Rallycross ist lauter und wilder als die F1 und zumindest im Antritt auch schneller. Am Wochenende kommt die WM nach Deutschland. Das muss man zum Lauf auf dem Estering wissen.
Buxtehude – Die Nomenklatur ist irreführend. Rallycross klingt nach Rennen mit Offroad-Motorrädern. Tatsächlich geht es um mehr als 500 PS starke Klein- und Kompaktwagen, die Seite an Seite über vergleichsweise kurze Rennstrecken driften. Häufig zu dritt nebeneinander, manchmal mit loderndem Turbofeuer aus dem Auspuff und gelegentlich mit leichtem Kontakt. Spannend? Und wie. Rallycross ist die Alternative für alle, denen Formel 1, DTM und Formel E zu langweilig sind. An diesem Wochenende kommt die Top-Liga nach Deutschland. In Buxtehude bei Hamburg findet der vorletzte Lauf der Weltmeisterschaft statt. Mit drei Werksmannschaften, gut aufgestellten Privatteams und Stars, die mitunter in anderen Motorsport-Disziplinen schon alles gewannen. Lest hier alles zum vielleicht sehenswertesten Racing-Event Deutschlands. Das Rallycross-SystemQuelle: World RX / IMG Rallycross-Wettbewerbe sind nach einem Turniersystem aufgebaut. Jeder Fahrer tritt in vier kurzen Qualifikationsrennen an. Die Läufe führen über vier Runden, maximal fünf Fahrzeuge stehen in der Startaufstellung – und zwar direkt nebeneinander. Damit ist ein gelungener Start enorm wichtig. Um an Konkurrenten vorbeizugehen, gibt es neben dem Überholen eine weitere Möglichkeit: Pro Lauf muss jeder Fahrer in die „Joker-Lap“, eine erweiterte Runde. Wann er sie durchfährt, bleibt ihm überlassen. Hier ist ein Positionstausch möglich. Das entspricht dem Überholen beim Boxenstopp in der Formel 1. Die besten 12 Fahrer der vier Quali-Läufe kommen weiter. Jeweils sechs Autos starten verteilt auf drei Reihen ins Semifinale. Die ersten drei aus beiden Läufen treten im Finale an. Wer das gewinnt, ist Sieger des WM-Laufes. Die Autos: (Anfangs) schneller als F1-WagenQuelle: World RX / IMG Rallycross ist Klein- und Kompaktwagensport. Technisch haben die eingesetzten VW Polo, Audi S1 oder Peugeot 208 freilich wenig mit der Serie gemein. Die Autos der „Supercar“-Kategorie nutzen aufgeladene 2,0-Liter-Motoren, sequenzielle Getriebe und Allrad. Die Leistungen liegen im Bereich von 550 PS. Die Mischung der Reifen von Avon und Cooper ist wesentlich weicher als bei gängigen Rundstreckenreifen. Die schnellsten Fahrzeuge erreichen Sprintzeiten von 0 auf 100 km/h zwischen 1,9 und 2,2 Sekunden. Damit lassen sie ein Formel-1-Auto auf den ersten Metern stehen. Später nicht mehr: Rallycross-Supercars sind an die vergleichsweise kurzen Rennstrecken angepasst. Und damit wesentlich kürzer übersetzt als andere Renn- und Tourenwagen. Die Werksteams von VW, Audi und Peugeot waren über die Saison klar schneller als die privaten Rennställe. Am besten hielt das von Hyundai unterstützte GRX-Team mit i30-Supercars mit. Häufigstes Modell ist der Ford Fiesta. Das technisch interessanteste Auto ist der Renault Mégane des französischen GCK-Teams mit Längsmotor und Inboard-Bremsen. Scheiben und Zange liegen also nicht direkt hinter der Felge. Die Stars: Rallye-Legenden gegen ein DTM-AssQuelle: World RX / IMG In dieser Saison lag am Ende meistens Johan Kristofferson voran. Der VW-Pilot steht seit dem letzten Rennen in den USA als Champion 2018 fest. Um den Vize-Weltmeistertitel duellieren sich drei Weltstars und ein junger Norweger. Der neunmalige Rallye-Weltmeister Sebastien Loeb (Peugeot), Rallye- und Rallycross-Weltmeister Petter Solberg (VW), DTM-Champion Matthias Ekström (Audi) und Andreas Bakkerud (Audi) sind in der WM-Wertung nur durch neun Zähler getrennt. Die Entscheidung fällt wohl erst beim WM-Finale in Südafrika, doch harte Fights sind bereits an diesem Wochenende zu erwarten. Der einzige einheimische Vertreter im WM-Feld ist der Unternehmer René Münnich. Er steuert einen Seat Ibiza. Die Strecke: Berüchtigter Beginn, berühmtes FinishQuelle: World RX / IMG Zum Rallycross gehören Schotterabschnitte wie geteertes Geläuf. Auf dem Estering bei Buxtehude ist der unbefestigte Anteil mit 40 Prozent vergleichsweise hoch. Gleich die Anbremszone zur ersten Kurve ist geschottert. Allein der Streckenverlauf sorgt hier normalerweise für Spannung. Was den deutschen WM-Veranstaltungsort außerdem auszeichnet, ist die Joker-Lap unmittelbar vor dem Zielbereich. Fährt ein Sieganwärter die Schleife in der letzten Runde, kann die Rennentscheidung zum "Foto-Finish" werden. 2014 etwa gab es hier die knappste Entscheidung der Motorsportgeschichte. Petter Solberg gewann damals fünf Tausendstelsekunden vor Matthias Ekström. Mit freiem Auge sah das niemand.
Kosten und Anreise zur Rallycross-WMQuelle: World RX / IMG Die Teilnehmer kostet eine volle WM-Saison im Privatteam geringfügig weniger als eine Million Euro. Tests und kleinere Schäden eingerechnet. Heruntergebrochen auf ein WM-Rennen entspricht das rund 80.000 Euro. Für die Zuschauer zahlen für das Wochenendticket beim deutschen WM-Lauf 2018 ab 60 Euro (oder 25 für Samstag und 40 für Sonntag). Inklusive Fahrerlager-Zugang werden 80 Euro fällig. Hier sind Zuseher näher am Geschehen als in den Boxengassen klassischer Rundstreckenrennen. Ähnlich wie im Servicepark einer WM-Rallye, nur dass Autos und Piloten öfter zugegen sind. Die ersten Rennen finden Samtag ab 12 Uhr statt. Am Sonntag beginnen die Rennläufe ab 9:40 Uhr. Der frühere Anreisezeitpunkt ist der bessere: Im Vorjahr war die Schlange an Besucherautos lang. Alternativ bieten die Veranstalter eine Übernachtung auf einem provisorischen Campingplatz. Eine Nacht kostet 15 Euro inklusive Fahrzeuggebühr.
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