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Paul Pietsch Klassik im Porsche 911 (964) Turbo S Leichtbau - Mit Strietzel Stuck im Turbo-Glück

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Im Porsche 911 Turbo S Leichtbau fuhr Hans Joachim Stuck mit MOTOR-TALK bei der Paul Pietsch Klassik Rallye. Der Fahrbericht vom Beifahrersitz.

MOTOR-TALK war mit Hans Joachim "Strietzel" Stuck auf der Paul Pietsch Klassik unterwegs MOTOR-TALK war mit Hans Joachim "Strietzel" Stuck auf der Paul Pietsch Klassik unterwegs Quelle: Porsche

Offenburg – Glück findet man auf dem Beifahrer-Schalensitz eines Porsche 911 Turbo S Leichtbau, gelenkt von Hans Joachim Stuck. Der Fahrer: einzigartig. Das Auto: extrem selten. 86 Stück wurden gebaut, davon nur drei in „Speed Yellow“ lackiert.

Bei Porsche verstauben Museumsautos nicht. Die Klassiker werden bewegt. Zum Beispiel auf Oldtimer-Rallyes wie der Paul Pietsch Klassik. Sie führt durch den Schwarzwald und über einige der feinsten Landstraßen der Republik. 106 Autos gehen 2017 an den Start. Das Älteste ist ein Bugatti 35T von 1928. Youngtimer wie ein BMW M3 oder ein Corrado VR6 von 1991 komplettieren das Feld.

Bei der Rallye fahren zahlreiche Young- und Oldtimer mit Bei der Rallye fahren zahlreiche Young- und Oldtimer mit Quelle: Porsche

Auf der Paul Pietsch Klassik mit Leichtbau-Porsche

Der Abend vor der Rallye: Kuno Werner, Werkstattchef des Porsche Museums, checkt zum letzten Mal seine Autos. Ein Porsche 928 von 1981 und unser 911 Turbo S Leichtbau von 1992. Er begrüßt mich in feinstem Schwäbisch und drückt mir den Schlüssel zum 964 in die Hand. „Hier, dann isch’s morgen entschbannter.“

Selbst im schummrigen Licht der überdachten Parkplätze sticht das Gelb hervor. Ich wage einen kurzen Blick in den Innenraum: Zwei enge Schalensitze, keine Rückbank. Dort, wo sowieso niemand mitfahren möchte, verdeckt dicker Teppich das Blech. Karg ausgestattet ist der Elfer trotzdem nicht. Sogar die Lamellen der Lüftungdsdüsen sind mit Leder bespannt. Für die Rallye nimmt ein Wegstreckenzähler im Handschuhfach Platz.

Strietzel Stuck hat ganz andere Probleme: Er findet kein Hotelzimmer. Das Hotel ist mit Teilnehmern der Rallye komplett belegt. Es ist zwei Uhr in der Nacht, als der DMSB-Präsident und Porsche-Markenbotschafter ins Bett geht. Um sechs Uhr klingeln die Wecker. Mein Gesicht hängt nach einer kurzen Nacht schlaff überm Morgenmüsli. Er setzt sich gut gelaunt neben mich: „Servus, ich bin der Strietzel.“ Schlagartig bin ich wach.

Unser Dienstwagen: Ein 911 Turbo S Leichtbau, Baureihe 964 Unser Dienstwagen: Ein 911 Turbo S Leichtbau, Baureihe 964 Quelle: Porsche

Porsche 911 Turbo S Leichtbau: Anlassen und Anrollen

Keine halbe Stunde später schnallen wir uns in den 964. Wir sind längst beim Du. Ist für ihn entspannter sagt er. Und er stellt klar: „Peter, wir fahren hier heute, um richtig Spaß zu haben. So ein schönes Auto zu fahren ist doch einmalig, oder?“ Recht hat er. Trotzdem checke ich Kamera, Meterzähler und das Roadbook lieber dreimal. Kuno hockt sich neben die geöffnete Fahrertür: „Stucki, ni’ wundern, der kommt spät. Bleib drauf, einfach drehen lassen.“

Der 3,3-Liter schüttelt sich wach und geht in seinen unruhigen Leerlauf. Stucki grinst, kuppelt ein und legt den ersten Gang ein. Die hochglanzpolierten 18-Zoll-Turbofelgen tragen frische Pirelli P-Zero und rollen dem Start der Rallye entgegen.

Vor der Reithalle Offenburg werden die Autos nach Abfahrtzeit aufgereiht. Drinnen gibt’s den fünften Kaffee des Tages und das Fahrerbriefing. Spaß haben und ankommen sind die wichtigsten Ratschläge der Organisatoren. Die Zeitpuffer für die Etappen zwischen den Wertungsprüfungen sind großzügig bemessen, die Paul Pietsch ist nicht die Mille Miglia.

Einige Teilnehmer nehmen die Sache ernst. Sie nutzen ihre eigenen Stoppuhren, nicht die vom Veranstalter. Clever, wie sich später zeigen sollte: Einer unserer Zeitnehmer bleibt während der längsten Wertungsprüfung hängen. Elektronisch messen ist in der "Sanduhrklasse" verboten. Die schnelle Notlösung: Nach Gefühl fahren.

Nur 86 Leichtbau-Turbos entstanden. Sie sind die Vorläufer der GT2-Modelle Nur 86 Leichtbau-Turbos entstanden. Sie sind die Vorläufer der GT2-Modelle Quelle: Porsche

Hans Joachim Stuck: Zwischengas und voll durchladen

Das kann Strietzel. Lässig platziert er das Zwischengas bei jedem Gangwechsel. Während ich über dem Roadbook brüte, erzählt er Geschichten vom Nürburgring, seinen Söhnen, seinen Autos. Von damals, als er mit einem BMW X5 mit Le-Mans-Motor einen 911 Turbo auf der Döttinger Höhe überholte.

Als Rennfahrer war Strietzel schnell, gewann die 24-Stunden von Le Mans auf Porsche und auf BMW am Nürburgring. Auf Audi fuhr er in der IMSA-GTO und in der DTM. Heute genießt er jeden Meter im Leichtbau-Turbo-S.

Langsam wird er nie sein. Die Kraft des Turbo S setzt er gezielt ein, ruft sie nur wenige Male voll ab. Die Turbos lassen sich in der Tat lange bitten. Wenn man denkt, das wird nix mehr, bellt es aus dem Heck.

Das seltene Spitzenmodell der 964-Reihe ist bei Strietzel in besten Händen. Bei einer Auktion in Silverstone fiel bei einem ähnlichen Modell der Hammer bei rund 670.000 Euro – so teuer ist kaum ein anderer Elfer. Schon gar nicht ein so junger. Im Januar 1991 wurde die Basis für das Sondermodell gelegt. Der Leiter der Exklusiv-Abteilung der Porsche-Geschäftsführung steckte den Rahmen für den 964 Turbo S Leichtbau in einem Memo ab:

  • limitiert auf 80 Einheiten (20 bis 50 wurden vorgeschlagen, 86 schließlich gebaut)
  • anvisierter Preis: „unter DM 300.000 inkl. MwSt.“
  • spezielle „optische Merkmale“ (geänderte Schürzen, Schweller, Spiegel, Spoiler)
  • Leistungssteigerung auf 381 PS (280 kW)
  • Entfall Zweimassenschwungrad, Radio, Klimaanlage, Servolenkung, Rücksitzbank

Platz 59 von 102 - Stucki ist trotzdem  bestens gelaunt Platz 59 von 102 - Stucki ist trotzdem bestens gelaunt Quelle: Peter Besser für MOTOR-TALK Der 911 Turbo S in seiner Leichtbau-Variante ist der Urahn späterer Über-Elfer. Ein naher Verwandter des 911 GT2 RS. Extrem, aber nicht so schwer zu fahren wie frühere Turbos. Der Schub des 3,3-Liter-Boxers setzt berechenbar ein. Ortsschild, Ende der 30-Zone, der zweite Gang sitzt, natürlich mit Zwischengas. Strietzel zählt laut mit: „Einundzwanzig, Zweiundzwanzig, Drei....!“ Der Elfer faucht, grollt und legt los wie angestochen. Überwältigt vergesse ich, ins Roadbook zu schauen.

„Stucki hier rechts!“ rufe ich. Strietzel ankert den Elfer und wirft das Lenkrad in Richtung Kehre. Zwischengas, zweiter Gang, abbiegen. Dritter Gang. Wir schießen den Berg hinauf und Strietzel fängt laut an zu lachen. Am Straßenrand stehen Zuschauer, sie klatschen, feuern die Autos an. Und Strietzel, als sie ihn erkennen. Er reckt seine linke Hand zum Gruß aus dem Fenster.

Den Elfer schonen wir nicht. 86 anspruchsvolle Wertungsprüfungen muss er bei der Paul Pietsch bewältigen. Besonders hart für Autos und Teilnehmer: Eine extrem knappe Zeitvorgabe einer Prüfung, die auf einem Schotterplatz gefahren wird. Strietzel muss den Turbo S im Drift durch die 180-Grad-Kehre zirkeln. Steine knallen im Radhaus, der Unterboden setzt einmal auf.

Der nächste Schreck: Die Ziellinie ist gleichzeitig der Start einer geheimen Prüfung. Wir vergeigen sie hoffnungslos. Spaß hat man auch mit miesen Prüfungsergebnissen. Am Ende des Tages freuen wir uns über Platz 59 von 102 Teilnehmern. Handshake mit Strietzel. Besser wird es nicht mehr.

Technische Daten Porsche 911 Turbo S „Leichtbau“ (964)

  • Motor: 3,3-Liter-Turbo-Boxer
  • Leistung: 381 PS (280 kW) 6.000 U/min
  • Drehmoment: 490 Nm bei 4.800 U/min
  • Literleistung: 115,5 PS/l
  • Leistungsgewicht: 3,38kg/PS
  • Zündfolge: 1-6-2-4-3-5
  • Getriebe: 5-Gang manuell (ohne Zweimassenschwungrad)
  • 0-100 km/h: 4,7 s
  • 0-200 km/h: 14,2 s
  • 0-1000 m, stehender Start: 22,4 s
  • 100-200 km/h, 5. Gang: 17,5 s
  • Höchstgeschwindigkeit: 290 km/h
  • Verbrauch: ca. 23,7 Liter (im Rallye-Modus)
  • Verbrauch angegeben: 15,0 l/100km
  • Länge: 4.275 mm
  • Breite: 1.775 mm
  • Höhe: 1.270 mm
  • Radstand: 2.272 mm
  • Leergewicht: 1.290 kg (DIN Leergewicht)
  • Tankvolumen: 92 Liter Links-, 77 Liter Rechtslenker
  • Tieferlegung (-40 mm mit Dämpferkennlinie Carrera RS)
  • Keine Klimaanlage, dafür zweiter Ölkühler
  • Preis 1991: 295.000 DM
  • Wert heute: ca. 600.000 Euro

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