Hübsches Heck, aber nicht mehr Raum: Audis großer Kombi wird mit dem Modellwechsel nicht praktischer. Dafür hat er andere Qualitäten. Erste Fahrt im A6 Avant.
Neckarsulm – Er sieht ein bisschen aus wie ein getarntes Polizeiauto. Der neue Audi A6 Avant trägt zwei schwarz glänzende Gebilde im Kühlergrill, die aussehen, als verstecke sich dahinter ein Blaulicht. Doch der A6 sieht mit ihnen. Links sitzt ein Radar, rechts ein Laserscanner. Sie liefern Informationen für die Assistenzsysteme. Die Form folgt der Funktion, zumindest an dieser Stelle. Andernorts ist es andersherum: Der neue A6-Kombi Avant bekommt ein Heck mit einer betont flachen Scheibe. Das sieht dynamischer aus, kostet aber Platz. In den technischen Daten macht sich das kaum bemerkbar, aber: eine große Hundebox passt nicht in den Kofferraum. Ging beim Vorgänger allerdings auch schon nicht. Audi A6 Avant (C8, 2018): 48 Volt kosten PlatzQuelle: Audi Platz im Heck war nie die Stärke des A6 Avant. 565 bis 1.680 Liter Ladevolumen sind in der oberen Mittelklasse mäßig. Der BMW 5er Touring ist knapp größer (570 bis 1.700 l), die Mercedes E-Klasse als T-Modell deutlich (640 bis 1.820 l). Hinzu kommt, dass im Audi die Rücksitzlehne nicht mehr flach umklappt, sondern zur Fahrzeugfront hin ansteigt. Eine andere Funktion war hier wichtiger: Audi schraubt eine 48-Volt-Batterie unter die Rücksitzbank. Sie speist das Mild-Hybrid-System der V6-Motoren und beeinflusst die Position der Sitzfläche. Bei den Vierzylindern arbeitet eine ganz ähnliche Technik ohne zusätzliches Bordnetz, also ohne 48-Volt-Batterie. Eine andere Rückbank gibt es dafür nicht. Der Laderaum des größten Audi-Kombis steht in Audis Prioritätenliste also nicht weit oben. Es gibt ja noch den Q7. Wichtiger ist im A6 der Platz für die Insassen. Das Auto wächst gegenüber seinem Vorgänger minimal, die Achsen stehen 1,2 Zentimeter weiter auseinander. Das vergrößert den Knieraum der Fond-Passagiere. Vier große Erwachsene reisen im A6 prima, und hinten mit deutlich mehr Kopffreiheit als in der Limousine. Stilles Reisen im Audi A6 AvantQuelle: Audi Es wird ruhig im A6. Audi dämmt den Avant genau wie die Limousine ordentlich, optional mit Akustikglas. Zusätzlicher Lärm von der Hinterachse fiel uns bei der ersten Fahrt nicht auf – normalerweise machen Kombis hier mehr Krach. Der Geräuschpegel im Innenraum ist maßgeblich vom Motor abhängig. Als Faustregel gilt: Je größer, desto ruhiger. Vorläufige Benzin-Basis wird der Audi A6 Avant 45 TFSI, verfügbar mit Front- oder Allradantrieb. In ihm arbeitet ein Vierzylinder-Benziner mit 245 PS und 370 Nm Drehmoment. Ein sehr ähnlicher Motor treibt bei VW den Golf GTI Performance an. Im Kombi funktioniert er gut. Kraft und Ausdauer stimmen, er bewegt den A6 zügig und mit genügend Reserven. Sein Sound will jedoch nicht zu dem großen Langstrecken-Auto passen. Fordert man Kraft, dreht der Motor aufgeregt hoch und dröhnt. Das ist der Preis für das Downsizing: Der Motor klingt nicht souverän, ihm fehlt das akustische Volumen. Neu ist das nicht im A6, die Leistungsklasse bediente im Vorgänger ebenfalls ein Vierzylinder. Der Diesel passt besser zum A6 AvantQuelle: Audi Überraschung: Der (vorläufige) Basis-Diesel kann das besser. Im A6 40 TDI steckt ein 2,0-Liter-Selbstzünder mit 204 PS und 400 Nm. Mit ihm fällt es leichter, auf dem Drehmoment-Plateau zu surfen. Die Drehzahl bleibt niedrig, der Diesel knurrt sanft irgendwo im Vorderwagen – kaum lauter als das Zischen seines Turbos. Auf der ersten Fahrt war er der angenehmere Motor. Gut 80 Prozent der Kunden kaufen den A6 ohnehin als Diesel. Zum Marktstart bietet Audi nur Selbstzünder an. Neben dem Vierzylinder stehen zwei V6-Motoren mit 231 oder 286 PS zur Wahl. Später starten der kleine Benziner und ein V6 mit 340 PS. Langfristig folgt ein Plug-in-Hybrid. Audi schraubt einen Riemen-Startergenerator (RSG) an alle Motoren. Er ersetzt Lichtmaschine und Anlasser. So kann der A6 beim Bremsen mehr Energie rekuperieren und den Motor sanfter anlassen. Der steht deshalb häufiger still und spart Sprit. In den Vierzylindern arbeitet der RSG mit einer Spannung von 12 Volt, bei den V6-Antrieben mit 48 Volt und dadurch komfortabler. Lieber Doppelkupplung als Wandler-AutomatikQuelle: Audi Kleine Antriebe koppelt Audi im A6 Avant an ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe. Dem wurden die Komfortprobleme bei langsamer Fahrt abgewöhnt. Wo der Vorgänger Entscheidungsschwierigkeiten hatte, schaltet und kuppelt die aktuelle Version bestimmt und souverän. Die S-Tronic funktioniert mittlerweile angenehmer als die Wandlerautomaten in den V6-Dieseln. Sie sind in einigen Situationen träger. Die Basismodelle des A6 treiben nur die Vorderräder an. Allradantrieb ist für alle Motoren verfügbar, bei stärkeren Antrieben serienmäßig. In Verbindung mit einer Automatik steckt das klassische Allradsystem im A6: Sein Mittendifferenzial verteilt bis zu 70 Prozent der Kraft nach vorn und bis zu 85 Prozent nach hinten. Die anderen Modelle bekommen die „Ultra“-Variante, bei der sich die Kardanwelle vollständig abkoppelt, um Sprit zu sparen. Bei Lenkung und Fahrwerk macht Audi im A6 Avant alles richtig. Er federt komfortabel, rollt leise und stützt sich in Kurven sicher nach außen ab. Das Fahrverhalten bleibt mit 21-Zoll-Felgen und niedrigen Reifenflanken angenehm. Optional straffen adaptive Dämpfer die Straßenlage, ein Luftfahrwerk ist verfügbar. Unsere Testwagen fuhren mit verstellbaren Stahl-Fahrwerken. Vermisst haben wir nichts. Optional mit AllradlenkungDer große Kombi lenkt präzise und direkt. Um die Mittellage bleibt ihm genug Spiel, um nicht nervös zu wirken. Audi-typisch ist die Lenkung verhältnismäßig leichtgängig abgestimmt. Über die serienmäßigen Fahrprogramme lässt sich aber mehr Gewicht in die Lenkung programmieren. Das passt besser zum A6. Optional lenken die Hinterräder minimal mit (hohes Tempo) oder gegen die Vorderräder. Beim Rangieren schrumpft der Wendekreis um etwa einen Meter, auf der Autobahn liegt der A6 in schnellen Kurven sicherer. Für die großen Allrad-Diesel bietet Audi optional ein Sperrdifferenzial für die Hinterachse an. Große Touchscreens fürs InfotainmentQuelle: Audi Im Cockpit installiert Audi die aktuelle Infotainment-Generation. Sie besteht aus zwei Touchscreens, die fast alle Funktionen steuern. Das ist gewöhnungsbedürftig. Nicht alle Funktionen erschließen sich auf den ersten Blick. Ist das System personalisiert und bekannt, tippt es sich flüssig – allerdings nie ganz ohne Ablenkung. Das Armaturenbrett gestaltet Audi aufwändig und verziert es hübsch. Gegen Aufpreis bezieht Audi fast alle sichtbaren Teile mit Leder und setzt hübsche Hölzer ein. Das fühlt sich toll an und ist auf den Punkt verarbeitet. Im Detail fehlt allerdings die Konsequenz: Rund um die Lenksäule setzt Audi billigen, harten Kunststoff ein. Das sieht man nicht sofort, sollte in dieser Preisklasse aber trotzdem nicht sein. Ein Navi gibt es serienmäßig im neuen A6 Avant. Online-Funktionen gehören fest zum System: Die Route wird extern unter Berücksichtigung der Verkehrslage berechnet. Wenn das Netz zu schwach ist, rechnet der A6 selbst. Auf unserer Testfahrt stimmte die Stauprognose genau. Der Audi A6 kann mehr als der A8Die Assistenten übernimmt der A6 fast vollständig aus der Oberklasse. Er bekommt einen Großteil der Helfer, die Audi vor knapp einem Jahr einführte. Zum A8 fehlen ihm nur Laserlicht und das aufwändige „AI-Fahrwerk“. In der aktuellen Konfiguration hat der A6 sogar einen kleinen Vorsprung vor dem A8. Denn den gibt es praktisch noch nicht mit dem Laser-Scanner für die Autonomie. Der folgt später – und wird die A8-Front verändern. Der A6 arbeitet mit mehr Sensoren. Seine autonomen Fähigkeiten beschränken sich aktuell auf das Halten von Abstand und Spur. Das macht er gut. Zur Konkurrenz aus München und Stuttgart fehlt aber die Fähigkeit, die Spur zu wechseln. 2.500 Euro Aufpreis für das KombiheckQuelle: Audi Der A6 Avant ist bereits bestellbar. Mit dem kleinen Selbstzünder und Frontantrieb kostet er 51.650 Euro. 231 Diesel-PS aus sechs Zylindern stehen mit 57.550 Euro in der Preisliste. Der große Diesel mit 286 PS ist 3.000 Euro teurer. Damit beträgt der Aufpreis zur Limousine 2.500 Euro. Die Benziner lassen sich noch etwas Zeit. Audi verspricht baldige Lieferung, verweist aber auf die zähen Zulassungsprozesse. Aktuell sind die Antriebe in ihrer aktuellen Version noch nicht homologiert. Verbrauchswerte nennt Audi deshalb nicht. Zu den Sportversionen des A6 möchte man noch gar nichts sagen. Den Motor des neuen S6 hat Audi bereits vorgestellt: Er bekommt einen 2,9-Liter-V6-Benziner mit zwei Turbos und einem Elektro-Verdichter. Er leistet 450 PS und 600 Newtonmeter Drehmoment. Wir rechnen Anfang 2019 mit dem Auto. Ein Jahr später könnte der RS6 Avant mit V8-Mild-Hybrid-Benziner und rund 600 PS starten. Audi A6 Avant: Technische Daten
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