeigen, was der A8 bald kann. Das erscheint im Vergleich wenig: Autonom fährt er nur auf Autobahnen, nur bei zähfließendem Verkehr, nur bis zu einem Tempo von 60 km/h und nicht auf zu engen Fahrspuren. Die Spur wechselt er nicht. Wenn er an seine Grenzen stößt oder der Verkehr schneller fließt, übergibt er an den Fahrer. Klingt mau, ist es aber nicht. Denn wenn der A8 autonom fährt und alle Parameter stimmen, hat der Fahrer Pause. Der A8 hält Abstand und Spur, beobachtet den umliegenden Verkehr und lässt Spurwechslern den Vortritt. Dabei muss er keine Hand am Lenkrad spüren. Er beschleunigt nach langen Stopps (bis zu 30 Minuten) aus dem Stillstand. Das fühlt sich im ersten Moment ungewohnt an. Die Einschränkungen der Vorgängermodelle bleiben präsent. Der A8 fährt aber vorausschauend und souverän. Er bremst nur scharf, wenn es unbedingt nötig ist, und beschleunigt sanft. Während unserer Testfahrt arbeitete das System fehlerfrei. Theoretisch würde er autonom quer durch die Republik fahren – wenn der Stau lang genug ist und er seine Spur nicht wechseln muss. Filme sind okay, Handys nichtDer Fahrer darf sich währenddessen ablenken. Handys sind aus Sicherheitsgründen tabu – offiziell, falls ein Airbag auslöst. Aber auf dem Infotainment-Bildschirm sind Videos, das TV-Programm oder Apps erlaubt. All das, was sonst nur im Stillstand funktioniert. Quelle: Audi Gut: Stockt der Verkehr, bildet der A8 selbstständig eine Rettungsgasse. Seine Software erkennt, auf welcher Spur er fährt, und weicht entsprechend aus. Alte Systeme orientieren sich stur am Vordermann und wehren sich aktiv gegen Korrekturen. Das bemängelten wir zum Beispiel am Stauassistenten des Audi Q7. Zur Sicherheit: Doppelt ausgelegte TechnikDamit nichts schiefläuft, sichert Audi sich ab. Alle Systeme im A8 sind redundant ausgelegt. Mehrere Fühler tasten seine Umgebung ab: Die Ultraschallsensoren der Parkpiepser (3 bis 6 m), insgesamt fünf Radarsensoren (70 bis 200 m) und ein Laser-Scanner. Hinzu kommt eine Kamera in der Windschutzscheibe. Der A8 erkennt Abstände, Formen, Farben und schaut unter vorausfahrenden Autos durch. Fällt ein System aus, liefern die übrigen genügend Daten. Wenn der A8 das Steuer zurück an den Fahrer übergibt, bleiben dem einige Sekunden Zeit. Schlafen darf er nicht, aber im Film versinken. Das bedeutet, dass der A8 auf alle Situationen vorbereitet sein muss. Ein Beispiel: Wenn die Fahrspur endet, erkennt er das rechtzeitig am Verhalten der Autos vor sich und übergibt mit ausreichend Zeitreserve. Fährt der A8 selbst, ist Audi für Defekte verantwortlich. Auch für ein Versagen des Bremssystems oder den Ausfall des Autonomie-Steuergerätes. Deshalb sind diese Bauteile ebenfalls doppelt vorhanden: Versagt der Bremskraftverstärker, ersetzt ihn eine Hydraulikpumpe im Motorraum. Streikt die Autonomie-Software, springt ein zweites Steuergerät mit den Grundfunktionen ein. Eine Blackbox dokumentiert jede autonome Fahrt, falls es zu einem Unfall kommt. Der A8 hat den Fahrer im BlickTrotz aller Sicherheiten: Der Fahrer muss ansprechbar bleiben. Während der autonomen Fahrt beobachtet der Audi seinen Piloten mit einer Kamera. Schaut der auf die Straße, zum Beifahrer oder auf den Bildschirm, ist alles in Ordnung. Liest er Zeitung oder schläft, schlägt der Audi Alarm: Er strafft den Gurt, spielt Warntöne und bremst ruckartig. Diese Signale sind deutlich genug, um schlummernde Piloten zu wecken. Folgt keine Reaktion, bremst das Auto bis zum Stillstand, entriegelt die Türen und informiert den Notruf – es könnte sich um einen Notfall handeln. Für Verkehrssituationen außerhalb der Autonomie setzt Audi im neuen A8 die bekannte Technik ein. Er hält bei hohen Geschwindigkeiten ebenfalls Spur und Abstand. Dann ist aber der Fahrer verantwortlich. Ein großer Schritt, der sich klein anfühltDer vollautonome Bereich im A8 fühlt sich klein an. Tatsächlich ist es aber ein großer Schritt. Wo früher der Fahrer flink korrigieren sollte, muss nun ein Steuergerät fehlerfrei Auswege finden. Die Rahmenbedingungen sind eine Momentaufnahme. Audi arbeitet an höheren Geschwindigkeiten und zusätzlichen Fahrsituationen. Die nächste Stufe erlaubt dem Fahrer ein Nickerchen. Sie sei weniger kompliziert als der Sprung von Level zwei auf drei. Erklärung: Autonomielevel nach SAE
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